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Zuletzt aktualisiert am: 23.02.16
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Europ Alpen A AL AND B BG BIH BY CH CY CZ D DK E EST F FIN FL GB GR H HR I IRL IS L LT LV M MC MD MK MNE N NL P PL RO RSM RUS S SK SLO SRB TR UKR V
W a n d e r b e r i c h t e - A l p e n
Inhaltsverzeichnis: • Homepage mit Berichten über Wanderungen in den Alpen Von Sigrid Mitterer
• 1. Alpen- Längsüberschreitung Von Hans Diem
• Zu Fuß von Wien nach Nizza Von Alwin Müller
Auf Wanderwegen von Garmisch nach Brescia Von Hans Losse
• Eine Alpenüberquerung auf „Via Alpina“ Von Hans Diem
• Via Alpina - Blauer Weg Von Hans Diem
• Zu Fuß und mit Zelt zwei Mal quer über die Alpen Von Hans Diem
• Eine Alpenüberquerung in 38 Tagen zu Fuß und mit dem Von Hans Diem
• Auf historischen Pfaden über die Alpen In einer gemischten Gruppe von Innsbruck nach Meran - im Juli 2010 Von Hartmut Wagner
• 40 Jahre Traumpfad von München nach Venedig Von Dr. Stefan Lenz
• Die Bonner Hütte am Toblacher Pfannhorn Von Thomas Striebig
Private Homepage mit Berichten über Wanderungen und Weitwanderungen in den Alpen von Sigrid Mitterer: http://www.sigisart.de
1. Alpen-Längsüberschreitung von Hans Diem
Auf einer Südroute von Nizza
nach Wien in Frankreich, Italien und Österreich. Zu Fuß und
mit Zeltausrüstung vom 29.05.bis 30.08.1993 auf einer Route südlich des
Alpen-Hauptkammes in 94 Tagen auf ca. 2000 km Bergwegen mit ca. 220.000 Hm Auf
und Ab über 136 Berge und Pässe bis 3538 m Höhe, mit 46 Zeltnächten, an 39 Tagen
mit Evelyn Diem, mit
Höchstleistungen in Höhenmeter/Tag: 5000, 4090, 4227, 4380 im Auf- und Abstieg.
Es war eine großartige Erfahrung! Drei Monate lang oben sein,
jeden Tag neue Berge, neue Täler, neue Leute sehen. Der Körper macht mit, ob auf
oder ab oder flach, der Kopf denkt voraus, die Beine machen Tempo. Auch das
Wetter macht mit, ein paar Stunden Regen, Nebel, Schnee oder Sturm gehören dazu.
Bald stellt sich ein Hochgefühl ein, Freude, Lebenslust. Weiterwollen bei
Sonnenaufgang, nicht aufhören können bei Sonnenuntergang, in der Höhe bummeln
mögen, im Tal bolzen wollen, 94 Tage lang mit 5 Ruhetagen, an 39 Tagen mit
meiner Evelyn. Wir, Hans Diem (Jahrgang 1937) und Evelyn sind fit durch
Laufsport und erfahren durch viele Jahre mit Sommer- und Winter-Bergtouren auch
mit Zelt. Meine Idee mit Nizza – Wien löst bei uns eine große Begeisterung aus.
In drei Monaten Vorbereitung studiere ich Karten um meine Strecke zu finden,
machen wir gezieltes Training und einige tagelange Überschreitungen mit voller
Ausrüstung bei jedem Wetter. Für den Sommer nehme ich eine Auszeit, Evelyn
begleitet mich in ihrer Freizeit. Hans Diem geht von Nizza nach Wien. Non stop - das ist das
Größte. Mit Zelt - da läuft es am besten. Durch den Südbogen - da ist das Wetter
gut. Von Süden nach Norden - dem Frühling hinterher. Und wenn ich losgehe - will
ich auch ankommen.
Französische Alpen vom 29.05.
bis 06.06.1993
Nach der Anreise mit der Bahn starten Evelyn und ich am
29.05.93 um 17 Uhr am Bahnhof Nizza. Nach zwei Stunden Aufstieg auf dem Alpenweg
GR 5 sind wir schon bezaubert, unser Zelt steht im duftenden Ginster 508 m hoch
über Küste und Meer, nachts leuchtet ein Sternenmeer über uns, die Lichterketten
von Nizza strahlen unter uns! Auf deutlichem Weg und gut mit Rot-Weiß markiert gehen wir in
den Seealpen über Hügel mit Wald und Wiesen nach Norden, passend zum
Eingewöhnen. Die Bergdörfer haben Restaurants und Läden, wir finden Quellen für
Trinkwasser und Bäche zum kurzen Baden, aufgegebene Terrassen sind gute
Zeltplätze für uns, die alten Steinwege und die Blumenpracht mit betörendem Duft
erfreuen uns besonders. Nach drei Tagen sehen wir vom Mt. Tournairet (2086 m)
den Alpenhauptkamm vor uns. Auf der Hochalm Lognan ist es schön zum Bleiben, die Nacht
allerdings ist bitterkalt. Es wird alpiner, erste Schneefelder verlangen Grödel
und Gamaschen. Von St. Etienne schicken wir ein Paket mit unnötiger Ausrüstung
nach Hause. In St. Dalmas bleiben wir in der neuen Gîte d'étape, die nette
Wirtin wäscht bereitwillig unsere Kleidung in ihrer Waschmaschine und berichtet
von den Problemen dieser abgelegenen Region in 1400 m Höhe. Der 1. Höhepunkt ist der Aufstieg zum Pas de la Cavale (2671
m) inmitten grandioser Landschaft, im Abstieg reicht die Schneedecke bis 2300 m
hinab. Am schönen Lac de Lauzanier (2200 m) machen wir Rast, dabei schwimme ich
kurz im See. Trete dabei in rostigen Blechabfall und schneide mir die rechte
Fußsohle auf. Evelyn verarztet mich gekonnt, doch zwei Wochen lang kann ich nur
mit der Fußaußenkante auftreten. Über die Passstraße zum Col de Larche wechseln
wir nun vom GR5 über den Hauptkamm hinüber zum italienischen Alpenweg GTA.
Frankreich: 9 Tage, ca.150 km
Gehstrecke, 10 Berge, 7 Zeltnächte, 1 Hausnacht.
Italienische Alpen vom 07.06.
bis 30.07.1993
Am 10.Tag steigen wir wagemutig die steile Schneeflanke hinauf
zur Cima delle Manse (2727 m) mit der Grenze Frankreich – Italien, haben eine
fantastische Aussicht. Es ist ein großer Tag und ein tolles Gefühl für uns.
Abstiege mit gutem Firnschnee sind für uns wie ein Kinderspiel. Auf der
italienischen Seite rutschen wir in der Überhose, die Gehstecken als Bremse
einsetzend, schnurstracks und juchzend auf dem Hosenboden hinab, kommen zum
Bergdorf Chiaperra und zur GTA, der "Grande Traversata delle Alpi". Auf dem
Colle di Bellino (2804 m) ist noch tiefer Winter, im Abstieg müssen wir wieder
Mal eine günstige Stelle suchen, um einen tosenden Wildbach zu überqueren. Auch
auf Talwegen haben wir manchmal ein Problem mit dornigem Gestrüpp. Ein Mann hört
dabei mein Schimpfen und sagt: „Italiener gehen da niemals hinein, nur deutsche
Esel.“ Im Dorf Casteldelfino (1300 m) kommt gerade das Radrennen Giro
d’Italia durch, kein Vergleich zur Tour de France, stellen wir fest. Die
Übergänge am alles überragenden Monte Viso sind ab 2000 m noch voll Schnee,
daher gehen wir auf den niedrigsten zu, den Colle di Luca (2436 m). Ein heftiges
Gewitter treibt uns in eine Stallruine mit Dach, Glück gehabt. Wie unser Zelt
auf dem ausgetrockneten Mist steht, will auch eine meckernde Ziegenschar herein.
Enttäuscht flüchten sie in eine andere Ruine, ist leider ohne Dach. Drüben in
Crisolo (1400 m) erholen wir uns gut im Albergo Monviso, haben ein geheiztes
Zimmer mit Bad. Im Hochgebirge steigen wir von einem hohen Col zum anderen bis
2713 m Höhe, treffen am 16.06. in der alten Römerstadt Susa (500 m) ein. Im Tal
blühen die Rosen, darüber steht 3538 m hoch der berühmte Wallfahrtsberg
Rocciamelone in makellosem Blau. Wir besteigen ihn am 18.06. bei noch
winterlichen Verhältnissen.
Ohne Rucksack machen wir uns auf den Weg zum Gipfel des
Rocciamelone (3538 m), der Steig mit den Sicherungsseilen ist zum Teil noch
bedeckt mit hart gefrorenem Schnee. Wir haben ein perfektes Panorama mit
Monviso, Dauphinè, Monte Rosa und Mont Blanc vor uns, 3000 m unter uns liegt die
Stadt Susa, fantastisch. Die Madonna steht frei, doch die Kapelle mit
Notunterkunft steckt noch tief im Schnee. Zurück an der Hütte frühstücken wir
auf der Bank vor dem Haus in wärmender Sonne und freuen uns über den Tag mit dem
großartigen Berg bei schwierigen Verhältnissen. Inzwischen hat sich ein idealer Tagesablauf eingestellt mit
vier mal zwei Stunden gehen, dazwischen immer mit einer langen Rast zum essen,
trinken und schauen, während Zelt und Schlafsack in der Sonne trocknen. In den
Dörfern machen wir gerne eine Kaffeepause in der Bar, kaufen Lebensmittel ein,
gehen für ein Menü ins Ristorante, und übernachten auch mal unangemeldet in
einem Albergo oder in einer Hütte, wenn es zeitlich passt. Damit es ausgeht mit
der langen Tour in einem Sommer trage ich ohne Probleme unsere Zeltausrüstung
mit, es kommen zwar ca. 20 kg Gewicht zusammen, doch wir sind herrlich frei,
können den Tag voll ausnützen, haben nachts vorzügliche frische Bergluft.
Am Abend bin ich zurück am GTA und bolze mit irrer Lust den
Bergweg hinauf zum Zelten bei einer verlassenen Alm. Auf Schnee über den Colle
di Trione, im Abstieg eine Rast im Nebel. Im Bach kurz baden, einen Kaffee
machen, auf einem Stück Landkarte meinen Standort suchen, allein im
menschenleeren Gebirge sein, toll. Bis zu 10 Std. am Tag steige ich mit
Begeisterung über hohe Colle bis 2641 m Höhe, besuche bekannte Walserdörfer wie
Pialpetta, Noasca, Talosio, Bosco, Piamprato, Fondo, Scalaro. Leider oft mit
Wegsuche verbunden wegen der großen Schneefelder, weil der GTA nicht perfekt
markiert ist und Wegweiser fehlen, da sind dann Karte und Kompass gefragt.
Am 28.Tag treffe ich im Aostatal ein, zelte auf dem
Campingplatz in Quincinetto und kann hier wieder mal eine Waschmaschine benützen
zur gründlichen Kleiderreinigung. Am nächsten Abend komme ich zur ersten offenen
Berghütte mit dem besten aller Hüttenwirte. Die tolle Lage des Rifugio Coda
(2280 m), die fantastische Aussicht bei Abendstimmung wird übertroffen vom Wirt.
Er empfängt mich mit Handschlag, erklärt mir das Panorama, gibt mir ein
separates Lager, bedient mich extra, denn sein Gast kommt zu Fuß von Nizza. Am
folgenden Morgen mache ich auf seine Empfehlung die Munt-Mars-Überschreitung,
eine leichte Klettertour in warmer Morgensonne auf den markanten Gipfel im
Alpenbogen (2600 m) hoch überm Flachland mit einem perfekten Panorama, ein
Glückstag für mich. Nun sind die Almen bewirtschaftet, an den Bergseen stehen
Angler, Bergwanderer stürmen die Gipfel, Autotouristen bevölkern die Talorte
Rosazza und Piedicavallo. Die Colle bis 2495 m hoch haben immer noch
Schneefelder, doch am Tag wird es bis 20° warm. Am 31.Tag komme ich zum
Urlaubsort Alagna bei Regenwetter, also Pausentag. Ein Paket mit Übrigem geht
per Post nach Hause, dann besuche ich das bekannte Walserdorf. Nach dem Colle
Mud gehe ich im schönen Dorf Rima in die Posto tappa zum Übernachten. Drei Mann
aus Köln sind hier zu einer Woche GTA, sie machen auf der Wäscheleine
bereitwillig Platz für meine Regenkleider. Wegen Schnee und Nebel haben sie ihre
Tour abgebrochen, sind umgekehrt und mit Taxi und Bus hier angekommen. Dass ich
in 32 Tagen vom Mittelmeer hier herauf gekommen bin und auch noch weitergehen
will fasziniert die Drei ungemein. Beim Abendessen im Ristorante wird
anschließend stundenlang und lauthals durcheinander geredet. Über zwei Colle bis 2331 m Höhe geht es sehr schön weiter nach
Carcoforo und Santa Maria di Fobello. Hier beendet der Stich einer Stechmücke in
den linken Ellbogen jäh mein Wohlbefinden. Der Wirt der Posto Tappa heißt Andrea
Bossi, spricht zum Glück deutsch und ist eine Perle in rauer Schale. Er kennt
das Insekt aus eigener Erfahrung, holt eine reizende Schullehrerin mit ihrem
Medikamentenkoffer, telefoniert dann nach dem Doktor, organisiert über die
Buslinie die verschriebenen Medikamente, bekocht mich Fiebernden angemessen,
verbindet meinen Ellbogen regelmäßig und entlässt mich am vierten Tag ungern,
denn mein Arm ist noch dick geschwollen. Mit wackeligen Knien gehe ich die
letzten Kilometer GTA über Rimella und Campello Monti nach Forno, dann auf der
Autostraße hinab nach Omegna am Lago d’Orta. Auf Linienschiffen überquere ich den Lago Maggiore, den Lago
di Lugano und den Lago di Como, dazwischen geht auf viel Teerstraße und etwas
Waldweg ein Rucksack mit meinen zwei Beinen auf die Bergamasker Alpen zu.
Zehn Tage dauert meine Überschreitung der Bergamasker Alpen
von Tremenico über den Monte Legnone zum Passo Vivione auf vier verschiedenen
Höhenwegen. Der Beginn ist ein Fehlstart. Nachts presst Sturmwind Regenwasser
durch die Ritzen der Blechtüre ins Bivaco Silvestri auf 2164 m Höhe, mein Zelt
schwimmt auf dem Betonboden der leeren Hütte, draußen ist der Grat zum Gipfel
des Mt. Legnone plötzlich tief verschneit. Notabstieg zum Rifugio R. Lorla bei
Sturm, Böen in der Hocke abwartend.
Der zweite Versuch auf dem Normalweg gelingt, der alte
Karrenweg endet auf dem Ostgrat des Mt. Legnone. Um 18.30 Uhr lege ich den
Rucksack in eine Felsnische, in kurzer Hose, Anorak und Fotoapparat in der Hand
stürme ich den Felsgrat hinauf, stehe um 20 Uhr auf dem Gipfel des Legnone (2610
m). Herrlicher Rundblick, der Lago di Como glänzt in der Abendstimmung, doch
eiskalter Sturm kommt auf und blockiert sogar den Fotoapparat. Mensch Hanse,
runter, runter, endlich den Rucksack auf den Rücken geworfen, vom Grat in den
Nordhang hinein, im letzten Licht und bei Saukälte reißen die klammen Hände
irgendwie das Zelt heraus. Der Wind wirbelt die Plane herum, Steine drauf, das
Gestänge hinfummeln, schnell rein in die schützende Hülle. Stress lass nach!
Luftmatratze aufblasen, das dauert, mit den Zähnen die Stöpsel öffnen und
verschließen. Schlafsack raus und reinlegen, ich werde ewig nicht warm. Nur
nicht verrückt werden! Zum Wasser warm machen muss ich das Gasventil mit den
Zähnen öffnen und schließen, endlich habe ich eine Suppe hinbekommen, die Hände
tauen auf am warmen Topf, und alles wird gut. Der nächste Morgen ist schön und
ohne Wind, nach dem Morgenkaffee bin ich wieder heil und brülle einen Juchzer
ins Gebirge. Auf dem Gratverlauf der Bergamasker überschreite ich 23 Gipfel
und Pässe bis 2712 m Höhe, die wenigen Schneefelder sind gut begehbar, verwegene
Steige in steilen Flanken wechseln ab mit Wanderwegen in Almweiden, die Hütten
haben gerade geöffnet und schon ist an den Wochenenden viel Betrieb.
Die Adamellogruppe überschreite ich als einziger in dieser
Zeit. Ich beginne bei heftigem Regen, kann eine Trockenpause am Kaminfeuer eines
Almbauern machen, genieße dann die Stargastbetreuung der Tonolini-Hütte. Passo
Premassone und Passo Brizio tragen unberührten Neuschnee, auf dem
Adamellogletscher liegt eine frische Schneedecke. Nebel und Schneefall erfordern
hier umsichtiges Handeln und den Umgang mit Karte, Kompass und Höhenmesser, es
ist eine echte Bewährungsprobe. Doch die Hüttenmannschaft des Rifugio Lobbia
alta (3030 m) empfängt mich Einzelgänger sehr aufgeregt mit erhobenem
Zeigefinger. Wo ich mich grad so gefreut habe, weil ich im Nebel den einen
Felssporn genau getroffen habe und dann meine Schneespur hinaufgezogen habe
direkt zur Hütte. Am Abend berichte ich den Gästen am Tisch von einem
ungewöhnlichen Erlebnis. Nach dem Abstieg vom Passo Premassone will ich über
einen Staudamm zur Einkehr in der Garibaldi-Hütte gehen. Nach vielen Kilometern
Stolperweg mag ich raumgreifend ausschreiten auf dem ebenen Damm. Dieser
Staudamm wird gerade repariert, Hubschrauber fliegen Lasten heran, ein Einweiser
auf dem Damm dirigiert sie per Funk. Ich gehe auf den Einweiser zu, sehe das
dicke Drahtseil 10 cm hoch und quer über dem Boden nicht, hakele links ein und
beginne zu stürzen. Rechtes Bein vor, runter auf's linke Knie, Bremsspur. Reicht
nicht, vor auf die Hände und drauf auf die Ellbogen. Jetzt wird's ernst, denn
der Rucksack schiebt mit Schwung, ich muss mit der rechten Schulter bremsen bei
Tendenz zum Überschlag, also auch noch mit dem Gesicht drauf auf den rauen
Beton. Verwirrt rapple ich mich auf, da fragt doch der Einweiser grinsend: "Nix
passiert?" Ich brumme: "Geht schon wieder, die paar Kratzer!"
Zwei Tage später sitze ich eine Stunde lang in der Bocca di
Brenta bei schönstem Wetter, beobachte das muntere Treiben von viel Fußvolk und
wundere mich, dass das bizarre Felsgebirge so problemlos zu überschreiten ist.
Am 24.07., meinem 57. Tag steige ich ab in das Etschtal, bin mittags im Dorf
Mezzocorona auf 219 m Höhe, düse trotz Mittagsgluthitze weiter auf Teerstraße
zum Dorf Rovere. Dabei lösten sich nach und nach von vorne her die Profilsohlen
von meinen Stiefeln, zum verrückt werden. In der Bar von Rovere will ich eh diesen besonderen Tag
feiern, zum Glück gibt es eine hier. Beim Genuss des größtmöglichen Eisbechers
zeige ich der Signora meine Schuhe mit den hängenden Sohlen. Die versteht ohne
Worte und schickt ihren Sohn zum Einkaufen für einen geeigneten Kleber. Derweil
erfährt sie von mir mit Hilfe meiner Alpenkarte, was die Stiefel bisher
durchgemacht haben, und wohin die mich noch tragen sollen. Der Kleber kommt, ich
soll die Sohle ja fest andrücken empfiehlt sie mir. Überaus dankbar lege ich
Geld auf den Tisch, doch Signora lehnt ab, verbeugt sich und sagt, es war ihr
eine große Ehre. Überglücklich quere ich das Tal mit Fluss, Straße, Autobahn
und Eisenbahn, die Ode an die Freude brüllend. Von einer Telefonzelle in Salurn
verbreite ich jubelnd die Nachricht an meine Verwandtschaft. Spät am Abend bin
ich dann oben im Bergdorf Gfrill auf 1328 m Höhe. Das Gasthaus ist belegt, man
ist froh, dass ich zelte. Am nächsten Morgen klopft mein Evchen ans Zelt, sie
ist mit dem Auto gekommen, bringt frische Kleider und einen neuen Schlafsack
mit. Wir verbummeln einen schönen Tag an dem tollen Ort mit Gasthaus und
Panorama-Ausblick. Auf dem Fernwanderweg Nr. 5 gehe ich nun auf die Dolomiten zu.
Die Gebietswanderkarten besorge ich unterwegs, habe aber ständig ein Problem
damit. Hier in Truden kopiert mir das Verkehrsamt eine Karte, weil es keine zu
kaufen gibt. In Birchabruck bietet sich mir mitten im Ort eine offene Hütte mit
Holzboden, Foliendach, Bier- und Wasseranschluss als Zeltplatz an. Niemand
protestiert, gut für mich, weil es gerade regnet. In der Tschamin-Alm wird
kräftig gefuttert, und weiter geht es über Tierser-Alpl-Joch, Sellajoch auf den
Piz Boe (3125 m) zur grandiosen Dolomitenschau. Im Abstieg zur Kostner Hütte liegt eine Frau zitternd im
steilen Schuttkar und blickt ängstlich nach unten. Ich biete meine Hilfe an,
rede gut zu, ziehe sie in die Höhe, drehe sie zur Hangseite, mache Tritte ins
Geröll, gebe ihr meine Handschuhe für ihre eiskalten Hände, lasse sie immer
wieder rasten zum Arme und Beine lockern. Im Flachen angekommen gibt sie mir die
Handschuhe zurück und sagt zu dem Mann, der da herumsteht, er soll sich bei mir
bedanken. Macht er auch. Die nachfolgenden Bergsteiger umringen mich und
bewundern meine professionelle Aktion.
Nach der Einkehr im Rifugio Pralongia zelte ich oberhalb super
gut und singe wie so oft meine Friedensarie, das Largo, ins Abendrot. Am
nächsten Morgen bolze ich hinauf zum Settsass bei Traumwetter mit Panorama
totale, schöner geht nicht. Beschwingt mache ich Tempo auf dem Weg über Passo
Valparola, Cortina d'Ampezzo, Passo Tre Croci, Misurinasee, Drei-Zinnen-Hütte
zur Dreischusterhütte. Hier erwartet mich Evelyn, sie kann eine Woche lang
mitgehen.
Italien: 55 Tage, ca. 1000 km
Gehstrecke, 71 Berge, 27 Zeltnächte, 28 Hausnächte.
Österreichische Alpen vom 31.07.
bis 30.08.1993
Abstieg nach Innichen, im romanischen Dom schön singen, dann
aber zügig hinauf zum Karnischen Höhenweg. Gut versorgt stiefeln wir von Hütte
zu Hütte, von Gipfel zu Gipfel bis 2678 m Höhe mit Ausblick zu den Dolomiten, zu
den Julischen Alpen, zum Hauptkamm, es ist ein Riesen Vergnügen. Vom Trogkofel
nehmen wir als Abstieg den versicherten Uiberlacher Steig, das Naßfeld ist voll
mit reifen Heidelbeeren. Über Hermagor und die Gailtaler Alpen wechseln wir
hinüber nach Greifenburg. Evelyn fährt nach Hause, sie kommt wieder zum
Endspurt.
Im Aufstieg zur Feldner Hütte regnet es wieder mal, doch die
schmucke Hütte hat den perfekten Trockenraum. Um 20.30 Uhr bekomme ich noch ein
warmes Essen, die Raucher müssen zum Rauchen vor die Hütte gehen, und die
Rechnung wird fein säuberlich notiert auf den Tisch gelegt, Kompliment! Die
Kreuzeckgruppe erinnert mich etwas an die Bergamasker Alpen, die Reißeck- und
Ankogelgruppe an die Adamellogruppe, die Roßalmscharte hier scheint verwandt mit
dem Passo Premassone, die Stauseemauern stören hier wie dort, die Gletscher
geben sich ähnlich flach. Die Radstätter Tauern um die Franz-Fischer-Hütte herum
dagegen ragen wie der Wilde Kaiser aus der grünen Almwiese empor. Für die
Schladminger Tauern lässt sich kein Vergleich finden, ein schöner Talschluss
folgt dem anderen, jeder mit schönsten Bergseen ausgestattet, die Hütten in der
rechten Verteilung, der felsige Hochgolling ist mit 2862 m Höhe eine
Herausforderung. Einer Frau wird der Aufstieg zu viel: „Wo ist endlich der blöde
Gipfel“ schimpft sie. Geh sag ich, es gibt nur blöde Menschen.
Mein Morgen auf dem Greifenberg (2618 m) mit dem Blick auf den
Klafferkessel mit vielen Seen ist umwerfend schön. Im Abstieg zur Preintaler
Hütte kommen deren Gäste herauf, so habe ich die Hütte für mich zu einem
Frühstück, zu noch einem Frühstück, und noch zu einem Stück Kuchen. Da liegt die
Frage vom Wirt in der Luft: „Wo kommt einer her, der soviel essen muss?“ „Ja
mei, nach 80 Tagen im Gebirge braucht’s schon viel Futter für den Esel.“ Er:
„Hei, von wo kummt er her? „Von Nizza“. Er: „ Und wo ist Nizza?“ „Da wo die
Alpen ins Meer fallen.“ Er: „Und wo will er noch hin?“ „Nach Wien natürlich, ans
andere End’ der Alpen.“ Jetzt wollen sie es genau wissen, wie das geht. Der
Wirt, seine zwei Kinder und die Hüttenhilfen sitzen um mich herum und hören
meinen Bericht. Der Wirt bedankt sich mit den Worten: „Noch kein Gast kam von so
weit her und hat auch noch so begeistert erzählt.“
Eine gefürchtete Etappe des Alpenweges 02 ist die
Überschreitung der Rottenmanner Tauern zwischen der Planner Alm und der
Edelraute-Hütte, sie fordert mich zum Konditionstest heraus. Im Buch stehen 39
km Weglänge, 4380 Höhenmeter und 13 Gipfel über 2000 m Höhe. Das will ich mit
großem Rucksack und in einem Tag bewältigen. Die letzten Meter zur
Edelraute-Hütte nehme ich im Laufschritt, meine Uhr zeigt 10.00 Stunden. Über
Funk kann ich der Planner Alm wie vereinbart mitteilen, dass ich gut angekommen
bin. Ich sollte nämlich mit dem Bus herüber fahren, weil der Abstieg vom
Hochschwung so gefährlich und die Tage schon zu kurz seien für die Tour mit 15
Stunden Gehzeit.
Es sind die letzten Zweitausender auf meinem Weg. Das Gesäuse
wird südseitig auf dem Weg 601 auf halber Höhe gequert. In Eisenerz kaufe ich
neue Bergschuhe, denn die alten haben ihr Profil und damit den Biss fürs Gelände
verloren. Nicht vorstellbar, aber am rechten Stiefel vorne ist auch noch die
Kappe durchgescheuert, da schaut mein großer Zeh heraus. Sie reisen per Post
nach Hause, der Hersteller wird sich freuen.
Der Hochschwab ist tief mit Wolken verhangen, er wird
unterlaufen. Auf der Veitschalpe ist auch wenig Sicht, auf der Schneealpe liegt
leider dichter Nebel, da mache ich lieber Tempo im Tal und singe Wanderlieder
durch die Dörfer. Hinauf auf die Rax, doch da stürmt es bei 2°C, also wieder
runter und im Schwarzatal mit Riesenschritten und mit Riesenbegeisterung über
Reichenau, Gloggnitz, Ternitz, Neunkirchen, Bad Fischau zum Bahnhof in Bad
Vöslau. Meine Evelyn ist zum Endspurt per Bahn angereist. Gemeinsam gehen wir
durch den schönen Wienerwald und über letzte Alpenhügel zum Aussichtsturm
Josefswarte (578 m). Vor uns liegt weit ausgebreitet die Stadt Wien im
Sonnenschein, überspannt mit einem Regenbogen. Welch ein großartiger Empfang!
Österreich: 30 Tage, ca.850 km
Gehstrecke, 55 Berge, 12 Zeltnächte, 18 Hausnächte. Vorbei sind meine Alpen der Länge nach in einer Tour, es war
die reine Freude. Wieder zuhause bin ich wochenlang eifrig mit der Aufarbeitung
der Tour beschäftigt, zeichne ein sechs Meter breites Höhenprofil, schreibe
einen ausführlichen Bericht, beschrifte die Farbfotos und stelle eine Dia-Schau
zusammen. Verwandte und Bekannte bedanken sich für meine begeisterten Berichte
auf 160 Postkarten von unterwegs.
1.
Alpen–Längsüberschreitung von Hans Diem - Route -
Auf einer Südroute von Nizza
nach Wien in Frankreich, Italien und Österreich. Zu Fuß und
mit Zeltausrüstung vom 29.05.bis 30.08.1993 auf einer Route südlich des
Alpen-Hauptkammes in 94 Tagen auf ca. 2000 km Bergwegen mit ca. 220.000 Hm Auf
und Ab über 136 Berge und Pässe bis 3538 m Höhe, mit 46 Zeltnächten, an 39 Tagen
mit Evelyn Diem, mit
Höchstleistungen in Höhenmeter/Tag: 5000, 4090, 4227, 4380 im Auf- und Abstieg.
Frankreich 9 Tage:
Seealpen, GR 5.
Nizza, Levens, Utelle, Le Brec d'Utelle 1604 m, Mt. Tournairet 2086 m,
Rimplas, St. Sauveur, Lognan 1890 m, Col de Crousete 2480 m, Roya, Col du
Blainon 2016 m, St. Etienne, Col d'Anelle 1739 m, St. Dalmas, Col du Colombière
2230 m, Col des Fourches 2261 m, Pas de la Cavale 2671 m, Col de Larche,
Cima delle Manse 2727 m.
Italien 55 Tage:
Cottische Alpen, GTA.
Chiappera, Colle di Bellino 2804 m, Casteldelfino, Colle di Lucca 2436 m,
Crisolo, Colle di Gianna 2525 m, Colle di Baracun 2373 m, Citta d. Faure 2110 m,
Colle Giulian 2451 m, Ghigo, Balziglia, Colle del Albergian 2713 m,
Usseaux, Colle del Orsiera 2595 m, Susa.
Grajische Alpen, GTA.
Rifugio Cà d’Asti 2854 m, Rocciamelone 3538 m, Colle Croce di Ferro 2558
m, C.d.Coupe 2345m, Usseglio, Passo Paschiet 2465 m, Mondrone, Colle di Trione
2486 m, Pialpetta, Colle de Crocetta 2641 m, C.le Sia 2274 m, Noasca,
Rosone, A.di Colla 2170 m, Talosio, Colle Crest 2040 m, Piamprato, Boccata
delle Oche 2415 m, Fondo, Colle Levasoza 2100 m, Quincinetto im Aostatal.
Penninische Alpen, Bergweg GTA.
Colle della Lace 2121 m, Rifugio Coda 2230 m, Munt Mars 2600 m, C.
Gragliasca 2212 m, Rosazza, Piedicavallo, C. Mologna gr. 2364 m, C. Lazoney 2395
m, P.d.Macagno 2495 m, Alagna, Colle Mut 2324 m, Rima, Colle del Termo
2331 m, Carcoforo, Col d'Ecna 2239 m, S. Maria di Fobello, La Res 1400 m,
Rimella, Bocch. di Campello 1924 m, Campello Monti, Forno, Omegna.
Lombardische Alpen,
Oberitalienische Seen.
Armeno, Coiromonte 810 m,
Gignese, Stresa, mit Schiff nach Luino, Ponte Tresa, mit Schiff nach Porlezza,
Menággio, mit Schiff nach Dervio.
Bergamasker Alpen.
Tremenico, Bivacco Silvestri
2164 m, Rifugio R.Lorla, Monte Legnoncino 1754 m, Tremenico, Monte Legnone
2610 m, Moncale 2306 m, Pizzo Alto 2512 m, Monte Rotondo 2496 m,
Fraina 2268 m, Rifugio Varrone, Rifugio Falc, B.d.Inferno 2306 m, Pizzo tre
Signori 2554 m, B.d.Trona 2324 m, Rifugio San Marco, M. Azaredo 2112 m,
Forc. Rossa 2055 m, P.d. Tartano 2108 m, P.d. Porcile 2290 m, Foppolo, Rifugio
Calvi, P.d. Valsecca 2496 m, Rifugio Brunone, Col Simál 2712 m, Lago di
Coca, Rifugio Curo, P.d. Bondione 2680 m, Rifugio Tagliaferri, P.d.
Demignone 2485 m. P.d. Gatto 2416 m, P.d. Vivione 1828 m, Malonno.
Adamello Gruppe.
Rifugio Val Malga, Rifugio
Tonolini, Passo di Premassone 2923 m, Rifugio Garibaldi, Passo Brizio
3145 m, Rifugio Lobbia 3020 m, Carisólo.
Brenta.
Rifugio Brentei, Bocca di
Brenta 2450 m, Andalo, Mezzocorona, Rovere.
Fleimstaler Alpen, E 5.
Salurn, Gfrill, Hornalm 1720
m, Truden, Schönrast Alm, Maria Weißenstein, Birchabruck.
Dolomiten, Weg Nr. 9.
Welschnofen, Wolfsgrubenjoch
1508 m, Tiers, Tierser Alpljoch 2440 m, Plattkofelhütte, Sellajoch 2213 m,
Piz Boe 3152 m, Passo Campolongo 1860 m, Pralongia, Settsass 2571 m,
Passo di Valparola 2168 m, Passo Falzarego, Cortina d'Ampezzo, Passo Tre Croci
1805 m, Misurina-See, Auronzohütte, Drei-Zinnen-Hütte 2438 m,
Dreischusterhütte, Innichen.
Österreich 30 Tage:
Karnischer Höhenweg.
Helm 2433 m, Sillianer Hütte,
Pfannspitze 2678 m, Kinigat 2676 m, Neue Porzehütte, Bärenbadeck,
Hochspitze 2580 m, Steinkar-Spitze 2524 m, Öfner Joch 2011 m, Valentintörl
2138 m, Köderkopf 2176 m, Dr.-Steinwender-Hütte, Straninger Alm,
Trogkofel-Überschreitung 2279 m, Naßfeldsattel, Gartnerkofel 2195 m,
Garnitzen-Klamm, Hermagor.
Gailtaler Alpen.
St. Lorenzen, Naggler Sattel
1320 m, Techendorf, Steinfeld.
Kreuzeck-Gruppe.
Greifenburg, Feldner Hütte,
Kreuzeck 2701 m, Annaruhe 2508 m, Möllbrücke.
Reisseck-Gruppe.
Pusarnitz, Kohlmaierhütte,
Roßalmscharte 2500 m, Reißeckhütte, Riekentörl 2525 m, Ob. Mooshütte,
Zwenberger Törl 2800 m, Seescharte 2658 m, Arthur-von-Schmid-Hütte,
Mallnitz.
Ankogel-Gruppe, Zentralalpenweg
ZW 02. Ankogel
3250 m,
Großelendscharte 2674 m, Osnabrücker Hütte, Kölnbreinspeicher.
Hafner-Gruppe, ZW 02.
Jägersteighütte,
Weinschnabel 2750 m, Schmalzscharte 2444 m, Murtörl 2260 m, Nebelkareck 2535
m.
Radstätter Tauern, ZW 02.
Franz-Fischer-Hütte,
Mosermandl 2680 m, Taferlscharte 2236 m, Obertauern.
Schladminger Tauern, ZW 02.
Akarscharte 2100 m,
Steirische Kalkspitze 2459 m, Ignatz-Mattis-Hütte, Rotmandlscharte 2438
m, Kleinprechthütte, Trockenbrotscharte 2237 m, Gollingscharte 2326 m,
Hochgolling 2862 m, Gollinghütte, Greifenberg 2618 m, Klafferkessel,
Preintaler Hütte, Wildlochscharte 2488 m, Breitlahnhütte, Rantentörl 2166 m,
Hinterkarscharte 2274 m, Rudolf-Schober-Hütte, Schimpelscharte 2200 m, St.
Nikolai im Sölktal, Gstemmerscharte 1900 m, Donnersbachwald, Karlscharte 1900 m,
Karlspitze 2097 m, Planner Hütte.
Rottenmanner Tauern, ZW 02.
Hintere Gollingspitze
2045 m, Breiteckkoppe 2144 m, Kreuzkogel 2109 m, Schrattnerkogel 2111 m, Seitner
Zinken 2164 m, Schrattner Zinken 2157 m, Hochschwung 2196 m, Zinkenkogel
2237 m, Kleiner Bösenstein 2395 m, Großer Hengst 2159 m, Edelrautehütte,
Großer Bösenstein 2449 m, Trieben.
Gesäuse, Nordalpenwg NW 01.
Dietmannsdorf,
Oberst-Klinke-Hütte, Mödlinger Hütte 1523 m, Johnsbach, Heßhütte, Sulzkarhund
1815 m, Lugauer Polster 1700 m, Radmer, Radmer Hals 1310 m, Eisenerz.
Hochschwab, NW 01.
Leopoldsteiner See, Androthtörl
1556 m, Sonnschienhütte, Häuslalm, Bodenbauer, Trawiessattel 1952 m,
Voisthaler Hütte, Seewiesen, Seeberg.
Veitsch Alpe.
Graf-Meran-Haus 1836 m,
Krampen, Neuberg, Kapellen.
Rax Alpe.
Preiner Gscheid, Seehütte
1678 m, Ottohaus, Edlach.
Wienerwald.
Ausweichroute wegen
Schlechtwetter: Reichenau, Gloggnitz,
Ternitz, Neunkirchen, Bad Fischau, Leobersdorf, Bad Vöslau, Baden,
Rudolf-Proksch-Hütte, Anninger Haus, Hinterbrühl, Josefswarte 578 m,
Perchtoldsdorf, Wien.
Zu Fuß von Wien nach Nizza - non stop
Vom Stephansdom in Wien bis zur Kirche Notre Dame in Nizza - alles per pedes, obwohl -ch dutzende Male die Gelegenheit hatte, ein Stück mit dem Auto mitgenommen zu werden. Die Kilometer kann ich nur schätzen: ca 2.000. Die Meter Höhendifferenz habe ich gemessen: fast exakt 100.000. 76 Wandertage waren es, 4 Ruhetage, 1 Zwangsruhetag, weil ein Paß von 2.500 Metern Höhe bei Regen und dichten Wolken zu gefährlich ist. Es war die Tour der Kontraste: Hier einsame Höhen, bei denen mir oft den ganzen Tag kein Mensch begegnet ist, da hektische Städte mit Trubel und Lärm. Herrliche Wanderwege wechselten mit häßlichem Asphalt. Wiesen und Wegesränder voller Blumen wie Arnika, Knabenkraut, Alpenrosen, Türkenbund und tausend anderen wechselten mit kargen, trostlosen Gesteinswüsten. Hier konnte ich die liebliche Fauna, mit Gämsen, Murmeltieren, Insekten und vielen anderen, beobachten und belauschen, da war ich dem gefährlichen Straßenverkehr mit seinen Abgasen ausgesetzt. Hier bequeme, ebene Wege, da gefahrvolle hochalpine Steige. Unwetter wechselten mit herrlichem Sonnenschein. Geschwitzt habe ich bei 37° und im Bivacco auf 2.360 m Höhe gefroren. Die Palette der Übernachtungen reichte vom Biwak im Freien über Hütten, Etappenunterkünfte und Pensionen bis zum 4-Sterne-Hotel. Die spartanisch einfache Übernachtung im Biwak in einsamer Höhe und unglaublicher Stille ist der absolute Kontrast zum komfortablen Hotelbett inmitten der lärmenden Stadt. 4½ Stunden Asphalt vom Stephansdom bis Perchtoldsdorf verursachten gleich zu Beginn Blasen, die mich lange quälten. Besonders die Blase unter der Hornhaut der linken Ferse. Aber Dank Compeed-Pflaster konnte ich weitergehen und alles verheilte. Ich glaubte schon, nun blasenresistent zu sein. Doch bei 30° Hitze und viel Asphalttreten im Valtellina wiederholte sich dasselbe Drama. Alleine ging ich und - um Gewicht zu sparen - ohne Handy - natürlich ein Risiko. Angst war oft mein Begleiter. Angst vorm Gewitter; 3 Unwetter bzw. deren Folgen habe ich erlebt. Angst vor einem Unfall. Es darf einfach nichts passieren, redete ich mir ein, besonders wenn ich mich verlaufen hatte. Da findet mich lange Zeit kein Mensch, war mir klar. Dennoch bin ich gestolpert, umgeknickt, ausgerutscht, hingefallen, auf Wegen, die manchmal keine waren. Einmal schlug ich mit dem linken Oberschenkelhals auf. Das war die kritischste Situation. Aber, Gott sei Dank, außer einer Prellung war nichts passiert. Trotz Kniebeschwerden aufgrund meiner Arthrose, vor allem in den letzten Wochen, mußte ich weitergehen. Streck- und Lockerungsübungen mit den Beinen standen daher mehrfach täglich auf dem Programm. 2 Zehen des rechten Fußes wurden schon nach wenigen Wochen pelzig - und blieben es noch bis lange nach Ende der Tour. Manchmal brannten mir in der Hitze regelrecht die Fußsohlen. Rückenbeschwerden und Durchblutungsstörungen in den Armen und Händen durchs Rucksacktragen waren mein ständiger Begleiter. Es war eine Strapaze. Im Schnitt knapp 8 Stunden pro Tag reine Gehzeit und rd. 1.300 Meter Höhendifferenz sagt meine Statistik aus. Aber hinzu kommt, daß ich schnell gehen mußte, um mein Ziel Nizza zu erreichen. Die Zeit war knapp. Schon Ende August beginnt in Piemont der Herbst mit Nebel, bei dem man sich auf den Hochalmen sehr leicht verirren kann. Da ich oft mit Gewitter am Nachmittag rechnen mußte, war ich fast ständig in Eile. Das Mittagessen fiel meistens aus. Oft habe ich nur im Gehen etwas aus dem Rucksack geknabbert. Aber da ich, besonders in den letzten Wochen, einen unglaublichen Appetit bekam, mußte abends alles nachgeholt werden. Einmal aß ich allein als Nachtisch 4 Stücke Torte. Das liegt schwer im Magen. Das Gegenmittel war Rotwein. Der floß, manchmal bis zu einem Liter. Und am nächsten Morgen weiter.... Auch das muß ich ansprechen: Die „Rotweintherapie“ ist nicht unbedingt nachahmenswert. Mein Alkoholkonsum hatte eine Abhängigkeit erzeugt, von der wieder loszukommen, ich einige Zeit brauchte. Außerdem hat der Alkohol die Kniebeschwerden ja nur verstärkt. Aber ich fand kein besseres Rezept. Nicht zu unterschätzen war die psychische Belastung, auch hier wieder besonders in den letzten Wochen. Da hatte ich nur noch ein Ziel: so schnell wie möglich nach Nizza und damit nach Hause zu kommen. Die Zeit war einfach zu lang geworden. Aber zu meinem fast ständigen Alleinsein beim Wandern kam in Piemont hinzu, daß ich mich bei meinen geringen Italienischkenntnissen auch abends kaum unterhalten konnte, da es nur wenige deutsche Touristen gibt. Anfangs war ich zweimal erkältet. Man muß bedenken, daß meine Kleidung oft den ganzen Tag klitschnaß geschwitzt war und ich vor allem in größeren Höhen in kaltem Wind gefroren habe. Aber diese Erkältungen hatte ich leicht überwunden. Und später - keinerlei Probleme mehr! Oft freute ich mich den ganzen Tag lang auf ein kühles Bier nach Erreichen der Unterkunft. Wenn ich zurückdenke, daß ich manchmal, weil der Durst so groß war, mir als erstes in den nassen Klamotten in der oft recht kühlen Bar ein oder zwei Bier genehmigte ohne eine Spur von Erkältung, dann kann ich nur sagen, wie sehr die tägliche Bewegung in der frischen Bergluft abhärtet. Gewicht sparen war ein wichtiges Gebot. Daher hatte ich alles abgewogen. Selbst am Brillenetui hatte ich durch den Kauf eines leichteren Gewicht gespart. Die Wanderkarten hatte ich ausgeschnitten. So kam mein Rucksack ohne Essen und Trinken auf knapp 10 kg, wobei allein die Apotheke fast ein halbes Kilogramm wog. An Ersatzwäsche (Unterwäsche, Oberhemd, Socken) hatte ich nur 2 Paar dabei. Da mußte ich natürlich auch des öfteren waschen. Auch am Körper habe ich im Laufe der Zeit an Gewicht gespart. 64 kg wog ich bei meiner Rückkehr - 10 kg leichter als zu Beginn. Auch Kritik muß geübt werden dürfen: Über schlechte und auch völlig fehlende Markierung ärgerte ich mich öfters, besonders auf Wegen, die wenig begangen werden. Hütten, die eigentlich keine sind, sondern Ausflugslokale: Die halbe Nacht Dirndlball in der Hütte auf dem Hohen Lindkogel (Wiener Wald) mit Live-Musik. Kaum ein Platz frei in der Dr.-J.-Mehrl-Hütte (Stangalpe), weil für Busausflügler gedeckt war. Gepfefferte Preise und Übernachtung nur mit Frühstück möglich im Rifugio Passo Valparola. Mittags Rucksack draußen lassen im Rifugio Val di Fumo, sicherlich damit der Restaurantcharakter nicht gestört wird. 4 Euro für eine Dusche im Rifugio Lisson, zwar ohne Zeitbegrenzung, aber dennoch: nein, danke. Usw., usw. Im folgenden möchte ich den Routenverlauf skizzieren und einige Erlebnisse kurz schildern: In Wien regnete es in Strömen. Gleich zu Beginn meiner Wanderung ein Ruhetag? Das wäre ein schlechtes Omen gewesen. Also blieb mir nichts anderes übrig als zu starten. Allein die tägliche Frage, wo ich heute unterkomme, barg ein gewisses Abenteuer. Schon am ersten Tag, als ich im strömenden Regen in Hinterbrühl ankam, mußte ich nach über einem Kilometer Umweg zu einem Gasthof die bittere Erfahrung machen, daß (triefnasse) Wanderer nicht überall willkommen sind. Biwakieren bei diesem Wetter? Dazu hatte ich wirklich keine Lust. Also blieb mir keine andere Alternative, als mit dem 4-Sterne-Hotel Beethoven vorlieb zu nehmen. - Die Seegrotte bei Vorderbrühl, der größte unterirdische See Europas, der durch Wassereinbruch in ein Gipsbergwerk entstand, ist einen Besuch wert. Der Husarentempel in den Föhrenbergen erinnert an die Schlacht bei Aspern (Mai 1809), in der Napoleon seine erste Niederlage erlitt. Die Hohe Wand in den Wiener Hausbergen lohnt nicht der Mühe. Aber ein herrlicher Wanderweg führt über die Dürre Wand. Viele Erdrutsche und ein vom Hochwasser verwüsteter Gasthof erinnerten mich an das kurz vor meinem Tourbeginn wütende Unwetter. Auf dem Schneeberg hatte ich erstmals die 2.000 m-Grenze überschritten. Der Abstieg ins Höllental durch die Weichtalklamm war ein landschaftlicher Höhepunkt, aber gefährlich durch die Nässe. Erste Fitness nach anfänglichen Problemen verspürte ich beim 1.100 m hohen Aufstieg zum Ottohaus auf der Raxalpe über den gut versicherten Wachthüttelkamm, den ich in 3 Stunden schaffte. Ein Einheimischer warnte mich Alleingeher, daß auf der Alpe durch Wetterumschwung schon viele erfroren seien. Ich konnte ihn unter Hinweis auf meine Ausrüstung zum Biwakieren beruhigen. Der zum Naßkamm hinunterführende Gamsecksteig war mein bei dieser Tour bisher anspruchsvollster Klettersteig. Es war mein längster Tag mit 14 Std. reiner Gehzeit, der mich vom Ottohaus über Raxalpe und Schneealpe führte, mit anschließender Odyssee, bis ich in Neuberg an der Mur bereits im Dunkeln um halb zehn ein Privatzimmer fand. Über die Veitschalpe, von der mich der Teufelssteig steil wieder hinunterführte, gelangte ich zu einem weiteren Highlight, dem Hochschwab mit den wild zerklüfteten Aflenzer Staritzen. Viele Gämsen sonnten sich auf den Schneefeldern. Überwältigend der Blick in den riesigen Felsenkessel Oberer Ring. Nur das von Aussteiger-Studenten bewirtschaftete Schiestlhaus läßt leider sehr zu wünschen übrig. Eine interessante Kuriosität ist die ca. 750 m lange stockdunkle Frauenmauerhöhle, durch die man hindurchgehen kann. Dies ist ohne Führer strengstens verboten, aber das habe ich ignoriert. Beim Hinaustreten fällt der Blick auf den imposanten Erzberg bei Eisenerz. Die Gesäuseberge rechts liegen lassend gelangte ich bei fast zu herrlichem Sonnenschein ins Paltental. Einreiben mit Sonnenmilch war angesagt. Dummerweise legte ich hierzu meine Uhr mit Höhenmesser beiseite und vergaß sie. Das war eine Schrecksekunde, als ich den Verlust bemerkte. Das Tempo, mit dem ich zurückeilte, kann man sich leicht vorstellen. Sie lag noch da - welch eine Erleichterung. Solche Vorfälle erhöhten meine Angst, irgendwo irgendwann etwas Wichtiges liegen zu lassen. Zu einem weiteren landschaftlichen Höhepunkt gelangte ich in den Rottenmanner Tauern: Großer Hengst, Kleiner Bösenstein und weitere Überschreitungen auf dem österreichischen Weitwanderweg 02. Als ich jedoch fast senkrecht ohne jegliche Sicherung ein Stück zum Geierkogel hinaufgeklettert war und hinunterschaute, schauderte es mich bei dem Gedanken, hier in dieser einsamen Gegend abzustürzen. Kein Mensch weit und breit. Melancholie überfiel mich. Ich wollte hier in der Fremde nicht verenden. Ja, so weit gingen meine Gedanken, und wer die Berge kennt, weiß, daß dies realistisch ist. Der Gedanke an Frau, Kinder und Enkel, die ich unbedingt wiedersehen mochte, ließ nur einen Entschluß zu: Wieder abzusteigen. Ein riesiger wegloser Umweg lag vor mir. Aber er führte durch eine Landschaft wie im Paradies. Eine vielleicht 30 Tiere zählende Gamsherde donnerte dichtgedrängt am Berghang an mir vorbei. Ich war so fasziniert, daß ich das Fotografieren vergaß. Waren es wirklich Gämsen? Mein Tierlexikon sagt aus, daß die Weibchen und Jungtiere im Sommer Rudel bilden. Das erklärt die verschieden langen Hörner. Herrliche Almwiesen mit ganzen Berghängen voll blühender Alpenrosen begleiteten mich nach Donnersbachwald. Ein einzigartiger Naturgenuß in den Schladminger Tauern zwischen St. Nikolai und Schimpelscharte: Wasserfälle, Bäche, Seen, Auen, Felsen, Täler, Berge - Natur, soweit das Auge reicht. Hitze! 37° C waren angesagt - und ein Gewitter am späten Nachmittag. Ca. 1.200 Höhenmeter Aufstieg zum Gstoder (2.141 m). Etwa 100 Hm unter dem Gipfel bereits kurz nach Mittag Gewitter. Ich eilte zum Gipfel hinauf und auf der anderen Seite hinunter. Weg und Markierung verfehlt. Plötzlich tauchte ein Mann auf, der mich zu einer Hütte führte, die ich alleine nie gefunden hätte. Kurz vor der Hütte brach die Hölle los: Unwetter, Hagel, Blitzrekord: 3.000 Blitze wurden allein in Kärnten gezählt. Ein weiteres Naturparadies, die Nockberge. Aber das Wetter war schlecht, und so wurde es nichts mit Biwakieren und Tierbeobachtung. Es folgten herrliche Tiefblicke zum Millstätter See und 1.600 Steigmeter von Spittal zum Goldeck (2.142 m) bei heißem Wetter. Und zum Abschluß noch 900 Hm Abstieg zum Weißensee: Eine von einigen „Wahnsinnsetappen“. Es waren 11 Std. Gehzeit, wobei die knappe Zeit bis zum Dunkelwerden mein Tempo immens gesteigert hatte. Den Weißensee schon tief unter mir erblickend, mußte ich noch auf etwa gleicher Höhe ein weites Halbrund durcheilen. Dann ging’s endlich steil hinunter. Aber so steil und auf gutem leicht begehbarem Waldboden, daß ich für die 900 Hm etwa eine Stunde brauchte. Petrus bescherte mir herrliches Wetter für die wildromantische Garnitzenklamm hinauf zu den Karnischen Alpen. Das Naßfeldhaus des Alpenvereins wurde leider verkauft. Daher machte ich zum Übernachten einen Abstecher zur Rudnigalm. Auf dem Höhenweg war das Wetter leider sehr wechselhaft mit vielen Wolken und Regen. Erste Begegnung mit Relikten aus dem 1. Weltkrieg: Schützengräben, verfallene Kavernen, Stacheldraht. Blutgetränkte Erde um den Plöckenpaß, wo ich beim Abstieg einen schönen Blick auf die heißumkämpften Berge Kleiner Pal und Cellon hatte. Der Klettersteig zum Kleinen Pal und der wohl weltweit einzige Tunnelklettersteig am Cellon waren mir als Einzelgeher jedoch zu gefährlich. Der österreichische Heldenfriedhof des 7. Korps inmitten herrlicher Waldlandschaft macht nachdenklich. Als ich vom Hochweißsteinhaus aufbrechen wollte, war alles in dichten Wolken. Die Wirtin riet mir ab, den Kammweg zu gehen. Also hinunter auf einen Almenweg und dann wieder hinauf zur Neue Porze Hütte. Hinunter ging’s auf einem steilen, glitschigen und derart bis auf Brusthöhe zugewachsenen Weg, daß ich oft meine Füße und die Stelle, wo ich hintrat, nicht sehen konnte. Da war es kein Wunder, daß ich ausrutschte, über Wurzeln stolperte, abknickte und hinfiel. Zum Glück ohne Folgen. Aber der Almenweg war wunderschön; besonders imposant die mit Arnika bewachsenen Wiesen. Auch hatte das nasse Wetter viele Alpensalamander hervorgelockt. Wenn man in der Nähe der Filmoor Standschützen Hütte vor den senkrechten Felsen der Königswand steht, wird einem der Wahnsinn dieses Gebirgskrieges so recht bewußt: Von Östereichern besetzt, von Italienern erobert, von Österreichern zurückerobert - tobender Krieg in der Senkrechten. Auch das Traumpanorama von der Pfannspitze (2.678 m) wird von Zeugnissen des Krieges begleitet. Bei den Hochgrantenseen in herrlicher, einsamer Naturlandschaft entdeckte ich einen winzig kleinen Friedhof mit 4 Standschützengräbern. Idylle in memoriam eines blutigen Krieges! Zu den Standschützen muß ich folgendes erläutern: Sie sind eine in der Welt einmalige Tiroler Besonderheit. Es gibt sie seit Kaiser Maximilians Landlibell im Jahre 1511. Obwohl sie keine Soldaten sind, genießen sie nach der Genfer Konvention volles Kriegsrecht, d.h. im Falle der Gefangenschaft werden sie wie Soldaten, also nicht als Partisanen, behandelt. Gendarmen und vor allem nicht wehrpflichtige Standschützen, also junge und alte, hielten 1915 die Front beim italienischen Angriff, denn es gab dort außer der Friedensbesatzung keinen einzigen Soldaten. Übrigens waren diese Scharfschützen auch bei Napoleons erster Niederlage 1809 maßgeblich beteiligt. Den Eintritt nach Südtirol mußte ich mir mit einem in die Knie gehenden Abstieg nach Moos von 1.340 Hm „erkaufen“. An meinem ersten Ruhetag traf ich meine Frau und Wanderfreunde. Blauer Himmel in den Sextener Dolomiten, so daß ich noch einen Umweg ging über einen alten Kriegssteig, den Schartenweg, von der Büllelejochhütte zur Gamsscharte. Geröllfeld und Galleria hinab zum Paternsattel, vorbei an den berühmten Drei Zinnen, wo gerade 3 leichtsinnige Kletterer per Hubschrauber gerettet wurden. Die Klettersteige der Cristallo-Gruppe sind mir ohne Selbstsicherung zu gefährlich. Ich ging daher zwischen dem Bergmassiv und Cortina d’Ampezzo auf viel Asphalt. Herrliche Fernblicke von den Tofanen zur bizarren Croda da Lago. Da das Rifugio Col Gallina geschlossen war und es am Falzarego-Paß keine Übernachtungsmöglichkeit gibt, mußte ich noch spät abends bis zum Rifugio Passo Valparola auf der Straße weitermarschieren. Schönes Tiererlebnis am nächsten Tag: junge Murmeltiere spielten miteinander, wenige Meter vor meinen Augen. Ein harter Nachmittag stand mir bevor: 1.300 Hm Aufstieg vom Hotel Boè auf den Boègipfel (3.152 m) in brütender Hitze. Zunächst wurde ich auf einer Schotterstraße von Geländewagen eingestaubt. Den Wanderweg gibt es nicht mehr. Dann mußte ich eine frisch geschobene Skipiste mit lockerem Schotter steil hinauf. A propos Skipistenbau: Die Natur hat gegenüber der Geldgier der Menschen keine Chance! Glücklicherweise folgte danach die Belohnung: Phantastische, in ihrer Kargheit mit viel nacktem Fels wunderschöne Natur. Die Bergseen leuchten wie Augen hervor. Abends folgte dann noch ein Eilabstieg durch wildromantische Täler zum Sellajoch. König Laurins Reich, den berühmten Rosengarten, habe ich über den Passo Coronelle überquert. Die Latemar-Gruppe habe ich nördlich umgangen und in Kurtatsch an der Südtiroler Weinstraße meine Frau nebst Wanderfreunden zum zweiten und letzten Mal getroffen und eine dreitägige Pause eingelegt. Eigentlich mindestens ein Tag zuviel, aber am 3. Tag hatte meine Frau Geburtstag, und den wollte ich schon mit ihr feiern. Gut erholt konnte ich dann wieder eine schwere Etappe über den Mendelkamm unter die Füße nehmen. Schwarzer Tag beim Aufstiegversuch auf die Brenta: Keine Markierung, und für dieses Teilstück hatte ich keine Karte. Hatte mich verfranzt und mußte wieder absteigen. Über tausend Steigmeter umsonst gegangen. Das war deprimierend. Ich hätte heulen können. Selbst mein ohrenbetäubender Schrei konnte mich nicht befreien. Ins selbe Hotel zurück? Nein, diese Blamage wollte ich mir ersparen. Und siehe da, im Nachbarort gibt es ein Hotel mit Schild: „Man spricht deutsch“. Und der Freund der deutschsprechenden Tochter des Hauses kennt sich in der Gegend aus wie in seiner Westentasche. Eine detaillierte Wegskizze verhalf mir am nächsten Tag ohne Probleme zur Brenta hinauf. Zur Linken wilde Felslandschaft, zur Rechten der liebliche Lago di Tovel und wieder auf markiertem Weg schöpfte ich neuen Mut. Abschreckender Massentourismus dank mehrerer Seilbahnen am Passo Grosté, aber dann die imposanten Wasserfälle der Cascata di Mezzo. Und wieder mußte ich einen schwarzen Tag überstehen. Ich hatte mich gleich 4 mal verlaufen. Ohne Zweifel, die Markierung war nicht gut, aber dennoch war ich jedesmal selber Schuld. Mein Tourenbuch, das ich täglich führte, verrät an dieser Stelle: „Meine Einstellung, so schnell wie möglich das Ziel zu erreichen, macht mich nervös. Vielleicht macht mir auch die psychische Belastung zu schaffen. Muß die Sache ruhiger angehen.“ Vor allem machte ich wieder einmal den Fehler, im Zweifelsfalle nicht rechtzeitig genug umzukehren. Am Südende der Adamello-Gruppe erwarteten mich wieder überwältigende Landschaften, aber auf teils abenteuerlichen Wegen. Doch zunächst Regen und Sturm, der einen fast umwarf beim Aufstieg zum primitiven Bivacco Dosson. Ich fror derart, vor allem an den Händen, so daß ich lange Zeit zum Aufwärmen brauchte. Übernachtung auf harten Brettern, aber Einsamkeit und Stille in der Natur entschädigten voll. Schwieriger, da sehr steiler Abstieg im Geröll zum Rif. Lissone; abfahren wegen größerer Gesteinsbrocken nicht möglich. Der Sentiero Adamello, den ich ein Stück über den Passo di Póia (2.775 m) gegangen bin, bietet viel Granitgestein, teils Geröfffelder mit riesigen Brocken, über die man klettern, springen oder turnen muß. Richtig Spaß gemacht hat das Abfahren über ein größeres Schneefeld. Das sehr laute Hotel an der Durchgangsstraße in Malonno bot, wie zum Ausgleich, einen phantastischen roten Tischwein: dunkel, fruchtig, würzig, einfach ein Gedicht. Der südtiroler Kalterer See ist ein fades Weinchen dagegen. Das Frühstück in diesem Hotel jedoch ist ein Beispiel dafür, wie man abgezockt wird. Da die Kraft nicht von alleine kommt, hatte ich mir zum Frühstück noch Schinken und Käse bestellt. Rechnung: 10 Euro. Als Wanderer hat man oft keine Alternativen. Und wieder erwartete mich ein Abenteuer. Zunächst den richtigen Weg nicht gefunden, was mich schon nervös machte. Dann ging’s ohne Markierung weiter. Nur der Piz Tri (2.308 m) war ab und zu ausgeschildert. Aber den wollte ich umgehen, zumal laut Karte eine Überschreitung nicht möglich ist. Völlig im Ungewissen marschierte ich bergauf. Da, ein erster Donner. Ich war verzweifelt. Genau das, was ich vermeiden wollte, traf jetzt ein: Gewitter, und ich war noch nicht über dem höchsten Punkt. Also alles falsch gemacht. Plötzlich entdeckte ich in der Ferne einen Pfad Richtung Norden. Und auf einmal war alles richtig, abgesehen davon, daß ich mich später nochmals kräftig verlaufen hatte. Und so ergab sich mal wieder eine „Wahnsinnsetappe“: 10 Stunden Gehzeit und fast 2.000 m Höhendifferenz. Es folgten unschöne Abschnitte auf viel Asphalt in großer Hitze (bis zu 30° C) durchs Val Tellina. Dieses Tal ganz oder zum Teil zu umgehen, nördlich z.B. auf dem Sentiero Roma, oder südlich durch die Bergamasker Alpen, hätte viel zu viel Zeit gekostet. Am Comersee konnte ich der Dolce Vita nicht widerstehen und quartierte mich in einem Hotel direkt am See ein, um ein erstes Bad zu nehmen. Auf dem Passo San Jorio betrat ich schweizer Gebiet und genoß außer der Landschaft auch die gute schweizer Markierung. Durch die fruchtbare Ebene, den Piano di Magadino, gelangte ich zum Lago Maggiore. Die Tourismus-Orte Locarno und Ascona durchquerte ich teils auf schönen Uferwegen. Vom Langensee-Höhenwanderweg genoß ich wunderschöne Blicke auf den See. Doch nun wurde es wieder ernst mit alpinen Etappen. Nach der Übernachtung im relativ bequemen Bivacco Fornà (1.649 m) war es derart schwül, daß jeder Schritt schwer fiel und der Schweiß in Strömen floß. Auf die Besteigung des Pizzo Marona (2.051 m) folgten über 1.800 Hm Abstieg zum Lago di Mergozzo und ein abenteuerlicher Weg am Nordrand des Sees. Ich wurde von Einheimischen gewarnt: „Un camino brutto“. Die Markierung war derart schlecht und der Weg teils zugewachsen, so daß ich einmal im Dornengestrüpp landete und nur schwer wieder herausfand, und das zu allem Unmuß noch im Regen. Spät in Mergozzo angekommen, war ich auf die einzige Übernachtungsmöglichkeit, ein teures Hotel, angewiesen. Welch ein Kontrast: Da steckt man mit zerkratzten Armen und Beinen im Dickicht und wenig später genießt man im 3-Sterne-Hotel ein köstliches Bier vom Faß. Nächste Überraschung: Die Brücke über den Fiume Toce nach Ornavasso ist wegen Baufälligkeit gesperrt. Dennoch drüber! Ein wunderschöner Kammweg über den Monte Massone schied wegen dichter Wolken aus. Trotz zwar neuer, aber chaotischer Markierung über ausgedehnte Hochalmen fand ich mit einigem Glück den richtigen Weg. In Campello Monti stieß ich auf den piemontesischen Weitwanderweg GTA (Grande Traversata delle Alpi). Ein sehr schöner, meist hochalpiner Weg mit großen Höhendifferenzen, mit Pässen bis über 2.500 m, mit meist schlechter Markierung auf alten, oft mauergestützten Saumpfaden, aber auch auf halsbrecherischen Wegen und mit wenig Infrastruktur. Die GTA ist zwar eigens geschaffen worden, um den Bergbewohnern ein Zubrot zu ermöglichen und um damit die Abwanderung in die Städte zu bremsen. Doch es gibt nur wenig Wanderer auf diesem Weg. Aber genau das macht den besonderen Reiz aus. Wer auf Bequemlichkeit verzichtet, kann die grandiose Landschaft in stiller Einsamkeit mit vollen Zügen genießen. Die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein. Berge, tiefe Täler und Almen mit steilen Hängen, an denen Almhütten und Dörfer „kleben“, prägen das Bild. Es gibt zwar zerfallene Almhütten, aber die Almen reichen hoch hinauf bis über 2.000 m. Nur - einkehren kann man nicht. Eine deftige Jause wie in Österreich: Fehlanzeige. Gleich hinter der Bocchetta di Rimella werden die Schwierigkeiten deutlich. Ohne Markierung muß man sich auf den unten sichtbaren Weg durchschlagen. Bei Nebel unmöglich. Das Dorf San Gottardo bietet eine Postkartenidylle par excellence. Phantastisches Essen in vergammeltem Posto Tappa (Etappenunterkunft) in Santa Maria. Nachts schüttete es, und das Wasser tropfte von der Decke in mein Bett. Als einziger Gast hatte ich jedoch genügend Ausweichmöglichkeiten. Es folgte ein Tag, an dem ich mich besonders fit fühlte. 2 Pässe, der Colle del Termo (2.531 m) und der Colle Mud (2.324 m) bescherten mir über 2.200 m Höhendifferenz und fast 10 Stunden Gehzeit. Kurz vor meinem Etappenziel, dem Rifugio in San Antonio, konnte ich den Genuß eines Paulaners vom Faß mit Kunstgenuß kombinieren, denn von der Bar aus hat man den direkten Blick zu der Frontseite der Kirche mit dem riesigen Gemälde „Das Weltgericht“ eines einheimischen Künstlers. Überraschung am nächsten Abend um 18.00 Uhr: Kam abends müde am Kloster San Giovanni an, doch der Posto Tappa war wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. „Rif. Galleria Rosazza, 2 hore“, lautete die Auskunft. Ich schaffte es in 1 Std. 10 Min. Ein schwarzer Vormittag folgte: Auf einem Feld von Felsbrocken verlor ich den Weg. Statt zurückzugehen, kletterte ich mühsam weglos einen steilen Grashang hinauf, weil ich glaubte, oben einen Weg gesehen zu haben. Zum Glück existierte dieser tatsächlich, aber ich war viel zu hoch geraten und mußte auf der anderen Seite ein großes Stück, auch teils weglos, wieder hinunter. Schinderei für die Katz! Das tat weh. Der Aufstieg zum Rif. Coda (2.280 m) fiel mir daher sehr schwer, aber oben angekommen, schöpfte ich neue Kraft und beschloß, noch bis Maletto abzusteigen. „No la cresta“ zum Colle della Lace, warnte mich der Hüttenwirt. Aber auch der Hangweg ist sehr beschwerlich, teils zugewachsen, bei Nässe lebensgefährlich. Und dann wieder sehr schlechte Markierung über ausgedehnte Almwiesen. Ohne die glückliche Fügung, von einem Einheimischen hinuntergeführt zu werden, hätte ich mich garantiert mehrmals verlaufen. Das Rifugio Chiaromonte entpuppte sich als primitive Almhütte auf 2.014 m Höhe. Aber die Sennerin, ein gestandenes muskelbepacktes Weibsbild, zauberte mit einfachen Mitteln ein großartiges Essen. Und, wie so oft, der dunkle, fruchtige, vollmundige Rotwein fand regen Zuspruch, zumal ich das Glück hatte, daß 3 Deutsche mir Gesellschaft leisteten. Im malerischen Dorf Fondo verbrachte ich meinen einzigen „Zwangsruhetag“, da die Bocchetta delle Oche mit 2.415 m Höhe bei Regen und dichten Wolken zu gefährlich ist. Aber die Fleischtöpfe der Wirtin halfen mir und den 3 anderen über die Zeit hinweg. Trotz Wetterbesserung am nächsten Tag war der Abstieg vom Paß wegen glatter felsiger Stellen gefährlich. Häßliche Straßenabschnitte wechselten nun mit herrlichen Landschaften. Im Albergo Gran Paradiso in Noasca bekam ich das bisher primitivste Frühstück. Außer Kaffee ein klein wenig Butter und Marmelade, dazu trockener Zwieback, nicht einmal ein Brötchen. Die Italiener tauchen nämlich den mit Marmelade bestrichenen Zwieback in den Kaffee ein. Oh bella Italia, „Frühstücks-Entwicklungsland“! Die GTA ist an einigen parallel zur Straße verlaufenden Stellen nicht mehr begehbar, da die Wanderer in der Regel den Bus nehmen, und der Weg daher nicht mehr unterhalten wird. Aber manchmal bin ich auch, um schneller vorwärts zu kommen, freiwillig die Straße gegangen, so auch kurz vor dem Lago di Ceresole Reale. Und an dem folgenden Beispiel möchte ich die überaus freundlichen Menschen würdigen. Ich schickte mich gerade an, in einen 3,5 km langen Tunnel hineinzugehen, als ein Rennradfahrer mich überholte, scharf abbremste und zu mir zurückkam, um mir den nützlichen Rat zu geben, statt des Tunnels die alte Straße zu gehen. Dadurch wurden mir stinkende Abgase erspart. Diese Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit Fremden gegenüber! Der Übergang über den Colle della Crocetta (2.641 m) bescherte grandiose Landschaft, phantastische Blicke zum Gran Paradiso. 1.600 Höhenmeter Abstieg nach Pialpetta bescherten mir jedoch verstärkte Kniebeschwerden. In großer Hitze, zum Glück meist im Schatten, ging’s hinauf zum Colle di Trione (2.485 m). Ich muß Werner Bätzing, der 2 kleine aber unverzichtbare Führer über die GTA geschrieben hat, Recht geben: Manchmal scheint der Weg ein Bachbett in dichtem Gestrüpp zu sein. Da wird man von außen und innen naß. Zur Belohnung konnte ich ein Himbeer-, Brombeer- und Heidelbeer-Zweitfrühstück einlegen. Es ging mir schon auf die Nerven, fast täglich auf den Almen den „stillosen Kuhfladriolen“ auszuweichen, was mir auf schmalen Pfaden am Hang oft kaum gelang. Auch brauchte ich an solchen Stellen oft lange, bis ich an einer Kuh vorbeikam. Aber sehr interessant war in Piemont die überreiche Fauna an Grashüpfern auf den Almen. Es „spritzte“ nur so von allen Seiten. Eine derartige Fülle von Tieren, allein die, die ständig in der Luft waren! An diesem Tag fielen mir besonders die Grashüpfer auf, die ein Stück fliegen können und dabei klappern. Die beiden gefährlichsten Bachüberquerungen standen mir bevor. Meiner alten Karte folgend verfehlte ich die Brücke und mußte auf glitschigen Steinen übers rauschende Wasser. Fast wäre ich ausgerutscht und gestürzt. Wieder herrliche Landschaft mit schönen Bergseen beim Überqueren des Passo Paschiet (2.435 m). Der Abstieg vom Colle di Costa Fiorita (2.465 m) erfordert höchste Aufmerksamkeit. Gefährliche nasse Stellen in steilem Fels- und Grasgelände! Vom Lago di Malciaussia ging’s hinauf zum Colle Croce di Ferro (2.558 m), wie immer mit phantastischem Panorama. Weit im Hintergrund lugt der bekannte Mon Viso heraus. Nach ca. 2.000 Höhenmetern Abstieg erreichte ich das Tal der Dora Riparia und damit den Südabschnitt der GTA. Der Schweiß floß in Strömen in sengender Hitze. Es gibt auch, zum Glück nur wenige, negative Beispiele an Freundlichkeit. In Salbertrand störte ich im einzigen Albergo den jungen Mann hinter der Theke beim Fernsehen mit meiner Frage nach einem Zimmer. Entsprechend mufflig fiel seine Absage aus. Der Posto Tappa, den es laut Bätzings Führer und einer Informationstafel geben muß, existiert nicht. Nach 11 Stunden Gehzeit kam ich um halb neun auf einem Campingplatz an und fand ein Plätzchen unter einer Fichte zum Biwakieren. Die Pässe der südlichen GTA sind teils höher als die der nördlichen, aber dennoch nicht so extrem alpin, da das Gelände vom Militär besser erschlossen wurde. Aufgrund der Jahrhunderte dauernden Feindschaft gegenüber Frankreich wurden mächtige Festungen gebaut, wie Exilles im Tal der Dora Riparia und Fenestrelle im Tal des Chisone-Flusses. Militärstraßen und Wege wurden bis über 2.500 m Höhe errichtet. Leider ist das Befahren dieser alten Naturstraßen erlaubt und zieht somit Motorradfreaks aus halb Europa an. Es ist irgendwie deprimierend, wenn man 1.500 Höhenmeter durch den wunderschönen Naturpark Gran Bosco di Salbertrand aufsteigt und oben auf der Straße von Autos und Motorrädern eingestaubt wird. An der Testa dell’Assietta (2.567 m) zeugt ein Denkmal von der Schlacht am 19. Juli 1747, in der 8.000 Mann, darunter Waldenser-Milizen, 20.000 Franzosen zurückschlugen. Die Franzosen wollten die vorerwähnten Festungen umgehen, aber die Piemonteser hatten diese Taktik geahnt. In Piemont gibt es viele Zeugnisse der wechselvollen waldensischen Vergangenheit. Meist wurden sie verfolgt, aber wenn sie gebraucht wurden, wie z.B. bei vorerwähnter Schlacht, bekamen sie freie Religionsausübung zugesichert. Am Colle dell’Albergian (2.713 m) erinnerte mich Bätzings Führer an die 80 erfrorenen waldensischen Kinder und Säuglinge, die hier um 1400 vor Verfolgern versteckt worden waren. In Balziglia gibt es ein kleines Waldenser-Museum, in dem auch die Ereignisse des Jahres 1689 anschaulich dargestellt sind. Zuvor, 1685, wurde in Frankreich das Edikt von Nantes, das den Hugenotten freie Religionsausübung zugesichert hatte, aufgehoben. Daher wurden auch in Piemont die Waldenser nach einem großen Blutbad in die evangelische Schweiz vertrieben. Mit der sog. Glorieuse Rentrée im Jahr 1689 kehrten etwa 1.000 Waldenser in ihre Heimattäler zurück und verschanzten sich westlich von Balziglia. Ihre Lage war hoffnungslos, doch plötzlich erklärte Savoyen-Piemont Frankreich den Krieg, und die Waldenser waren, diesmal für immer, gerettet. Weiter ging’s mit ständigem Wechsel zwischen Tälern und Pässen. Auffallend ist die Conca del Prà, eine 4 km lange und 1 km breite ebene Alm-Hochfläche in 1.700 m Höhe, die einst ein See war. Das Rifugio Jervis auf dieser Fläche bietet sehr gutes überreichliches Essen. Der gute Eindruck wird allerdings durch Spielgeräte in der Bar, verbunden mit lautem „musikähnlichem“ Lärm, getrübt. Am nächsten Tag schaffte ich mal wieder eine riesige Etappe. Hinauf ging’s zum Colle Seilliere (2.851 m) und auf französischem Gebiet hinunter zum Réfuge Mont-Viso, das wegen Umbauten geschlossen war. Dunkle Wolken zogen auf, so daß ich noch einen Schritt schneller ging, dabei mich verlaufen hatte und, um auf den richtigen Weg zu kommen, ein steiles Stück weglos hinunterklettern mußte. Auf jeden Fall wollte ich noch vor einem möglichen Gewitter über den 2. Paß des Tages, den Passo Vallanta (2.811 m), kommen, um im Rifugio Vallanta zu übernachten. Aber der Rifugio gefiel mir nicht, und so eilte ich noch ins Tal nach Castello. Da es dort keine Übernachtungsmöglichkeit gibt, ging ich noch die Landstraße bis Casteldelfino. Und ich hatte Glück; die Wolken entluden sich erst in den Abendstunden. Eigentlich wollte ich am nächsten Tag nur eine kurze Etappe zum Rifugio Carmagnola gehen. Aber der Weg dorthin laut Karte existiert nicht, und so wurde es eine noch längere Etappe wie am Tag zuvor von über 9 Stunden Gehzeit und 1.700 m Höhendifferenz bei gesteigertem Tempo. Zunächst 1.500 Hm hinauf in grandioser Landschaft zum Colle di Bellino (2.804 m), hinunter nach Chiappera mit seinem riesigen schief aufragenden Felsklotz, und weiter nach Chialvetta, wo ich im Posto Tappa Halbpension buchte. Die gebratene Forelle war ein Gedicht. Durch die schluchtartige Engstelle Le Barricate mit der riesigen fast senkrechten Felswand gelangte ich nach Bagni, wo ich mir den Luxus eines 4-Sternehotels mit Thermalbad für meine müden Knochen erlaubte. Am nächsten Morgen beim Frühstück schüttete es. Aber es hörte auf und ich zog los. Kaum hatte ich den Paß überquert, kündigte sich das nächste Gewitter an, und ich mußte noch ein großes Stück auf dem Kamm gehen. Dank eines gewaltigen Adrenalinstoßes glaubte ich fast über den zum Glück meist guten Weg zu fliegen. Kaum hatte ich das höchstgelegene Kloster Europas, S. Anna di Vinadio (2.035 m), erreicht, kübelte es aus allen Wolken. Die Wände der Klosterkirche sind voll von Fotos und Gemälden, die Menschen, die ihre wundersame Rettung aus einem schweren Unglück der Schutzheiligen zu verdanken glaubten, dort aufhängen ließen. Auch ein großes Poster des Fußballvereins Juventus Turin ist dort zu sehen, dessen Spieler den Hexenkessel des Brüsseler Heysel-Stadions überlebten. Über den Colle della Lombarda kam ich endgültig nach Frankreich hinein. Hauptwanderwege, wie die GR 5 und GR 52, sind bestens markiert, Nebenwanderwege jedoch schlecht oder gar nicht. Daher mußte ich einige Umwege in Kauf nehmen. Um Isola 2000 ist offenbar alles auf Wintersport eingestellt; eine Markierung war totale Fehlanzeige. Über malerisch auf Anhöhen gelegene Orte, wie Le Brec d’Utelle und Aspremont erreichte ich Nizza. Ein erhabenes Gefühl, als ich Nizza zu meinen Füßen sah. Der „Nizza-Mann“, wie mich eine Wanderin nannte, hatte sein Ziel erreicht. Noch am Morgen war es unwahrscheinlich, daß ich abends den Nachtzug nach Straßburg nehmen konnte. Die ganze Nacht und noch am frühen Morgen wütete ein Unwetter, das viele Schäden und Erdrutsche verursacht hatte. Doch es hörte auf, und ich konnte wider Erwarten losmarschieren. Was ich mit dieser Tour auf mich geladen hatte, wurde mir eigentlich erst später, besonders beim Schreiben dieses Berichtes, bewußt. Anfangs war die willkommene Abwechslung vom Alltag vorherrschend. Später kehrte dann ein gewisser Trott ein, ja sogar eine gewisse Lethargie. Ich ging einfach weiter und weiter, ohne nachzudenken. Allerdings, wenn ich mich besonders schinden mußte, abgekämpft war, gefährliche Wege ging, vorm Gewitter flüchten mußte, mich verlaufen hatte usw., dann fragte ich mich: „Warum hast du dir sowas angetan?“ In den letzten Wochen, als mir die Zeit zu lang wurde, hätte ich jeden Tag am liebsten abgebrochen und den Heimweg angetreten. Aber ernsthaft daran gedacht, dies wirklich zu tun, hatte ich keine einzige Sekunde. Wie gesagt: Weiter und weiter.
Auf
Wanderwegen von Garmisch nach Brescia
Von Hans
Losse
Wohl jeder Fernwanderer
träumt davon, die
Alpen einmal zu Fuß in einer langen
Wanderung
zu überqueren.
1989 setzte ich diesen
langgehegten Wunsch
in die Tat um; ich war damals 50
Jahre alt. Als Weggefährten
nahm ich meinen
seinerzeit 15 jährigen Sohn Alexander
mit; so waren wir ein Team, in dem
der eine nicht mehr ganz auf
der Höhe seiner Kraft und Ausdauer, der andere
noch nicht zu voller
Kraftentfaltung gereift war.
Von den bereits beschriebenen
Wegen sagte uns keiner
so recht zu. Der E 1 verläuft
immer einmal wieder entlang von
Straßen. Er führt auch meist
durch lange Täler, in denen auch Autobahnen, Eisenbahnstrecken und Fernstraßen
verlaufen. Seinen höchsten Punkt erreicht der E 1 in
der Gotthard Paßhöhe (2091
m). So hoch
ist
mancher Gipfel des Alpenvorlandes.
Der E 2 verläuft mehr am
Westrand der Alpen,
als dass er das größte europäische Gebirge überquert. Die Wegführung verläuft
etwa entlang der Strecke Basel, Genf,
Nizza.
Die alpine Variante des E4
verläuft in Richtung
der Alpenkämme von Ost nach
West; er quert die Alpen
nicht in Nord - Süd -
Richtung.
Auf dem E 5 werden dem
Begeher Busse, Züge
und Seilbahnen empfohlen. Dieser
Weg ist daher kein Fußweg
über die Alpen.
Der E 6 verläuft am Ostrand
der Alpen - etwa
entlang der Strecke Linz, Graz,
Ljubljana.
Der sogenannte Traumpfad von
München nach Venedig
beginnt und endet in zwei berühmten Städten, die weit von den Alpen
entfernt liegen. Aber auch dieser Weg
enthält immer einmal wieder
ein Stück Straße - zuviel
Asphalt nach unseren Vorstellungen.
Unser Weg sollte Straßen nur
queren und nicht an
ihnen entlang laufen. Busse, Züge,
Seilbahnen sollten auf keinen
Fall benutzt werden. Andererseits sollte der Weg auch
keine Kletterstellen enthalten; die Schwierigkeiten
sollten unter dem ersten alpinen Grad
liegen. Die Gletscherübergänge sollten gefahrlos sein.
So suchten wir zunächst auf
der Alpenkarte mit
Hilfe eines Gummibandes einen
eigenen Weg. Wir spannten
das Gummiband
unzählige Male von einem Ort am
nördlichen Alpenrand zu
einem Ort auf der
Südseite des Gebirges. Schließlich entschieden wir uns für die Routenführung
von Garmisch nach
Brescia. Der Weg
führt mehrfach über 3.000 m, hat also
echten alpinen Charakter. Er
ist straßenfrei,
enthält aber auch keine Kletterstellen.
Die Gletscher werden
problemlos am Rande
gequert. Dass wir zu seiner Bewältigung
dreißig Etappen benötigen würden, wussten wir zu Beginn natürlich noch
nicht.
Wegen des Vorrechts bei der
Übernachtung in den
Berghütten, wie auch wegen
der Übernachtungsgebühr,
sollte der Begeher des L 1 (so nannten wir unseren Weg
scherzhaft) Mitglied im
Deutschen Alpenverein sein.
Die Beschreibungen sind sehr
kurz gehalten. Mit wenigen Sätzen wird jede Etappe
charakterisiert. Die
Wegbezeichnungen
stehen hinter den markanten Punkten. An
den Höhenangaben erkennt man,
ob es
sich um
einen An- oder Abstieg handelt.
Da das Gehtempo sehr
unterschiedlich ist,
habe ich auf die Angabe von Gehzeiten
verzichtet. Alle Etappen sind
an einem
Tag zu
schaffen.
1. Etappe: Von Garmisch -
Partenkichen
zum
Kreuzeckhaus
Diesen knapp dreistündigen Anstieg sollte man
noch am Anreisetag bewältigen.
Kompasskarte No. 25, 1: 50.000
2. Etappe: Vom Kreuzeckhaus
zur Knorrhütte
Es geht
zunächst hinunter ins Reintal und dann steil hinauf zur Knorrhütte.
Kompasskarte No. 25, 1: 50.000
3. Etappe: Von der
Knorrhütte zur Tillfußalm
Am dritten Tag verlassen wir
Deutschland und gehen nach Österreich hinein. Es geht
fast nur bergab.
Kompasskarte No. 25, 1 : 50.000
4. Etappe: Von der
Tillfußalm nach Wildermieming
Am vierten Tag wird die
Mieminger Kette
überquert.
Kompasskarte No. 25, 1: 50.000
5. Etappe:
Von Wildermieming zur
Dortmunder Hütte
Zu dieser längeren Wanderung
mit Überschreitung des
Pirchkogels sollte man sehr früh aufbrechen. Wem diese Etappe zu
lang ist, der sollte sie in Stams unterbrechen. Wenn man Stams nach 11.00 Uhr erreicht, sollte man dort
bleiben. Eventuell kann man noch auf der
Stamser Alm übernachten; bitte
telefonisch anfragen. Danach gibt es
bis zur Dortmunder Hütte keine
Übernachtungsmöglichkeit mehr.
Kompasskarte No. 35, 1: 50.000
6. Etappe: Von
der Dortmunder Hütte zur
Gubener Hütte Auf dieser Wanderung darf man am Südende des Stausees den Linksabzweig nicht verpassen, sonst steigt man zum Sulzkogel an.
Kompasskarte No. 35, 1: 50.000
7. Etappe: Von der Gubener Hütte zur
Winnebachseehütte
Kompasskarte No. 43, 1: 50.000
8. Etappe: Von der
Winnebachseehütte
zur
Amberger Hütte Nach Tagen endlich wieder einmal ein Dorf (Gries), wo die Proviantvorräte ergänzt werden können.
Kompasskarte No. 43, 1: 50.000
9. Etappe: Von
der Amberger Hütte nach
Zwieselstein
Heute wird das erste
größere Schneefeld
gequert.
Kompasskarte No. 43, 1 : 50.000
10. Etappe: Vom
Zwieselstein zum Ramolhaus Dieser Aufstieg führt zur höchstgelegenen Hütte der Tour.
Kompasskarte No. 43 (1: 50 000)
11.
Etappe: Vom Ramolhaus nach Vent Der
Alpenhauptkamm wird überschritten.
Kompasskarte
No. 43, 1 : 50 000
12. Etappe: Von Vent zur Schönen
Aussicht
Kompasskarte No. 43, 1: 50.000
13. Etappe: Von der Schönen
Aussicht
nach
Schlanders Ein sehr langer und ermüdender Abstieg.
Kompasskarte No. 52, 1 : 50.000
14. Etappe: Von Schlanders
zum Stallwieshof
Aus dem tiefen Vintschgau
geht es wieder hoch
hinauf zum Höhenweg über dem
Martelltal.
Kompasskarte No. 52, 1 : 50.000
15. Etappe: Vom
Stallwieshof zur Marteller Hütte
Vom Stilfser Nationalpark
geht es auf der
Höhe
2.000 m in die Ortlergruppe hinein.
Kompasskarte No. 52, 1 : 50.000
16 Etappe: Von der Marteller
Hütte nach Peio
Der deutschsprachige Teil
Oberitaliens
liegt
hinter uns.
Kompasskarte No. 72, 1 : 50.000
17.
Etappe: Von Péio zum Rifugio A.
Bozzi
Es geht durch ein
unbesiedeltes Gebiet,
das im 1.Weltkrieg heftig
umkämpft wurde.
Kompasskarten No. 72 und No. 71
18. Etappe: Vom Rifugio A.Bozzi
nach Temü
Bevor es in die
Adamello-Gruppe hineingeht,
wandern wir durch das belebte Tal des Narcanello.
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
19. Etappe: Von Temü zum Rifugio
Garibaldi
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
20. Etappe: Vom
Refugio Garibaldi zum
Refugio
Tonolini Die erste Etappe auf diesem sehr schönen Höhenweg durch die Adamello-Gruppe.
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
21.
Etappe: Vom Refugio Tonolini zum Refugio Prudenzini Der Weg
über den Passo del Miller ist
etwas
anstrengend wenngleich sehr schön.
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
22.
Etappe: Vom
Refugio Prudenzini
zum
Refugio Lissone Wieder geht es etwas mühsam über einen Paß.
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
23. Etappe: Vom
Rifugio Lissone zum
Rifugio
Brescia Auf
dieser Etape verließen wir den Sentiero Adamello ein Stück weil er uns etwas
zu gefährlich erschien.
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
24. Etappe: Vom
Rifugio Brescia zum
Rifugio
Gabriele Rosa Hinter dem Passo Brescia folgt ein steiler Abstieg über einen Felsen, der sich aber auch links umgehen läßt.
Kompasskarte No. 71, 1 : 50.000
25.
Etappe: Vom Rifugio Gabriele Rosa zum Refugio C. Tassara Nach dem Ende des Sentiero Adamello geht es gemütlich bergab.
Kompasskarte No. 103, 1: 50.000
Rifugio C. Tassara (1.799 m) 26. Etappe: Vom
Rifugio C. Tassara zur
Malga
Ravenola Vaga Die markierten und nummerierten Wanderwege liegen nun hinter uns. Wir müssen jetzt sehr umsichtig mit Karte und Kompaß auf Wegen und Pfaden wandern. Am Ende der Etappe müssen wir in einer Malga (Schutzhütte für Hirten) biwakieren.
Kompasskarte No. 103, 1 : 50.000
27.
Etappe: Von der
Mga. Ravenola
Vaga nach
Collio
Auch auf dieser Etappe sind
die Wege
weder
markiert noch nummeriert.
Kompasskarte No. 103, 1: 50.000
28.
Etappe: Von Collio nach Ombriano Man geht
auf Forstwegen, Wegen und
Pfaden; keine Markierung,
keine Wegnummern
Kompasskarte No. 103, 1 : 50.000
29. Etappe: Von Ombriano
nach Lumezzane Auf dieser
Wanderung nach einem Messtischblatt
kann auch ein GPS-Gerät zur Orientierung helfen.
Karten: Tavernole sul Mella, 1: 25.000 - Lumezzane, 1: 25.000
30. Etappe: Von Lumezzane
nach Brescia Auch auf
der letzten Etappe muss man sehr
sorgfältig - am besten mit
einem GPS-Gerät - den
Weg suchen. Vom Vorort
Nave sollte man den Bus zum
Bahnhof nehmen.
Karte:
Lumezzane, 1: 25.000
In diesem Vorort von Brescia endet die Wanderung.
Eine Alpenüberquerung auf „Via Alpina“
Von Hans Diem
Auf dem Roten Weg der Via Alpina ging Hans Diem aus Garmisch-Partenkirchen im Sommer 2002 von Monaco am Mittelmeer durch alle acht Alpenstaaten nach Triest am Mittelmeer in 96 Tagen zu Fuß und mit Zeltausrüstung auf 2180 km Wegen mit 121.000 m Aufstieg, 28 Tage in Begleitung von Evelyn Gebhardt.
Die Via Alpina bleibt unter 3000 m Höhe, geht nirgendwo über Gletscher, verläuft auf Fahrwegen, Wegen und Bergwegen mit nur wenigen kurzen und etwas anspruchsvollen Stellen in Steilgelände mit Tiefblick, meist Seil versichert.
Monaco, 19. Juni 2002, 15 Uhr: Eine gigantische Stadt hat sich hier an der Mittelmeerküste breit gemacht, Rucksack und Bergstiefel passen absolut nicht ins Stadtbild. Vom Bahnhof Monte Carlo steigen wir auf zum Place du Palais, dem Platz vor dem Fürstenschloss, dem Ziel der Via Alpina. Doch wir beginnen lieber hier am südlichen Ende, die Bergwege sind eher schneefrei, noch sprudeln Quellbäche, noch blüht und duftet es mehr als sonst wo, ab dem Hochsommer aber wird es hier zunehmend trocken und dürr.
In den Südalpen auf Via Alpina von Monaco nach Chamonix am Mont Blanc.
Bei hochsommerlicher Hitze steigen wir ab 17 Uhr durch Monte Carlo hinauf Richtung Norden, schauen und staunen über eine dichte Stadt mit vielen Hochhäusern hinweg zur Mittelmeerküste im milden Licht der Abendsonne. Von einer Bergkuppe der grünen Hügelkette leuchtet nachts ein friedliches Lichtermeer herauf. In der Hügellandschaft mit Buschwald und alten Dörfern schlaucht uns die Hitze, zu selten sind Brunnen mit Trinkwasser. Wegen der Hitzewelle und dem Wassermangel lassen wir die Wegschleife durch die Ligurischen Alpen aus und gehen ab Sospel direkt zu den Dreitausendern der Meeralpen. Kalte Quellen mit Trinkwasser und Bergseen für erfrischendes Baden sind an unserem Weg durch die fantastische Berglandschaft am Mont Bego, dem Götterberg, bis hin zum mächtigen Argentera-Massiv. Mal stapfen wir durch Steilschotter mit Schneeresten, Mal bummeln wir durch Buschwald mit blühendem Goldregen und bewundern schönste Blumenwiesen in den Cottischen Alpen. Im Dorf Maljasset sehen wir das erste Plakat von „Via Alpina“, also sind wir hier richtig. In Briancon muß sich Evelyn verabschieden, ihr Urlaub ist zu Ende.
Alleine gehe ich weiter, in den Dauphiné Alpen auf Höhenwegen über Bergdörfer mit Blick auf die hohen Gipfel der Pelvoux Gruppe, am Mont Thabor vorbei nach Modane. Unter den Gletschern der Vanoise führt mich der Weg von Hütte zu Hütte durch die Grajischen Alpen auf den Mont Blanc zu. Ich freue mich auf jede der kleinen einfachen Berghütten. Für die Wirte und die wenigen Gäste bin ich mit meinem großen Rucksack auf großer Tour und besonders herzlich willkommen. Man weiß von Via Alpina und freut sich über den ersten Begeher dieser Route. Der moderne Skizirkus bei Lac de Tignes ist ein heftiger Kontrast zu den alten verfallenden Almdörfern am Rutormassiv, am Weg ins Aostatal. In den Walliser Alpen denke ich auf dem gut erhaltenen Saumpfad über den Großen S. Bernhard an den Betrieb im Mittelalter hier. Die Mont Blanc Gruppe hüllt sich in Regen und Nebel, habe leider keinen Ausblick von den Höhenwegen über den Col de Balme nach Planpraz. Also schwebe ich mit der Seilbahn hinab nach Chamonix, um besseres Wetter abzuwarten.
16 Bergkarten im M:1:50 000, ca. 758 km Wegstrecke, ca. 558 km gegangen in 29 Tagen, mit 200 Stunden Gehzeit, mit 37 000 Hm Aufstieg, 38 Mal über 2000 m bis 3045 m Höhe am Mont Clapier (Abstecher).
In den Westalpen auf Via Alpina von Chamonix nach Liechtenstein
Nach einer sternenklaren Nacht ist schönstes Wetter, die erste Seilbahnfahrt bringt mich von Chamonix wieder hinauf nach Planpraz. Begeistert stürme ich auf den Gipfel Le Brevent 2524 m und schaue überaus erfreut auf das mächtige Bergmassiv mit dem Mont Blanc. Der höchste Berg der Alpen, seine Hohheit der Monarch ist flankiert von namhaften Trabanten, ist eingehüllt in einen spaltenreich züngelnden Gletscherumhang, thront breitmächtig und alles überragend mir gegenüber im strahlenden Sonnenschein. So ein Glück muß man haben!
Endlich weiter in den Chablais Alpen, schön in Weideland über den Col d’Anterne, in Wäldern und Wiesen hinab nach Samoens. Auf dem Col de Coux erfüllt mich bei schöner Abendstimmung die große Dankbarkeit, ich strecke die Arme zum Himmel: Ich kann und darf meine langen Bergwege gehen Tag für Tag, Jahr für Jahr. Über ein wunderbares Hochtal am Mont Ruan geht es nach Martigny im Rhônetal. Nach dem Aufstieg in die Diablerets Gruppe öffnet sich der Blick auf ein Riesenpanorama mit Viertausendern hoch über dem Rhônetal. Auf Höhenwegen bummle ich in Weideland am Gran Muveran entlang, gehe unter der Felsflucht des Les Diablerets in Almgebiet nach Derborence. Im Aufstieg zum Hochtal Mié ist eine Steilstufe mit Leitern und Drahtseilen zu bewältigen, oberhalb öffnet sich ein wunderschönes Hochtal, anschließend geht es über einen Gletscherschliff zum Col du Sanetsch und hinab nach Gsteig.
Auf der Nordseite der Berner Alpen laden bekannte Feriendörfer im schönen Bauernland zur Einkehr ein, dann locken wieder Felsberge mit richtigen Bergwegen hinüber zum Gemmipass, verwegen steil ist der Abstieg nach Leukerbad. Mein Abstecher zum Torrenthorn lohnt sich wegen dem Rundblick, dann aber flott weiter auf einem aussichtsreichen Höhenweg über dem Rhônetal. Da oben erkundigt sich ein alter Almbauer nach meiner Tour. Das gefällt ihm, er war jeden Sommer auf seiner Alm und hat immer bis zu 40 kg rauf und runter getragen, in meinem 20 kg schweren Rucksack sieht er kein Problem. Sage ihm, mein Rucksack ist mir Vergnügen, aber viele Leute bedauern mich sehr, andere fragen nach und sind begeistert von meiner Tour auf der „Via Alpina“.
Nach Blatten führt mein Weg einige Stunden lang auf einem Höhenrücken mit fantastischem Ausblick auf den Aletschgletscher, den längsten Eisstrom der Alpen. Nach dem Hochtal Goms beginnen die anspruchsvollen Tessiner Alpen und Adula Alpen mit dem Saumpfad über den Griespass ins Val Formazza. Bis Mesocco folge ich dem Weg „Trekking 700“, alpin ist die Route am Gletscherberg Basòdino entlang nach San Carlo, nun geht es teils sehr steil bergauf zu den Scharten, ebenso steil hinab zu den Dörfern. Auf Almwegen ziehe ich in den Albula Alpen erst durch ein zauberhaftes Hochtal, steige dann auf einem historischen Saumpfad zum Splügensee auf, weiter in Weideland vom Walserdorf Juf und über altbekannte Übergänge nach Maloja.
Die Bernina Alpen beginnen mit Schneeregen auf dem Murettopass, zum Glück bei Sonnenschein weiter im herrlichen Almland bis Poschiavo. Von Tirano hinauf in die Livigno Alpen, hier wird in den Almdörfern gerade das Bergfest gefeiert. Schwierig ist der Abstieg vom Passo di Vermolera 2732 m mit Steilschotter. Mit einem Almparadies beginnen die Ortler Alpen, fantastisch ist die Aussicht von der Dreisprachen-Spitze auf König Ortler und seine Umgebung. Nach der Sesvenna Gruppe quere ich das Engadin und komme über den Futschölpass 2768 m in das Gebiet der Silvretta mit drei großen Hütten. In Schotter, Fels und Schnee steige ich über die schwierige Getschner Scharte 2839 m und über drei weitere Joche nach Gargellen. In der wunderbaren Südflanke des Rätikon lacht mir die Sonne, ich blicke auf das kleine Liechtenstein, steige über den Felsgipfel Drei Schwestern hinab nach Frastanz. Auf der Nordseite des Alpen-Hauptkammes stehen große Berggasthäuser und es sind viele Bergwanderer unterwegs.
21 Bergkarten im M:1:50 000, ca. 832 km Wegstrecke, ca. 710 km Wegstrecke gegangen in 36 Tagen, mit 247 Stunden Gehzeit, mit 37 000 Hm Aufstieg, 54 Mal über 2000 m bis 3257 m Höhe an Haute Cime in den Dents du Midi (Abstecher).
In den Ostalpen auf Via Alpina vom Bregenzer Wald nach Triest
Vom Bregenzer Wald führt mich die Etappenliste der Via Alpina in das Große Walsertal und über den Schadonapass auf die Allgäuer Alpen zu. Über den Gemstelpass komme ich nach Deutschland und steige mit Blick auf die Mädelegabel hinab nach Oberstdorf. Meine Freude ist groß, bin ich doch am Nordrand der Alpen angekommen an einem Sonntag mit Sonnenschein. Da gönne ich mir eine gemütliche Rast in einem Biergarten. Am Abend muß ich dafür auf dem Weg über das Himmeleck ein teuflisches Gewitter mit Platzregen aushalten. Die Route in den Lechtaler Alpen verläuft meist auf Talwegen, dann aber wird es felsig und schottrig in der Mieminger Kette und im mächtigen Wetterstein Gebirge. Der Aufstieg zur schön gelegenen Meilerhütte wird wieder Mal von einem Gewitter begleitet, dafür kann ich im Karwendel Gebirge auf einer alpinen Variante über die Breitgrießkar Scharte zum Karwendel Haus gehen. Weiter über Almböden mit Ahornbäumen unter senkrechten Felsflanken, dann der Abstieg ins Inntal.
Auf den Stadtbummel in Schwaz folgt der Weg durch die Tuxer Alpen über Almen und Grasberge, hier sind die Hütten wieder klein und gemütlich. Die Talstrecke bis zum Aufstieg in die Zillertaler Alpen fährt mich ein Bus. Nach dem Steilaufstieg zur Glieder Scharte nehme ich wieder eine alpine Variante an, den Pfunderer Höhenweg mit dem schwierigen Gaisschartl 2720 m, quere dann unter mächtigen Gletscherbergen zum Ahrntal. Die Rieserferner Gruppe wird in 2791 m Höhe überschritten, es folgen die Villgratner Berge mit Wald und Almwiesen.
Die Dolomiten verstecken sich in einer dichten Wolkendecke. Vom Pragser Wildsee steige ich auf zu den drei Zinnen. Wie ich ankomme, heben sich die Wolken und der Blick auf die senkrechten Nordwände wird frei, gewaltig! In der Hütte spricht mich ein französisches Paar an, das seit 81 Tagen auf dem Weg von Nizza nach Wien ist. Und ich bin seit 82 Tagen unterwegs von Monaco, der Jubel ist groß! Der Karnische Hauptkamm wird in voller Länge überschritten, ein Höhenweg mit Hütten, mit Gipfeln bis 2578 m und mit Seen, mit wunderbaren Ausblicken nach Süden und Norden. Vom Dreiländereck schaue ich nach Slowenien hinein und freue mich auf dieses kleine Bergland mit den vielen gastlichen Hütten.
An meinem Weg durch die Julischen Alpen steht imposant der Jalovec, der schönste Berg Sloweniens. In Trenta meldet der Wetterbericht einen Wetterwechsel mit Schnee, also gehe ich ohne den Gipfel des Triglav, mit 2864 m der höchste Berg Sloweniens, weiter durch das bekannte Tal der „Sieben Seen“ mit vielen endemischen Pflanzen zum langen Kamm mit dem Gipfel Rodica 1966 m. Nach dem letzten Felsgrat mit einem ausgesetzten Steig überfällt mich der Wintereinbruch mit Kälte und Regen, Glück gehabt. Der Hüttenwirt auf dem Crna prst 1835 m, dem vorletzten Gipfel des Kammes, macht für mich die letzte Gulaschsuppe der Saison und sperrt dann hinter mir die Hütte ab. Über die folgenden Grasberge und die Buckel im Karst komme ich auch bei Schlechtwetter. Auf dem letzten Berg, dem Plesa 1262 m ist für eine Stunde blauer Himmel, ich sehe das Mittelmeer, die Küste und Triest. Die Arme zum Himmel, ich bin am Ziel, ich bin gut angekommen! Noch 35 km Weg in waldreichem Hügelland und ich bin in der Hafenstadt Triest, dem eigentlichen Beginn der Via Alpina.
16 Bergkarten im M:1:50 000, ca. 624 km Wegstrecke, ca. 459 km Wegstrecke gegangen in 31 Tagen, mit 212 Stunden Gehzeit, mit 36 000 Hm Aufstieg, 41 Mal über 2000 m bis 2791 m Höhe in der Rieserferner Gruppe.
Ein Nachtzug bringt mich nach Hause. Für die Organisation von Via Alpina schreibe ich einen Bericht von 20 Seiten und lasse meine schönsten Fotos auf CD kopieren. Das löst dort eine Riesen Begeisterung aus, Text und Fotos gehen an alle acht Alpenländer.
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 16 - April 2005
Von Hans Diem
Juni und Juli 2005 von Susa nach Riale im Val Formazzo, 27 Tage, 166 Std. Gehzeit, 380 km Wege, 30 000 m Aufstieg, 1 Mal über 3000 m, 30 Mal über 2000 m Höhe, 8 Zeltnächte.
Von Susa steige ich über Novalesa auf zum Ricciamelone, 3538 m. Weiter nach der Etappenliste nach Norden, auf der GTA über Höhezüge und Talorte nach Ceresole Reale. Quere auf einer alpinen Variante in Südflanke von Gran-Paradiso-Bergen über Colle Sia, 2274 m, Bocchetta des Ges, 2692 m, Bivacco Ivrea, 2770 m, Colle dei Becchi, 2990 m, Rifugio Contese nach San Lorenzo zum Blauen Weg auf der GTA.
Auf den Abschnitten der GTA kamen von Norden her nur wenige deutsche Wanderer entgegen. Die Wirte der Quartiere sprachen von einem großen Rückgang. Die Etappenorte der GTA entwickeln sich auffällig zu Ferienorten. Häuser, Straßen und Plätze werden saniert, teils sind Siedlungen und Hotels im Bau. Man sagte uns, den Italienern wird es zu heiß an den Küsten, sie urlauben vermehrt in ihren Bergdörfern. Im Val Formazza wird groß gebaut für die olympischen Winterspiele 2006. Das verkommene alte Walserdorf Riale ist jetzt saniert und kultiviert und ein Schmuckstück geworden mit Gaststätten und Betten – wenn das die Walser sehen könnten!
Nach Ronco Canavese zieht die Via Alpina schön durch das Valle di Campiglia zum Colle d’Arietta, 2939 m, über Mont Avic Gebirge, das Valle d’Aosta und das Val di Gressoney nach Alagna Valsesia. Wieder ziemlich eintönig auf der GTA bis Antronapiana. Da steigt die Via Alpina hinauf zum fantastischen Rifugio Andolla und sehr schön grenzschlängelnd nach Simplon Dorf.
Ich müsste nun in der Schweiz über das Saflischtal zur Alpe Devero gehen. Meine Variante kürzt ab. Ich gehe auf der italienischen Seite wunderbar über hohe Pässe und Hütten zur Alpe Veglia und zur Alpe Devero. Kurz weiter auf dem Blauen Weg. Am Lago Vannino gehe ich wieder ab nach Norden, komme über einen Passo von oben nach Riale im Val Formazzo, dem nördlichen Ende des Blauen Weges mit dem Anschluss an den Roten Weg. Ich gehe talabwärts noch zu Fuß nach Ponte. Von hier gibt es einen Linienbus zum nächsten Bahnhof.
Seit August 2005 werden von der Organisation Via Alpina im Internet unter www.via-alpina.org ausführliche Informationen zu jedem Weg und jeder Etappe in fünf verschiedenen Sprachen angeboten.
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 20 - August 2006
Zu Fuß und mit Zelt zwei Mal quer über die Alpen
Von Hans Diem
1. Vom Markusplatz in Venedig zum Marienplatz in Garmisch:
Auf L. Grasslers Traumpfad über die Venezianer Alpen, die Dolomiten, die Zillertaler Alpen, die Tuxer Alpen und das Karwendel, vom 15.6. bis 4.7.99, 20 Tage, 131 Stunden, 25 000 m Aufstieg, 377 km Bergwege, 88 km Wegstrecke mit Auto gefahren.
Der Nachtzug brachte mich nach Venedig, am Vormittag bin ich durch die Stadt zum Markusplatz gebummelt, mittags dann mit einem Linienschiff zur Punta Sabbioni hinüber gefahren. Es war heiß und schwül und endlos flach auf den Wegen und Straßen nach San Dona di Piave, da bin ich mit dem Bus gefahren zum Hügelland der Venezianer Alpen. Vom ersten Berg, dem Col Visentin (1763 m) war wunderbare Aussicht auf das Flachland im Süden und auf die Dolomiten im Norden. Und nachts funkelte der Sternenhimmel über dem Lichtermeer der Ebene!
Über Belluno kam ich an die Dolomiten und bin den Klettersteig Via ferrata Marmol am Monte Schiara aufgestiegen: erst senkrechter Fels mit Leitern, dann mit den Steigeisen durch eine Schlucht voll Hartschnee zu einer Querung an dünnem Drahtseil in senkrechter Felswand, nun leichter hinauf zur Forcella del Marmol (2262 m). Eine Wolkendecke mit Regenwetter hielt sich drei Tage lang an den Bergen fest, daher war keine Aussicht vom Alta Via delle Dolomiti 1 über den Passo Duran und das Val Civetta nach Alleghe. Nach kuzer Busfahrt bei Regen weiter auf dem Bindelweg, grau und düster lag breit die Marmolada gegenüber. Unter tiefhängender Bewölkung war viel Neuschnee im Aufstieg über den Passo Pordoi zum Rifugio Boe (2873 m). Doch der nächste Tag war wolkenlos schön, ich hatte eine glasklare Rundum-Sicht vom Piz Boe (3152 m). Nach dem Abstieg durch das eisglatte Val Setus zum Grödner Joch und dem sonnigen Aufstieg über das Crespeina-Joch schaute ich abends von der Puez-Spitze (2918 m) begeistert zurück und in die Runde. Der Weiterweg zur Roa-Scharte lag im Nebel, vom Peitlerkofel (2875 m) war gute Sicht, dann im langen Abstieg nach Lüsen herrschte brütende Sommerhitze.
Gemütlich ging ich hinüber ins Pustertal, fuhr mit dem Bus nach Pfunders und stieg auf in die Zillertaler Alpen. Über die Glieder-Scharte (2644 m) ging ich mit den Steigeisen, im Abstieg verlangte die Querung einer Steilflanke auf 2200 m Höhe einen sicheren Tritt. Am Weg vom Pfitscher Joch zum Schlegeis-Speicher war noch schönes Wetter und viele Leute waren unterwegs. Doch die Olperer Hütte stand am nächsten Tag unter Dauerregen, am Nachmittag bin ich wenigstens zum Friesenberg-Haus gegangen. Der Hüttenwirt meinte, die Friesenberg-Scharte (2910 m) geht noch nicht. Das wollte ich genau wissen und habe am Abend noch eine Steigeisen-Spur in den Steilhang mit Lawinen-Schnee getreten. Dadurch bin am nächsten Morgen trotz Nebel und Schneefall gut hinaufgekommen. Die Tuxer Gipfel waren noch schneebedeckt, ich stapfte über Geier-Spitze (2875 m) und Naviser Jöchl (2479 m) nach Tulfes, fuhr mit dem Bus nach Hall im Inntal.
Im Karwendel hatte ich vom Bettelwurf und der Speckkar-Spitze leider wenig Aussicht. Brauchte dann die Steigeisen für die Birkkar-Spitze (2749 m), habe schön gezeltet auf dem Bäralp-Sattel. Bin auf dem luftigen Gjaidsteig hinab und über den Wörnersattel nach Mittenwald gekommen. Hier war es 38° heiß, Grund genug für ein großes Eis und ein Bad im Ferchensee. Am letzten Tag war wieder strahlender Sonnenschein auf meinem Weg über die Wetterstein-Alpe und die Partnach-Klamm zum Marienplatz in Garmisch. Grasslers Traumpfad meint zwar den Marienplatz in München, mein Ziel war natürlich der heimische Marienplatz.
2. Von Garmisch-Partenkirchen nach Verona:
Über die Lechtaler Alpen, die Ötztaler Alpen, auf der Route E-5 über die Sarntaler Alpen, die Fleimstaler Alpen und die Vizentiner Alpen nach Verona, vom 30.8. bis 19.9.99, 21 Tage, 154 Gehstunden, 31 000 m Aufstieg, 455 km Bergwege, 35 km Wegstrecke mit Auto.
Von der Haustüre weg ging ich über das Hochtörlenjoch nach Ehrwald, bin über die Grubig-Alm bis zum Fernpass gekommen und habe schön gezeltet im Kälbertal. Weiter in den Lechtaler Alpen, über den Lorea-Kopf (2471 m) und das Hinterberg-Joch (2202 m) zur Anhalter Hütte. Über den Scharnitz-Sattel (2441 m) zur Muttekopf-Scharte (2615 m), bei düsterer Bewölkung durch die grimmigen Kübelwände abgestiegen, die östliche Dremel-Scharte (2553 m) dann war noch unheimlicher bei ziehenden Nebelschwaden. Heute besser nicht am Steinsee zelten, dachte ich mir, ab zur Steinsee-Hütte. Und es schüttete nachts aus allen Kübeln! Der Morgen war wieder schön für die lange Tour über die Gufel-Spitze (2617 m), die Rosskar-Scharte und das Gebäud-Joch zum Würtemberger Haus. Weiter zur Großberg-Spitze (2657 m), über das Großberg-Joch und die Seescharte zum Oberen Seewi-See (2500 m). Das Zelt blieb stehen für den Abstecher zur Parseier-Spitze (3036 m) über das Parseier Joch und die Patrol-Scharte, vom Gipfel war beste Rundumsicht. Nach dem Abstieg habe ich schön gebadet im Sewi-See und bin über die Seescharte nach Zams abgestiegen.
Per Venet-Seilbahn hinauf geschwebt, dann unter vielen Tagesgästen über die Gipfel des Venetberges nach Wenns gegangen. Weiter auf dem Geigenkamm der Ötztaler Alpen, über den Wildgrat (2971 m) kam ich zur Ludwigsburger Hütte. Über den Fundusfeiler (3079 m) zum Felderjöchl (2797 m), äußerst steil hinab und zum Hauersee mit gutem Zeltplatz. Kein Vergnügen war der Aufstieg zur Luibis-Scharte (2914 m) bei Nebel, Regen und blankem Eis. Weiter übers Rötkarl-Joch (2710 m) zur Chemnitzer Hütte. Sieben Leute gingen am frühen Morgen auf den Mainzer Höhenweg, ein junggebliebener Alter und ich warteten lieber das Tageslicht ab. Wir plauderten zum Weißmaurach-Joch (2953 m) hinauf, stiegen über steile Felsrippen und stapften auf Firnflächen zum Wassertal-Kogel (3252 m). Die Frühaufsteher hatten keine Chance, alle wurden von uns überholt. Weiter mit Tiefblick den Blockgrat entlang zum Polleskogel und runter zum Pitztaler Jöchl. Nach 5:25 Stunden klopften wir uns gegenseitig auf die Schulter, denn andere sollen für diese Tour zwei Tage brauchen!
Ab dem Jöchl nahm ich die Route E5 für den Weiterweg, stieg ab nach Zwieselstein und kam auf alten Wegen übers Timmelsjoch (2509 m) in die Sarntaler Alpen. Hatte abends vom Hirzer (2781 m) gute Sicht auf die Dolomiten im Abendrot, auf den Weiden oberhalb von Meran war heuer nicht ein Haflinger zu sehen. Kein Zimmer frei in Jenesien, habe am Sportplatz gezeltet, fuhr am Morgen mit der ersten Gondel hinab nach Bozen.
Hier bin am Sonntag-Morgen durch die Altstadt an den Gegenhang gebummelt. Die Seilbahn trug mich hinauf nach Kohlern, und schon war ich wieder unterwegs im Hügelland der Fleimstaler Alpen. Kam über Deutschnofen nach Maria Weißenstein, habe in der aufschlussreichen Bletterbach-Schlucht Erdschichten bestaunt. Radein, Truden und Gfrill waren die letzten Dörfer im Südtirol. Dann, im Buschwerk der Steilflanken, roch es plötzlich nach Macchia, bella Italia ich komme. Auf dem Weg zur Lagorai Gruppe die Erd-Pyramiden von Segonzano bestaunt, abends hoch oben am Lago Erdemolo gut gezeltet. Es war eine eiskalte Nacht, dafür hatte ich schönes Herbstwetter auf dem M. Gronlait (2388 m) und dem M. Fravort (2347 m). Eine italienische Mama reichte hier gerade ihrer Familie Köstlichkeiten, aus Gaudi habe auch ich meine Hand aufgehalten. Begeistert lachend bezog die Frau mich mit ein, ich genoss ihre feinen Pfannkuchen, belegte Semmeln, Obst, Kaffee, Wein, molto bene, mille grazie Signora Mama! Hocherfreut stieg ich ab nach Lévico Terme.
Der Gegenanstieg aus dem Tal heraus gefiel mir gar nicht, also ließ ich mich hinauf fahren nach Carbonare. Erleichtert ging ich die Vizentiner Alpen an, hier war kein Gebüsch und das Klima war erträglich. Auf Waldwegen und alten Militärstraßen stiefelte ich über den Monte Maggio (1853 m) in die Pasubio Gruppe, Kriegsrelikte wo ich hinschaute. Über die Carega-Gruppe musste ich leider bei Nebel, im erstaunlich einsamen Lessinia-Hügelland gingen schwere Gewitterregen nieder. Ich stand staunend unter der mächtigen Naturbrücke Ponte di Veja und ging zum Abschluss durch die märchenhafte Schlucht Val Borago nach Verona hinab. Nach einem kurzen Stadtbummel bin ich zum schönen Abschluss mit dem Zug nach Venedig gefahren, leider bei Regenwetter.
Eine Alpenüberquerung in 38 Tagen zu Fuß und mit dem Zelt im Sommer 2006
546 km auf dem Gelben Weg der Via Alpina von Triest nach Oberstdorf
Von Hans Diem
Nach vier Alpen-Längsüberschreitungen und sieben Alpen-Überquerungen hat mich das Projekt Via Alpina interessiert. Also bin ich (als Erster) im Sommer 2002 den Roten Weg von Monaco nach Triest gegangen in 96 Tagen (ohne die 200 km lange Schleife in den Ligurischen Alpen), habe als nächstes den bayrischen Violetten Weg von Berchtesgaden nach Oberstdorf getestet, war dann als Freund der Südalpen auf dem Blauen Weg von Monaco nach Riale im Val Formazza unterwegs, 2006 war der Gelbe Weg von Triest nach Oberstdorf an der Reihe.
Der Internet-Ausdruck www.via-alpina.com für den Gelben Weg hat mich sehr enttäuscht wegen der fehlerhaften Angaben zu den Strecken. Ich reklamierte und habe nach der Tour bei den Wegemachern einen Bericht von 37 Seiten mit 450 Fotos abgeliefert.
Grundsätzlich sind die Via-Alpina-Wege leichte Bergwege, oft Fahrwege, selten mittelschwere Bergwege mit vereinzelten absturzgefährlichen Passagen und abgesicherten Gehpassagen, keine Gletscherstrecken und unter 3000 m Höhe bleibend. Die Tagesetappen sind in der Regel nicht länger als sieben Stunden, Übernachtung mit Verpflegung ist meist gesichert und in der Etappenliste angegeben.
Anreise
Hans Diem, 68 Jahre zählend und mit 22 kg Rucksack incl. Zeltausrüstung, fährt wie immer mit der Eisenbahn über Nacht, Ankunft am 20.06., 8.30 Uhr in Triest. Die Hafenstadt am Mittelmeer liegt an der Grenze zu Slowenien, es ist schönes Sommerwetter mit über 30°C. Weiter mit einem Linienbus 12 km nach Muggia, ein romantischer Ferienort mit Yachthafen. Blick über die Bucht hinweg auf Triest und den Höhenzug dahinter mit dem Gelben Weg, das schaut gut aus. Umsonst suche ich im Ort eine Tafel mit einer Via-Alpina-Info, hier ist schließlich der Beginn des Roten Weges nach Monaco, und auch der Beginn des Gelben Weges nach Oberstdorf.
Friaul
Muggia, Val Rosandra, Mont Stena 442 m, Opicina, 9:20 Stunden Gehzeit, 32 km Weg, 2 Tage. 60 km Bahnfahrt nach Cividale. Karte Tabacco 047.
1. Tag, 20. Juni. Muggia. Auf der Piazza G. Marconi beginnt mein Weg in den Sommer 2006. Bedächtig gehe ich die ersten Schritte durch das lebhafte Dorf Richtung S. Barbara hinaus und auf Teerstraße mit rot-weißer Markierung und einer 1 hinauf in das hügelige Hinterland mit Landwirtschaft, Buschwald, kleinen leblosen Dörfern. Nach 1:30 Std. bin ich am Grenzübergang Rabuiese mit Autostraße und einer Bar. An der Theke der Bar stehen nervöse Autofahrer, ich setze mich hinten in den kühlen Gastraum. Am Beginn jeder langen Tour wird aufmerksam registriert und intensiv gefühlt. Da bin ich richtig froh, dass mich die Bedienung bemerkt hat und mir mit einem freundlichen Lächeln eine Fanta und ein Panini mit Schinken serviert. Ich kann die Stiefel ausziehen, die Füße unterm Tisch ausstrecken und mich zurücklehnen. Ah, ich bin wieder unterwegs, am Beginn meines 14. Sommers in Folge, der Diem geht wieder bergauf und bergab über alle Berge, wunderbar ist das, Freude pocht in der Brust.
Nach der Großbaustelle einer Autobahn geht es ab in den einsamen Buschwald. Fahrwege, Fußwege, Muliwege wechseln ab, es geht her und hin, auf und ab, ohne Wanderkarte hätte ich keine Chance. Der erste Bach am Weg sieht nicht gut aus, ich tauche trotzdem kurz ein, das Wasser ist viel zu warm um zu erfrischen. Beim Ort Dolina ist ein schattiger Wanderparkplatz mit einer eingefassten Quelle, der Sorgente Sgurenz. Zwei Frauen füllen gerade eine Menge Plastikflaschen auf, dann bin ich dran mit trinken, waschen, Flaschen füllen. Obwohl ich erst 3 Stunden unterwegs bin, habe ich schon einen großen Bedarf an Wasser und eine Riesenfreude mit der Quelle.
Es geht stramm bergauf zu einem Aussichtpunkt auf 403 m Höhe mit einem ersten Panoramablick auf Triest und die Bucht. In steiler Schotterflanke hinab zum Ort Bagnoli Sup. mit der ersten Hütte am Gelben Weg, dem Rifugio Mario Premuda (81 m). Das kleine Gasthaus hat nur 6 Schlafplätze, leider ist es wegen Ruhetag geschlossen. An der Hauswand ist eine große Via-Alpina-Infotafel montiert mit einer Wegbeschreibung (in fünf Sprachen): 1. zurück nach Muggia, 2. voraus nach Opicina. Ich studiere die Tafel und bin enttäuscht. Im Nachbarhaus frage ich nach Wasser, die Frau zeigt mir den Wasserhahn an der Außenwand des Rifugio, danke. Deutsche Urlauber beobachten mich, sie würden mich ins nächste Hotel fahren, nein danke, ich habe doch mein Zelt dabei. Dafür bietet sich eine Wiese neben dem Gastgarten an, und ein paar Minuten am Bach aufwärts ist die Gumpe für ein erfrischendes Bad.
2. Tag, 21. Juni Am Morgen weckt mich Vogelzwitschern, ich werde wach mit dem schönen Gefühl, dass ich wieder unterwegs bin, auf dem Erdboden liege, die frischeste Luft atme, völlig frei bin und gleich gehen kann, wie und wo ich will. Wegweiser mit einem kleinen Via-Alpina-Logo führen zum Ort hinaus. Überraschend alpin geht es im Val Rosandra auf einem Bergweg aufwärts, das V-Tal hat felsige Steilflanken, hat die Kapelle Santa Maria in Siaris und einen 36 m hohen Wasserfall. Nach dem kleinen versteckten Ort Bottazzo an der Grenze zu Slowenien Aufstieg zu dem Höhenzug mit dem M. Stena (442 m). Die Panoramaschau über das Val Rosandra hinweg auf Triest und die Küste ist sehr schön, ich setze mich und schaue lange auf das ungewöhnliche Motiv.
Weiter auf dem Höhenzug mit Wiese, Wald, leblosen Dörfern, einem Golfplatz ohne Golfspieler, mit gelegentlichen Ausblicken auf die Küste. Beim Queren einer Autostraße kommt von links ein Mann gegangen. Bravo, bravo ruft er schon von weitem. Gehen ist das Beste, sagt er in Deutsch, er macht jeden Tag einen flotten Spaziergang. Ich soll mich vor Zecken hüten, die vermehren sich hier explosiv. An der nächsten Straße ist ein Parkplatz mit einem Grillrestaurant, schon knurrt mein Magen. Leider geschlossen, wenigstens gibt mir ein Wasserhahn frisches Wasser für eine Suppe und einen Kaffee aus meinen Vorräten. Der nächste Aussichtspunkt ist 457 m hoch und bietet wieder ein Super-Panorama mit Triest und der Küste. Nach einer halben Stunde bin ich am Campingplatz Obelisco beim Dorf Opicina. Hier ist die Camping-Bar offen, ich trinke 2 l Fanta mit Wasser gemischt, bekomme einen Insalata mista. Nur fünf Minuten entfernt steht der Obelisco. Der Obelisk steht an einer Straßenkehre, hat einen Parkplatz daneben mit einem Traum-Ausblick auf die Küste. Leider ist es so stark diesig, dass Meer und Dunst eins sind, kein Horizont zeigt die Grenze zwischen Himmel und Wasserfläche an.
Wegen der Hitze und dem Wassermangel auf der folgenden Flachstrecke über das Karst fahre ich mit dem Zug nach Gorizia und übernachte in einer Pension. Noch sind keine Alpen zu sehen, also fahre ich weiter nach Cividale. Damit habe ich 94 km Weg erfahren und nicht begangen.
Julische Alpen
Cividale, Mataiur 1641 m, M. Guarda 1720 m, Resiutta, 50 Std. Gehzeit, 129 km Weg, 8 Tage. 18 km Busfahrt nach Tolmezzo. Karten: Tabacco 041, 027.
3. Tag, 22. Juni. Cividale ist eine historische Kleinstadt, noch im Flachland mit fruchtbarem Bauernland gelegen. Bei 32°C Aufstieg auf Straße in das bewaldete Hügelland und dem Wallfahrtsort Castelmonte (618 m), schön auf einer Bergkuppe gelegen und restauriert. Hier ist das Ziel der 5. Etappe am Gelben Weg mit Albergo und Gasthaus. Der Internetausdruck gibt hier z.B. ab Gorizia 15,5 km an, ich stelle nach Karte 43 km fest. Die Wegweiser ab hier haben ein kleines Logo mit V und A, darauf ist der linke Flügel des V in Gelb für den Gelben Weg. Sehr gespannt bin ich auf die Wegführung und die Infrastruktur in der einsamen und verlassenen Gegend.
Auf verwinkelten Wegen geht es rauf und runter, meist in Laubwald, die waagrechte und kürzere Autostraße meidend. Wehe, wenn hier ein Wegweiser fehlt. Am Weg liegt mal eine freistehende Kapelle, mal ein altes, fast verlassenes kleines Bauerndorf, mal mit Brunnen, mal ohne, d.h. Wassermangel. Außerhalb vom Dorf Grindovizza gibt es einen Brunnen, daneben eine Sitzbank und einen ebenen Grasflecken, ideal für eine Zeltnacht. Es ist 18.35 Uhr, 24°C warm, ich bleibe hier. Also kurz baden im Brunnen, das Zelt aufstellen, Tee machen, gemütlich speisen. Um 20.30 Uhr kommt eine Frau aus dem Ort mit einer Tasche voll Flaschen und füllt diese am Brunnen auf. Sie spricht deutsch, wundert sich über mein Zelt, fragt nach meiner Tour. Sie holt regelmäßig dieses Quellwasser, ihre Vorfahren wurden alt damit. Sie hat das Wasser prüfen lassen, es enthält viel Eisen und Magnesium. Weil der Behörde das Wasser aber nicht aus genügender Tiefe kommt, soll es nicht getrunken werden. Sie gibt zu, wenn es viel regnet, ist es schmutzig. Sie ist hier aufgewachsen, hat dann mit ihrer Familie in Rom gelebt und gearbeitet. Jetzt wohnt sie wieder hier, pflegt ihre alte Mutter. In den Dörfern hier leben nur noch wenige alte Leute. Nur noch einzelne Bauern bewirtschaften Felder, dichter Buschwald breitet sich aus. Hier wird ein slowenischer Dialekt gesprochen, denn das Land war vor 1947 slowenisch. Sie zeigt mir eine geologische Verwerfung in der Nähe, eine Abbildung davon ist in vielen Lehrbüchern zu sehen.
4. Tag, 23. Juni. Auf Bergweg und Fahrweg in Buschwald über das Dorf Tribil auf den bewaldeten Monte Cum (912 m). Abstieg zum Ort Rucchin, eine alte Frau mit Schweizer Dialekt ist gesprächig, sie hat hier her geheiratet. Neben der Kirche S. Volfango ist eine offene Osteria, im Dorf Clabuzzaro ist sogar ein Brunnen und eine Osteria. Um 11 Uhr treffe ich auf das Rifugio Casoni Solaríe (956 m), neu und gut. Die Seniorwirtin spricht auch deutsch und bewirtet mich mütterlich als einzigen Gast. Früher haben sie als Slowenen Deutsch gelernt, jetzt gehören sie zu Italien, sprechen daher Italienisch und Deutsch und ihren slowenischen Dialekt. Für den nächsten Tag hat sich eine Gruppe Bergradfahrer angemeldet zur Einkehr, die bringen etwas Leben ins Land.
Weiter geht es auf einem Höhenrücken mit der Grenze zu Slowenien, in Blumenwiesen mit Blick in die slowenische Bergwelt über mehrere Gipfel um 1100 m hoch, Abstieg zum bewohnten Bergdorf Topoló. Am Weiterweg habe ich plötzlich hohen Puls und schwache Beine. Bin ich krank von faulem Trinkwasser? Kein Platz fürs Zelt ist in der Bergflanke zu sehen, aber eine offene Almhütte liegt passend am Weg, da richte ich mir ein Lager im Heu ein.
5. Tag, 24. Juni. Am nächsten Tag geht es mir einigermaßen gut, möchte dennoch einen Ruhetag einlegen. Nach der Überschreitung der Bocchetta di Topolo (810 m) spricht mich im Ort Polava ein Deutsch sprechender Mann an. Er will mir ein Zimmer vermitteln, geht mit mir in das Nachbardorf Cepletischis (gesprochen Tscheplétiskis), auf dem Weg dahin berichtet er vom Land und den Leuten hier, er hat lange im deutschen Ruhrgebiet gearbeitet. Eine von zwei Ferienwohnungen im Ort ist frei, der Vermieter betreibt 2 km entfernt ein kleines Gasthaus. Er kocht für mich, seine Frau bedient, sie nehmen sich Zeit für eine gute Unterhaltung.
6. Tag, 25. Juni. Aufstieg zum Mataiur, nach Wegweiser auf Bergweg und Fahrweg in Wald und Blumenwiesen bergauf, der Gipfel mit Kapelle ist mit 1641 m Höhe herausragend, heute leider ohne Weitsicht bis zum Meer. 20 Leute mit Kindern tummeln sich hier oben an diesem Sonntag. Unterhalb auf 1325 m liegt das Rifugio Pelizzo, ist gut besucht, allerdings mit einem Parkplatz und vielen Autos vor der Tür. Am Weiterweg fehlt ein Wegweiser mit dem VA-Logo, beschwere mich deshalb bei zwei einheimischen Berggehern. Sie haben denselben Weg und erzählen mir viel Wissenswertes beim Abstieg zum Dorf Stupizza (203 m) am Fluss Natisone. Bei 35°C Hitze baden einige, viele sonnen sich auf den Kiesbänken.
Aufstieg in Wald zum Dorf Montefosca (707 m). Ein einfaches Gasthaus mit Brunnen ist hier, es gibt nur kalte Küche, es hat keine Betten zu vermieten. Ich suche noch den Weiterweg, zelte dann auf einer gemähten Wiese, werde beim Zeltaufstellen von einem Schwarm heftig beißender schwarzer Fliegen attackiert.
7. Tag, 26. Juni. Ohne Wegweiser nach Karte aus dem Dorf, am Abzweig von der Autostraße den winzigen Hinweis auf VA entdeckt, genug geärgert, schon gehen meine Beine wieder auf Hochtouren. Sehr verwinkelt im Laubwald über ein Grenzpostenhaus zu einem ausgetrockneten Bachlauf und bergauf zum Dorf Prossenico (553 m). Völlig verschwitzt freue ich mich riesig über den Brunnen bei der Kirche. Ein alter Mann schaut mir lachend zu und zeigt auf ein Gasthaus. Juhu, die Osteria ist offen, die Wirtin stellt sofort den Schrubber weg und macht ein großes Frühstück für mich. Sie spricht perfekt schwäbisch, denn sie war, wie die meisten hier, auch mal Gastarbeiterin. Fotos von 1946 hängen an der Wand, das blühende Dorf hatte damals 725 Einwohner, jetzt sind es noch 25 alte Menschen. Auf den Wiesen und Äckern ist inzwischen dichter Buschwald gewachsen.
An der Grenze zu Slowenien, freudig am Bach Natisone mit schönen Badeplätzen aufwärts, leidend über einen Geländerücken und durch einen Bacheinschnitt teils weglos und in Gestrüpp bei schweißtreibendem Tropenklima mit großer Lust auf Dusche, Bett und Essen zum Dorf Montemaggiore (795 m) mit Trattoria und Zimmer. Doch das Haus ist geschlossen. Chiuso bis 30.06. steht da an der Tür, das darf nicht wahr sein, es ist der 26. Bitter enttäuscht wasche ich mich notgedrungen am Dorfbrunnen, ein alter Mann verkauft mir drei Dosen Fanta, ungeniert stelle ich mein Zelt in den Schatten eines Hauses. Eine Ziege kommt vorbei, gehütet von einer Frau, auch die spricht gut Deutsch, nützt die Gelegenheit zu einer Unterhaltung und zeigt mir den Weiterweg.
8. Tag, 27. Juni. Schön geht es bergauf im Wald, ein Quellbach hat frisches Wasser, dann in Blumenwiese hinauf zu einem Joch und auf Grasrücken zur Punta di Montemaggiore (1613 m), sehe Rehe und Gämsen, habe vier Zecken am Bein. Rückblick über bewaldete Höhenzüge bis Castelmonte. Keine Wegweiser hier, also zurück zum Joch, langer Abstieg auf Bergweg in Bergwald zum Passo di Tanamea (851 m). Da ist eine Bar, da gibt es sicher was zu Essen. Leider gibt es nur Getränke. Auf bayrisch schimpfe ich zu einem Holzfäller hin, der versteht mich und schenkt mir seine Brotzeit. Der Mann hat zwei Jahre lang in Bayern Bäume gefällt und spricht bayrisch. Das Etappenquartier, ein Albergo in der Nähe ist noch geschlossen. Ich könnte zelten, brauche aber dringend Lebensmittel, sage ich ihm. Da organisiert er die Mitfahrt in einem Kleinbus, 14 km weit unten im Tal kann ich einkaufen und auch in einem Hotel übernachten.
9. Tag, 28. Juni. Der Wirt fährt mich am frühen Morgen gerne wieder hinauf zum Passo di Tanamea. Es wird spannend, die Etappe B 10 steht auf dem Papier mit 13:15 Std., 48 km Weg mit 2133 m Aufstieg und 2673 m Abstieg. Ich behaupte, das ist noch untertrieben. Eine so lange Etappe dürfte es gar nicht geben auf Via Alpina!
Auf gutem Bergweg über die Scharte Bocchetta di Zaiavor (1608 m) zum Almdorf St. Gnivizza (1077 m). Man hat mir gesagt, dass die Baita hier offen hat.
Aber sie hat wochentags zu, Bewirtung nur noch am Wochenende. Weil die Spüle im Freien ist, habe ich Wasser und das genügt mir. Dann wird es Ernst mit der Umrundung des Val Resia. Auf einem langen Kamm 4:15 Std. lang zum Talschluss mit dem M. Guarda (1720 m), mit einem fantastischen Ausblick, der Felsberg M. Canin steht gleich daneben. Kein Wegweiser mit VA-Logo ist hier, steige ich zur Alm Coot ab oder quere ich zum Bivacco Constantini? Ich erkunde das Bivacco, die übliche simple Blechtonne ist offen, hat 10 Lager, aber kein Wasser. Nach 35 Min. Abstieg kommt Wasser aus einem Schneefeld, bei der Alm Berdo di Sopra zelte ich nach gut 8:30 Std. Gehzeit. Ein Juhu Richtung Alm, es juchzt einer zurück! Aha, die Alm Coot ist in Betrieb und hat sicher Wasser.
10. Tag, 29. Juni. Bei der Alm Berdo steht das VA-Logo auf einem Wegweiser zur Coot Alm, also geht VA nicht über das Bivacco, sondern vom M. Guarda über die Alm Coot zur Alm Berdo. Weiter in der Bergflanke nach Wegweiser talaus, nach 45 Min. überrascht mich eine neue Selbstversorger Hütte auf 1440 m, die Casera Canin. Da sind eine Küche mit Holzherd und Essplatz, 2 Zimmer mit 7 Betten (ohne Decken) unterm Dach, Toilette und Dusche, leider läuft kein Wasser aus den Hähnen. Abstieg zum Ort Coritis (641 m), zumindest läuft Wasser im Brunnen. Anschließend soll ich nach Wegweiser mit VA-Logo einen Umweg in der Bergflanke über die Höhe 1112 m nach Stolvizza gehen. Das mache ich nicht mit, ich gehe auf der Autostraße ohne Verkehr 4,5 km zum bewohnten Dorf Stolvizza (573 m). Die Bar hat Ruhetag (wieder das Pech), aber das Alimentari hat zum Glück noch fünf Minuten offen für einen umfangreichen Einkauf. Hier gibt es kein Fremdenbett, Gasthaus und Zimmer wären 5 km entfernt im Dorf Prato, sagt mir der Mann im Laden.
Nach einem Wegweiser zur Stavoli Lom mit VA-Logo steige ich von Stolvizza auf, es war der letzte Wegweiser mit VA-Logo bis Resiutta! Ab einer Weggabel auf 1500 m Höhe Querung nach Karte in der Bergflanke mit schönem Blick in den Talschluss des Val Resia. Auf Forststraßen geht es in Wald endlos rauf, runter, her und hin. Endlich komme ich zur Sella Sagata (840 m) mit Kapelle, großer Wiese und Brunnen an einer Alpini-Hütte. Niemand da, es ist ideal zum Zelten, wieder 8:30 Std. gegangen.
11. Tag, 30. Juni. Wie bisher auf Forststraßen im Wald zum Ort Stavoli Ruschis. Hier geht ein Mann auf mich zu, ich zeige ihm die Karte, den eingetragenen Weg Via Alpina gibt es nicht, ich muss auf einem Traktorweg auf die Kuppe mit einem Funkmasten gehen, dann in Urwald hinunter nach Resiutta (315 m). Das große Dorf hat Hotels, Gasthäuser, Läden, Buslinien. Im Gasthaus rechne ich zusammen und vergleiche mit VA, Etappe B 10: Ich komme auf 20 Std. Gehzeit, 50 km Weg, 2826 m Aufstieg und 3362 m Abstieg, trotz verkürzter Strecke (VA: 13:15 Std., 48 km Weg mit 2133 m Aufstieg und 2673 m Abstieg).
Die nächsten Etappen Nr. 11 und 12 sind sicher sehr schön, aber sehr abgelegen mit zwei vollen Tagen für 18 km Talstrecke. Ich lasse sie aus und fahre mit dem Bus (18 km) zur Kleinstadt Tolmezzo (320 m). Meine Evelyn kommt per Bahn hier her, nun gehen wir zu zweit auf die Via-Alpina-Tour.
Südliche Karnische Alpen
Tolmezzo, M. Arvenis 1960 m, Ovaro, M. Pieltinis 2027 m, Forni di Sopra, Val Montanaia 2333 m, Calalzo di Cadore, 36 Std., 95 km, 6 Tage. Karten: Tabacco 013, 02.
12. Tag, 2. Juli. Tolmezzo, mit Bus 8 km nach Zuglio. Wir besichtigen die Ausgrabungsstätte eines Foro romano an der Via Julia Augusta, steigen dann auf Fahrwegen durch den Waldgürtel hinauf in ein ausgedehntes Almgebiet, gut beschildert mit VA-Logo. Da sind wir flott unterwegs, schauen abends vom M. Arvenis (1960 m) in die Runde, zelten gut bei einer Alm mit Wasser aus einer Quellfassung.
13. Tag, 3. Juli. Abstieg auf Fahrweg und Autostraße zum Dorf Ovaro (503 m), wir können einkehren und einkaufen, bei 33°C ist es schwülwarm. Aufstieg zum Dorf Mione, auf Fahrweg teils sehr steil bergauf zum Passo della Forcella (1824 m). Oben haben wir es angenehm luftig, kurze Gewitter lassen etwas Regen fallen, wir zelten gut an einem Rastplatz.
14. Tag, 4. Juli. Die Route quert lange in einem Höhenzug mit einem sehr schönen Weidegebiet, die Almen am Weiterweg heißen Malga oder Cásera, nicht alle sind in Betrieb. Die Casera Losa bietet Übernachtung und Essen, wir frühstücken hier. Zwei Stunden später verkauft uns die Casera Pieltinis Käse und eine Brotzeit. Die Etappenliste gibt das tief gelegene Dorf Sauris di Sotto (1205 m) als Etappenziel an, wir müssten am Morgen wieder aufsteigen. Wir planen anders, steigen auf den Gipfel des M. Pièltinis (2027 m) zu einer Rundum-Ausschau, gehen auf dem Höhenzug weiter zur Sella Festons (1850 m), steigen ab auf einem Fahrweg zum höher gelegenen Dorf Sauris di Sopra (1394 m). Wir kennen das Albergo Neider, können über Nacht bleiben und einkaufen.
15. Tag, 5. Juli. Der Höhenweg mit der VA von der Sella Festons über den M. Rioda zur Sella di Rioda war am Abzweig nicht beschildert, so gehen wir von Sauris di Sopra direkt auf der Autostraße im Steilhang hinauf zur Sella die Rioda (1800 m) und weiter in Almlandschaft über die Casera Razzo (Laden mit Lebensmittel) und die Forcella Tragonia (1973 m) nach Forni di Sopra (900 m). Der große Ferienort hat viel Betrieb, am Dorfplatz setzen wir uns gemütlich zu einem Espresso auf die Terrasse vor einem Hotel. Der Wirt ist clever, er bietet uns sein schönstes Zimmer verbilligt an. Schon schauen wir vom Balkon im 2. Stock begeistert über das Dorf hinweg ins Gebirge. In der Gaststube läuft die Fußball-WM am Fernseher, ohne uns.
16. Tag, 6. Juli. Bisher war niemand auf den Wegen unterwegs, erst hier sind einige Leute auf Tagestour mit uns im Aufstieg, obwohl die kleine Hütte Flaiban Paccherini oben im Kar geschlossen ist wegen Umbau. Wir schauen den Bauarbeitern zu bei unserer Rast, dann nach dem steilen Aufstieg in Schotter unterhält uns oben auf dem Passo del Mus (2063 m) eine lebhafte Steinbockfamilie. Der Abstieg geht auf einem neu ausgebauten Weg ins Tal, da staunen wir. Unten erfrischen wir uns im Bergbach, bevor er im Kiesbett versickert. Dann liegt die erste richtige Berghütte am Weg, das Rifugio Pordenone (1249 m). Zimmerlager, Hüttenmenü, Ratsch mit einem Deutschen auf dem Weg 6, noch ein Paar und eine Schulklasse übernachten hier.
17. Tag, 7. Juli. Ahnungslos gehen wir auf das Val Montanaia zu, wundern uns über mehrere Tagestouristen, die vom nahen Parkplatz aufsteigen. Beim Steilaufstieg zwischen den Felsfluchten wird die Sensation sichtbar, eine riesige Felsnadel, der Campanile di Val Montanaia steht frei und mitten in einem fantastischen Felsenrund, perfekt. Oberhalb vom Turm zieht flach ein Rücken mit grünem Gras hinter ins Kar, darauf steht eine rote Biwakschachtel, irre. Da machen wir Pause und staunen in die Runde. Wie die Leute nachkommen, steigen wir weiter zur Forcella Montanaia (2333 m).
Der Abstieg von der Forcella in dem sehr steilen Schuttkar mit 400 Hm, flankiert von senkrechten Felswänden geht an die Nerven. Wir müssen jeden Tritt mit den Stiefelsohlen aus dem harten Feinschotter herauskratzen, dürfen ja nicht stürzen, ohne Gehstecken-Stütze nicht denkbar. Erst im Mittelteil zeichnen sich Wegspuren ab die nach unten deutlicher werden. Gut, dass uns der Regenschauer erst nachher trifft, so fällt nur die Rast ins Wasser. Unter dem Vordach des Rifugio Padova (1287 m) erholen wir uns, die Hütte ist gut bewirtschaftet. Bei Regen haben wir einen langen Weg hinab zum Lago di Centro Cadore und weiter auf Straße nach Calalzo di Cadore (754 m). Hier wirbt das Hotel Ferrovia mit günstigen Preisen um Motorradfahrer. Der Wirt lacht, wie ich ihn darauf hinweise, dass wir Fußgänger noch ärmere Menschen sind als diese und gibt uns das Zimmer noch günstiger.
Dolomiten
Calalzo, Rif. Galassi 2018 m am Antelao, San Vito di Cadore, Forcella di Giau 2233 m, M. Pore 2405 m, Pieve di Livinallongo, Passo Pordoi 2239 m, Piz Boe 3152 m, Bindelweg, Fedaia See, Forcella di Marmolada 2896 m, Forcia Neigra 2509 m, Fontanazzo, Passo Antermoia 2770 m, Molignon Pass 2598 m, Schlern M. Petz 2564 m, Tiers, 47 Std., 109 km, 9 Tage. Karten: Tabacco 016, f&b WKS 5, WKS 1.
18. Tag, 8. Juli. Calalzo. Auf der Autostraße in das lange Val d’Oten, beim Ristorante alla Pineta parken all die Autos, die uns eben überholt haben. Auf einer riesigen Schotterfläche pilgern wir unter vielen Tagestouristen in den Talschluss mit der Capanna degli Alpini. Im Aufstieg über das Rif. Galassi zur Forcella Piccola (2120 m) sind wir wieder alleine, setzen uns ins Gras zu einer Pause mit Blick auf den Monte Pelmo. Ein Sessellift nimmt uns gegen Bezahlung ein Stück Abstieg ab und schon bummeln wir unter massenhaft Ausflüglern durch den Ferienort San Vito di Cadore.
Das nächste Ziel ist das Rif. Città di Fiume. Wir folgen dem Wegweiser [436 Rif. Fiume] mit VA-Logo, kommen aber zum Rif. Larin, einem Gasthaus ohne Übernachtung. Mich packt die Wut, mein Kartenstudium kommt zu spät. Weg 436 geht gar nicht zum Rif. Fiume, sondern der Weg 468 über Serdes! Merke: Traue nur der Karte und dem Kompass, schaue in die Karte bei jeder Gabelung. Wir zelten gut am Waldrand, es fehlt mir halt ein Teil der Etappe 19 und 20.
19. Tag, 9. Juli. Auf dem Weg 436 und stoßen wir nach 15 Min. auf eine private offene Biwakhütte mit Brunnen und Wiese. Den Brunnen nützen wir zum Waschen, Zelt und Schlafsack trocknen in der Sonne. Schön geht es auf einem bewaldeten Kamm mit kleinen Almhütten, Tobià genannt, hinauf, in Wiesen mit Edelweiß zur Malga Prendera (2148 m). Hier kommt der Gelbe Weg vom Rif. Fiume an. Aufstieg zur Forcella Ambrizzola (2277 m), hier steht ein Schild mit: Rif. Fiume chiuso! Also geschlossen, unglaublich. In einer fantastischen Landschaft mit Almweiden und einem Quellbach geht es weiter zum Passo di Giau (2233 m) mit Autostraße, Hotels, Gaststätten. Ein Regenschauer geht nieder, wir übernachten im Hotel Enrosadira.
20. Tag, 10. Juli. Beim Ort Fedare biegen wir von der Straße ab, gehen in Blumenwiesen hinauf zum Gipfel des M. Porè (2405 m), rundum stehen die Dolomiti, wunderbar. Über schön gelegene Almen zum Castello di Andraz, der Ruine von Schloss Buchenstein aus dem 11. Jh. Auf dem alten Karrenweg über das Dorf Andraz zum Ferienort Pieve di Livinallongo. Die Hotels reizen uns nicht. Mit dem Einkauf vom Supermarkt gehen wir weiter und zelten allerdings unangenehm in der Wildnis unten am Fluss, dafür gibt es viele reife Wald-Erdbeeren zu ernten.
21. Tag, 11. Juli. Aufstieg über das Dorf Ornella in das Liftgebiet oberhalb von Arabba, auf einem Höhenweg mit Blick auf den Sellastock queren wir unter Seilbahnen. Es kommen uns einige Bergradler entgegen auf einer Dolomiten-Runde, Fußgänger sind mit uns auf dem Weg zum Passo Pordoi (2239 m). Die Passhöhe ist zugeparkt mit Bussen und Autos, massenhaft Leute freuen sich über den schönen Tag in den Dolomiten. Schon vom Weg zum Passo sehen wir eine Gondelbahn zum Sellastock fahren, da kommt mir die Idee mit dem Piz Boè. Evelyn gefällt das auch, schon fahren wir mit der Seilbahn hinauf und übernachten oben im neuen Rif. Forcella Pordoi (2829).
22. Tag, 12. Juli. Am Morgen können wir lange vor dem Seilbahnbetrieb alleine auf den Piz Boè (3152 m) steigen und begeistert in die Runde schauen. Abstieg zum Rif. Boè zu einem Cappucino und einem Ratsch mit dem Wirt. Auf dem Rückweg kommen uns schon massenhaft Seilbahntouristen entgegen.
Zurück am Passo Pordoi studieren wir die Via-Alpina-Infotafel, gehen dann unter vielen Spaziergängern auf den Bindelkamm. Nach 2:15 Std. Gehzeit sind wir drüben am Fedaia See, aber die Einkehr am Beginn des Bindelweges im Rif. Frederola mit einem interessanten Paar aus Hamburg am Tisch hat lange gedauert. Ein aufkommendes Gewitter treibt uns kurz darauf in das neugebaute Rif. Viel del Plan, die Unterhaltung mit drei aus Bayern hier dauert auch länger. Endlich unten am Fedaia See (2054 m) müssen wir uns schnell für eine von zwei Routen entscheiden. Das Wetter scheint gut für uns, also nehmen wir die alpine Variante und steigen in der Abendsonne auf in Richtung Marmolada, zum Rif. Pian dei Fiacconi (2626 m). Die 20 Lager sind belegt, also zelten wir nach Rücksprache oberhalb der Hütte.
23. Tag, 13. Juli. Der Aufstieg zur Forcella di Marmolada (2896 m) in Schotter, im Schneefeld mit Steigeisen, im Steilfels am straffen Stahlseil gefällt uns. Ohne Rucksack wollen wir als Abstecher auf die Punta Penia, kehren aber wieder um. Ohne Klettersteigset besser nicht. Der Abstieg von der Forcella nach Süden überrascht uns, denn nach den Trittbügeln durch eine senkrechte Felswand in eine Steilrinne ist dort das Stahlseil noch unter Hartschnee. Also müssen wir zwischen Felswand und Eis in brüchigem Zeugs sehr steil absteigen. Evelyn kennt keine Furcht, sie drischt ihre Stiefel rein, steigt zügig ab. Ich warte bis sie in sicheres Gelände queren kann. Mit meinen 100 kg brutto bin ich im Nachteil, ich muss für die wenigen Höhenmeter ziemlich Schwitzen. Der Rest der Steilflanke lässt sich gut gehen, unten hat die Alm neben dem Rif. Contrin zur Belohnung eine Brotzeit für uns. Über den grünen Passo S. Nicolo und die schroffe Forcia Neigra (2509 m) gehen wir noch zum Almdorf Ciampac. Die Wirtin vom Almgasthaus bedient uns gerne, während ein Regenschauer niederprasselt. Der Wirt kann es nicht glauben, dass wir seine günstige Übernachtung ausschlagen und eine Zeltnacht am Weiterweg bevorzugen. Da oben auf dem Joch mit 2340 m war es dann wirklich schön mit Morgensonne im Zelt und mehreren Dolomitengiganten am Horizont.
24. Tag, 14. Juli. Gebirge sind so, man muss immer wieder runter und die Aufstiegsmeter verschenken, sagt meine Evelyn. Diesmal haben wir aber im Val di Fassa die Freude mit einer Waschmaschine, einem Trockner und einer Dusche. Die Signora vom Campingplatz hat uns dafür zwar € 17 abgenommen, aber das war es uns wert. Nach Waschpulver duftend gehen wir fröhlich weiter. Auf dem steilsten Fahrweg der Alpen schwitzen wir dann laut schimpfend hinauf zum Passo di Dona (2516 m), gleich dahinter ist das Rif. Antermoia (2497 m). Essen in der Hütte, dann abseits zelten in der Wiese mit Absprache, kein Problem. Die Mädels Evi und Dani aus Bayern erzählen uns von ihrer Klettersteigtour, dafür müssen sie sich unsere Geschichten anhören.
25. Tag, 15. Juli. Die Strecke im Rosengarten über Passo Antermoia (2770 m), Molignon Pass (2598 m), Tierser Alpl Hütte, Schlern Haus nach Tiers ist ein Höhepunkt des Gelben Weges, besonders bei so schönem Wetter wie wir es haben. Da freuen wir uns mit all den anderen Leuten auf den Aussichtspunkten. Hier bewegen sich auf allen Wegen Menschen mit kleinen Rucksäcken. Sogar Evi und Dani treffen wir wieder nach ihrer Tour, wir laden sie ein auf einen Cappo in der Tierser Alpl Hütte. Am Abend essen wir im Schlern Haus, biwakieren dann beim M. Petz (2564 m) sehr schön mit Blick in die Felsflanken des Rosengarten bei Abendsonne.
26. Tag, 16. Juli. Abstieg zum Almgasthaus Sessel Schwaige auf einem imposanten Knüppelweg. Das ist ein langer aus Balken und Prügelholz gebauter Viehtrieb zwischen den Felswänden der Schäufele Schlucht, drei Meter hoch über dem Bachbett. Dann queren und Aufstieg zur Tschafon Hütte (1738 m), die Tische sind voll besetzt. Das Ausflugsziel am Gipfel Tschafon ist beliebt, der Gipfel bietet einen Blick auf ganz Südtirol. Ohne Wegweiser suchen wir uns im Wegegewirr durch nach Tiers (1020 m). Der große Ferienort scheint ausgestorben bei 29°C, wir setzen uns zu den wenigen Gäste auf die Terrasse des Gasthauses Vajolett. Es ist Sonntag, wir müssten 4 Stunden auf den Bus nach Bozen warten. Die Bedienung ruft den Seniorwirt, der fährt uns gerne in seinem Kleinbus hinab nach Bozen.
Bozen liegt im Hitzedunst bei 35°C. Der Gelbe Weg führt weiter über die Haflingerweiden nach Meran, die Strecke kennen wir von zwei früheren Touren. Wegen der herrschenden Hitzewelle lassen wir die Etappen 27 und 28 aus, fahren per Bahn nach Meran und mit Bus hinauf nach Dorf Tirol. Direkt an der Bushalte bietet sich ein günstiges Zimmer an, wir machen große Wäsche und füllen dann Kalorien auf. Beim Kartenstudium macht Evelyn den Vorschlag, statt den Meraner Höhenweg zu gehen die Texel Gruppe zu überschreiten. Sehr gut, machen wir.
Texel Gruppe
Dorf Tirol, Spronser Seenplatte, Lazinser Rötlspitz 3037 m, Stettiner Hütte 2875 m, Atzboden 2450 m, Vernagt, 18 Std., 35 km, 3 Tage. Karten: f&b WKS 1, WK 251, WKS 2.
27. Tag, 17. Juli. Dorf Tirol. Aus dem Hitzekessel Meran Aufstieg in die Texel Gruppe, im ersten See der Spronser Seenplatte gleich schwimmen bei 20° Wassertemperatur, anschließend Einkehr beim vollbesetzten Oberkaser (2131 m). Weiter über den Grünsee und den Langsee zu den zwei Milchseen und hinauf zur Milchsee Scharte (2707 m). Da suchen hundert schöne Ziegen nach Gras, ein Mann bewohnt die Biwakschachtel. Abseits im Blockgewirr finden wir den ebenen Platz fürs Zelt mit Blick auf den Lodner und die Hohe Weiße.
28. Tag, 18. Juli. Mühsam gehen wir im Blockwerk zum Halsl Joch, legen den Rucksack ab und steigen im stufigen Fels zum Gipfel der Lazinser Rötlspitz (3037 m). Blick ins Texelgebirge und zu den Dolomiten, Gipfel definieren und zurück. Einige Leute sind von der Lodner Hütte heraufgekommen. Wir steigen zur Andels Alm ab, teils mit Ketten versichert auf zu einem Joch mit 2822 m, weiter durch einen Blockkar-Kessel mit schönsten farbigen Steinen zur Stettiner Hütte (2875 m) an der Hohen Wilde und am Meraner Höhenweg. Hier sind mehr Bergradler zu sehen als Berggeher. Mit Blick auf die Weiße und die Schwarze Wand gehen wir im Pfossental bergab. Auf einer Graskuppe ist der schöne Biwakplatz für uns, daneben plätschert ein Quellbach, dazu noch eine Stunde Abendsonne und wir sitzen happy angelehnt in unseren Faltsitzen mit Luftmatratzen.
29. Tag, 19. Juli. Auf dem Fahrweg ins Tal kommen uns scharenweise Fußgänger und Bergradler entgegen. Die Wirtin vom Gasthaus Jägerrast empfiehlt uns den Tisenhof über Vernagt zur Übernachtung und reserviert auch noch per Telefon für uns. Auf dem Weg über den Atzboden (2494 m) sind wir wieder allein, super ist der Ausblick von oben auf den Schnalser Kamm. Abstieg im Lärchenwald, am Gurschlhof läute ich an der Haustüre und bitte die Frau um Wasser aus der Leitung. Es ist unglaublich heiß mit 35 °C, unser Wasserbedarf ist entsprechend hoch. Im Dorf Unsere Frau kommt uns der Supermarkt gelegen, den Weg auf der Autostraße nach Vernagt verkürzt uns eine nette Autofahrerin aus Ostdeutschland. Kurzer Aufstieg zum Tisenhof, ein stolzer Bauernhof mit sonnengebräunten Holzbalken hoch über Vernagt gelegen mit einem wunderbaren Ausblick.
Die Bäurin vom Tisenhof erinnert sich an den Anruf von der Jägerrast, sie hat für uns ein Zimmer im Dachgeschoss mit Halbpension. Alles ist uriges Holz, krumm und schief und funktioniert doch. Der Hof wurde im 12. Jh. gegründet, zuletzt erweitert im 17. Jh. Es gibt ein reichliches Abendessen auf der Terrasse, dabei berichtet ein Wanderer aus dem Allgäu von seiner Tour ab Oberstdorf quer über die Alpen Richtung Meran. Sechs Tage lang hat sich der Walter geschunden bis an seine Grenzen, als Einzelgänger haben ihn die vielen geführten Gruppen genervt. Seine Frau ist mit dem Auto da, morgen früh fahren sie zurück. Noch ein Mann sitzt da mit seinem Abendessen, er hat es sich redlich verdient. Er ist Norddeutscher und macht hier ein paar Wochen den Knecht. Vier mal zwei Stunden am Tag hilft er mit in der Landwirtschaft, bekommt Bett und Essen dafür. Wichtig ist ihm sein freiwilliges Mithelfen auf dem Bergbauernhof, das macht er schon seit einigen Jahren. Der Abend ist fast zu kurz für die intensiven Gespräche, um Mitternacht sitzen wir immer noch ungewaschen da.
Ötztaler Alpen
Vernagt, Niederjoch 3017 m, Vent, Pitztaler Jöchl 2996 m, Geigenkamm, Wenns, Venet 2512 m, Zams, 53 Std., 102 km, 7 Tage. Karten: f&b WKS 2, WK 251, WK 351.
30. Tag, 20. Juli. Vernagt, Tisenhof. Nach dem Frühstück in der schönen Bauernstube steigen wir, nun wieder auf dem Gelben Weg mit VA-Logo an den Schildern hinauf in den Talschluss, in Blockkar und Fels zum Niederjoch 3017 m mit der Similaun Hütte. Wir geben den Weg frei für eine geführte Gruppe auf der sog. Panorama-Alpenüberquerung und eine geführte Gruppe von Bergradlern, die ihr Rad auf der Schulter tragen. Im Abstieg zur Martin Busch Hütte (2501 m) ist ein Wildbach zu queren, der Steg aus runden Balken ist überschwemmt und glitschig. Den Wirt der M. Busch Hütte geht das nichts an, die obere Hütte ist zuständig, sagt er mir. Auf Fahrweg bequemer Abstieg nach Vent (1896 m), wir bekommen trotz Hochsaison ein Zimmer. Das Dorf hier hat ein Problem, es ist seit Wochen zu heiß, die Gäste bleiben aus, die Gletscher sind weich und schmelzen weg, dadurch sind viele Gipfel nicht machbar.
31. Tag, 21. Juli. Der Panoramaweg zum Tiefenbach Ferner begeistert uns mit seinem Ausblick. Ab dem Weißkar kommen uns geführte Gruppen entgegen mit verschieden farbigen Mützen auf den Köpfen. Zu unserer Erheiterung, ist aber eine Erleichterung für die Gruppenführer, das leuchtet uns sofort ein. Der Großparkplatz am Skizirkus auf 2795 m ist ein Schock für uns. Nach 20 Min. im Straßentunnel kommt der 2. Skizirkus am Rettenbach Ferner mit Parkflächen und Großgaststätte. Da sitzen wir gut, während draußen ein Regenschauer nieder prasselt.
Der Gang über das Pitztaler Jöchl (2996 m) ist kein Problem, erst weglos im Blockkar, dann am Rand eines Schneefeldes gut hinauf. Toller Ausblick auf die Ötztaler Bergriesen. Erst kettenversichert im Fels, dann in einer Grasflanke bergab zur Braunschweiger Hütte (2758 m). Wir gehen vorbei und steigen im Gletscherschliff neben dem tosenden Wildbach hinab nach Mittelberg. Der Gelbe Weg geht im Pitztal zu Fuß oder per Bus weiter nach Wenns, ich aber möchte oben über den Geigenkamm nach Wenns gehen. Evelyns Urlaub ist aus, die Schönwetterphase ist vorbei, Regenwetter ist aufgezogen. Also fahre ich mit nach Hause um besseres Wetter abzuwarten.
32. Tag, 2. August. Braunschweiger Hütte. Meine bergtüchtige Schwiegertochter Beatrice will mitgehen über den Geigenkamm. Weil sie nur die eine Woche Zeit hat, sind wir trotz Regenwetter am Vorabend aufgestiegen. Wir haben in der Hütte übernachtet und den Rummel mit den vielen geführten Gruppen mitbekommen. Nur ein Tisch war frei für einige Führerlose wie uns. Wir hören, dass das Pitztaler Jöchl den Gruppenführern zu gefährlich ist, sie gehen zum Rettenbach Joch und fahren mit dem Sessellift hinab.
Um 10 Uhr hört endlich der Regen auf, bei Nebel gehen wir auf den Mainzer Höhenweg. Anfangs markierte Pfadspuren, auf dem Kamm im Blockwerk gut zum Wassertal Kogel (3247 m). Lücken im Nebel geben die Sicht frei auf die Berge reihum. In der Biwakschachtel machen wir lange Pause bei Suppe und Kaffee in dem Glauben, dass wir in 3 Stunden drüber sind. Doch es geht sehr anspruchsvoll weiter, weglos im Grobschotter, Mal mit Steigeisen, Mal den Weg suchen, Mal den spaltigen Gletscher umgehen, steile Felsrippen mit Drahtseilstrecken. Auf dem Weißmaurach Joch dunkelt es schon und auf dem Abstieg kann man auch nicht Tempo machen. Nach 9 Stunden Gehzeit erreichen wir um 21:30 Uhr die Rüsselsheimer Hütte (2323 m). Alle Fenster sind dunkel, wir müssen den Wirt rufen. Er hat noch einen Topf Gemüsesuppe für uns, bei einer Radlermass freuen wir uns über den gelungenen Tag. Am nächsten Morgen steht die Hütte im Schneeregen. Ab ins Tal, heimfahren und wieder abwarten.
33. Tag, 15. August. Rüsselsheimer Hütte. Endlich geht es weiter. Bei Föhnlage gehe ich mit meiner Evelyn über den Gahwinden (2649 m), das Kapuziner Joch (2710 m) zum Breitlehn Joch (2639 m). Da sitzen wir zur Pause noch gut im Gras, dann steigt Evelyn ab und fährt nach Hause. Ich gehe in die höhere Region mit 20 cm Neuschnee, teils konzentriert und mühsam durch Blockwerk zur Luibis Scharte (2914 m) mit Blick auf den imposanten Kaunergrat. Abstieg zum Hauersee Biwak, das ist mit 14 Leuten voll belegt. Sie würden schon Platz machen, nein danke. Noch eine Stunde gehen, dann stelle ich meine Stoffhütte auf einen Aussichtspunkt mit Blick auf die Stubaier Alpen.
34. Tag, 16. August. Der Aufstieg in der steilen Schrofenflanke zum Felderjöchl (2797 m) ist solide ausgebaut und versichert worden. Kein Problem mehr, jetzt rennen hier sogar die Ziegen rauf und runter. Flotter Abstieg zur Frischmann Hütte (2192 m), zu einem Frühstück. Der Weg über die Feiler Scharte (2926 m) ist schneebedeckt, wieder mühsames Tritte suchen im Blockwerk. Unterhalb geht es endlich flott hinab zur Ludwigsburger Hütte (1935 m), bleibe über Nacht.
35. Tag, 17. August. Über den Gemeindekopf (2771 m) mit fantastischem Ausblick und vorbei am idyllisch gelegenen Großsee zu einer Seilbahn-Mittelstation, mit der Gondel hinab nach Jerzens, mit dem Bus weiter nach Wenns am Gelben Weg.
Fazit: Statt 1 Stunde Busfahrt im Pitztal bin ich über den Geigenkamm gegangen in 3 1/2 Tagen mit 28 Std. Gehzeit auf 42 km teils schwierigen Bergwegen mit 4438 Hm Aufstieg und 5196 Hm Abstieg.
Am Spätnachmittag steige ich von Wenns auf Richtung Venetberg, etwa 20 Alpenüberquerer kommen mir entgegen. Die Larcher Alm macht ein gutes Geschäft mit ihnen, mit mir auch. Dafür zelte ich auf dem obersten ebenen Grasflecken kostenlos mit fantastischer Aussicht auf den Geigenkamm.
36. Tag, 18. August. Am Morgen habe ich die Sonne im Zelt, als erster und einziger stehe ich dann auf dem Venet (2512 m) bei wunderbarer Stimmung mit Sonne und sturmgetriebenen Wolken. Da ist ein nagelneues Gipfelbuch. Als erster trage ich mich in das erst am Vorabend heraufgebrachte Buch ein. Seite 1, ganz oben, der erste Eintrag: Hans Diem aus Garmisch-Partenkirchen auf Via Alpina Gelber Weg von Triest nach Oberstdorf am 36. Tag. Hans Diem der Erste, juhu!
Im Abstieg zur Seilbahn am Krahberg kommt mir schon die erste geführte Gruppe auf der Panoramaroute entgegen. Statt drei Stunden Abstieg in bewaldeter Bergflanke lasse ich mich in 10 Minuten von der Seilbahn hinab tragen nach Zams im Inntal.
Lechtaler Alpen
Zams, Seescharte 2599 m, Memminger Hütte, Bach, Holzgau, 9 Std., 22 km, 2 Tage. Karte: f&b WK 351.
18. August, Zams. Auf einem ausgesprengten Almweg in steiler Felsflanke hoch über dem Lochbach steige ich zur Oberloch Alm auf, weiter steil bergauf in die Seescharte (2599 m). Es ist 19 Uhr, hinter mir ist schönstes Wetter, vor mir ist dichter Nebel, und in mir ist eine irre Freude. Die Füße auf dem Boden, die Arme zum Himmel: Hanse wo bist du, mitten im Gebirge, juhu! In die wunderbare Stimmung singe ich das Largo von Händel hinein, nach beiden Seiten. Dann der Abstieg in den Nebel, auf dem ersten Wiesenflecken stelle ich meine Stoffhütte auf, mache mein eigenes Süppchen und schlafe in frischer Bergluft mit Bachrauschen.
37. Tag, 19. August. Am Weiterweg frage ich den ersten Aufsteiger, wie die Nacht war auf der Memminger Hütte. „Ach, den Lärm in der Hütte nimmt er in Kauf, er kann da eh nicht schlafen. Wichtiger ist ihm, dass er im Gebirge sein kann für ein paar Tage.“ Der Weg hinunter im Erlengebüsch ist sehr ausgewaschen, bei der Material-Seilbahn wartet schon ein Taxibus, ich fahre mit zum Dorf Bach im Lechtal. Im Gasthaus Grüner Baum steht noch der Rest vom Frühstücksbüffet, für € 6.20 lassen mich die Kellner nehmen so viel ich will. So kann ich richtig Tempo machen auf den Talwegen nach Holzgau.
Allgäuer Alpen
Holzgau, Mädelejoch 1973 m, Kemptner Hütte, Oberstdorf, 7 Std., 23 km, 2 Tage. Karte: f&b WK 351.
38. Tag, 20. August. Von Holzgau (1114 m) auf einem Fahrweg ins Höhenbachtal hinein zur Rossgumpen Alm, auf Bergweg hinauf zum Mädelejoch (1973 m), kurz hinab zur Kemptner Hütte (1846 m). In dem großen Haus sammeln sich die geführten Gruppen zur Alpenüberquerung. Tausende werden inzwischen jeden Sommer nach Meran geführt, es hat sich auf hohem Niveau eingependelt, sagt mir der Mann an der Theke. Am Bachlauf mit Lawinenresten steige ich ab, in Spielmannsau treffe ich mich mit Evelyn. Am nächsten Morgen gehen wir zusammen bei Regenwetter über das historische Almdorf Gerstruben nach Oberstdorf (813 m) hinaus. Beim eisernen Wilden Männle auf dem Bahnhofsplatz machen wir bei Regen die letzten Fotos vom Gelben Weg. Im Ort suche ich vergeblich nach einem Hinweis auf Via Alpina. Hier geht der Rote Weg durch, es kommen der Violette und der Gelbe Weg an, doch es gibt keinen Hinweis darauf, nicht mal im Verkehrsamt.
Bei heftigem Dauerregen fahren wir nach Hause. Nach zwei Tagen bin ich wieder zurück in Oberstdorf und gehe zum Abschluss des Sommer 2006 noch auf dem Violetten Weg der Via Alpina nach Garmisch-Partenkirchen, 38 Std., 109 km, 6 Tage. Für den Sommer 2007 bietet sich der violette Weg durch Österreich an, von Slowenien hinauf zum Königsee und dann noch nach Garmisch-Partenkirchen, das wäre doch was für den Diem und seine Evelyn.
Zusammenfassung:
Via Alpina Gelber Weg von Muggia bei Triest am Mittelmeer über Friaul:
Muggia, Val Rosandra, Mont Stena 442 m nach Opicina, 60 km Bahnfahrt nach Cividale. 9:20 Std., 31,5 km, Aufstieg 1040 m, Abstieg 669 m.
Julische Alpen:
Cividale, Castelmonte 618 m, M. Cum 912 m, Klabuk 1114 m, Nagnoi 1192 m, Mataiur 1641 m, Punta di Montemaggiore 1613 m, Bocchetta di Zaiavor 1608 m, M. Guarda 1720 m, Colle Curnic 1238 m, Resiutta, 18 km Busfahrt nach Tolmezzo. 49:30 Std., 129,5 km, + 7802 m, - 8105 m.
Südliche Karnische Alpen:
Tolmezzo, M. Arvenis 1960 m, M. Pièltinis 2027 m, Forc. Tragonia 1973 m, Passo del Mus 2063 m, Forcella Montanaia 2333 m, Calalzo. 35:40 Std., 95 km, + 6524 m, - 6055 m.
Dolomiten
Calalzo di Cadore, Forc. Piccola 2120 m, Forc. di Giau 2360 m, Pore 2405 m, Passo Pordoi 2239 m, Piz Boè 3152 m, Bindelweg, Forc. di Marmolada 2896 m, Passo di S. Nicolo 2340 m, Forcia Neigra 2509 m, Passo di Dona 2516 m, Passo Antermoia 2770 m, Molignon Pass 2598 m, Petz 2564 m, Tiers, 45 km Bus- und Bahnfahrt nach Meran und Dorf Tirol. 46:30 Std., 109,5 km, + 7070 m, - 7404 m.
Texel Gruppe
Dorf Tirol, Spronser Seenplatte, Lazinser Rötel 3037 m, Eisjöchl 2895 m, Atzboden 2450 m, Vernagt. 18:05 Std., 34,5 km, + 3372 m, - 3218 m.
Ötztaler Alpen
Vernagt, Niederjoch 3017 m, Vent, Pitztaler Jöchl 2996 m, Wassertal Kogel 3252 m, Luibis Scharte 2914 m, Felderjöchl 2797 m, Feiler Scharte 2926 m, Gemeinde Kopf 2771 m, Wenns, Venet 2512 m, Zams. 52:45 Std., 101,5 km, + 10 205 m, - 8665 m.
Lechtaler Alpen
Zams, Seescharte 2599 m, Bach, Holzgau. 8:45 Std., 21,5 km, + 1902 m, - 1145 m.
Allgäuer Alpen
Holzgau, Mädelejoch 1973 m nach Oberstdorf. 7:00 Std., 23 km, + 1030 m, - 1334 m.
Gegangen von Hans Diem Dauer: 38 Tage, 227:35 Std., Distanzen: 546 km, + 38945 m, - 36595 m.
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 22 - April 2007
Auf historischen Pfaden über die
Alpen
In einer gemischten Gruppe von
Innsbruck nach Meran –
Von Hartmut Wagner
Treffpunkt
12 Uhr am Hauptbahnhof in Innsbruck – für Alfred aus Innsbruck, Martina,
Abteilungsleiterin in der “Agentur für Arbeit” in Nürnberg, Elfriede,
Verwaltungsleiterin in Waren/Müritz,
Nisachon (Anne), Geschäftsführerin einer thailändischen Gaststätte in München,
Sophie, Kindergärtnerin in Allschwill (Schweiz), Christoph, Musiklehrer in
Hildesheim, Werner, Gasingenieur im Saarland, Gerhard, Architekt in
Frankfurt/Main, Walther, Pensionär in Friedebach bei Sayda und meine Wenigkeit,
Hartmut, Bürgermeister i. R. in Sayda im Erzgebirge.
Zunächst geht es mit dem Linienbus
vorbei am “Berg Isel” und über die “Europabrücke” in Stubaital. Wir kommen im
Stubaital an der Haltestelle “Grawa-Alm” an und unsere Wanderung beginnt. Sie
führt entlang des Wilde-Wasser-Weges hinauf zur “Sulzenau Hütte”. Auf einer
Wegelänge von nur sechs Kilometern sind 660 Höhenmeter zu bewältigen.
Der steile Weg nach oben geht an den
“Grawa Wasserfällen” vorbei, die jetzt gerade außergewöhnlich viel Wasser
führen. Dieses Tauwasser kommt von den starken Schneefällen, welche noch im Mai
in den Alpen fielen. Deshalb steht auch die Alpenrose noch in voller Blüte, die
mit ihrem leuchtenden Rot ganze Steilhänge bedeckt.
Unsere erste Rast machen wir in 1857 m
Höhe auf einer Alm, jedoch nur kurz, denn es ziehen Gewitterwolken auf. Nach
zwei Stunden Gehzeit fängt es an zu regnen und ein Erster aus unserer Gruppe
„schwächelt“: Walther, mit dem ich 2004 in den Dolomiten unterwegs war, klagt
über Schmerzen im Fuß. Glücklicher Weise ist aber nun die “Sulzenau Hütte” (2191
m) in Sicht.
2. Tag: In den Stubaier
Alpen
Frühstück 7.30 Uhr,
Walther klagt immer noch über Schmerzen im Fuß. Mit dem Hubschrauber geht es für
ihn zurück (Diagnose Knochenentzündung, wie wir später erfahren).
Der „Rest“ der Gruppe startet über den “Stubaier Höhenweg” hinauf zum “Peiljoch”
auf 2.676 m Höhe. Vor uns liegt eine Wegelänge von 9 Kilometer mit einem
Aufstieg von 850 m und einem Abstieg von 650 m.
Herrlicher Blick über den “Sulzenauferner” und hinüber zur 3.474 m hoch
gelegenen “Ruderhofspitze“.
An
meinem Wanderrucksack flattert eine kleine Sachsenfahne mit dem Wappen der Stadt
Sayda - und beim Aufstieg zur
“Dresdner Hütte” treffen wir einen Vater mit seinem Sohn. Sie kommen aus
Freiberg in Sachsen und kennen natürlich auch meine Heimatstadt Sayda - wie
schön.
Die Mittagspause machen wir auf der “Dresdner Hütte” (2308 m), bevor es dann mit
dem Lift zum Eisgrat in 2850 Meter Höhe geht und zur etwa 3 Kilometer langen
Strecke über den “Schaufelferner Gletscher” vor. Doch zunächst geht hinauf zur
“Jochdohle” (3200 m) der höchstgelegenen Skihütte Österreichs.
Die
Masten der “Eisjochbahn” sind mit einem dicken Vlies abgedeckt. Dieser soll das
Schmelzen des Eises etwas verzögern, damit die Gletscherbahn im Sommer länger
betrieben werden kann.
Wieder fängt es an
zu regnen, die Temperatur liegt bei gefühlten 2 Grad plus. Langsam wird uns
allen hier auf 3.149 Höhenmetern die Luft etwas knapp. Der Abstieg geht über das
“Bildstöckljoch” von 3.128 m
hinunter zur “Hildesheimer Hütte” (2.890 m).
Etwas erschöpft - aber glücklich
erreichen wir nach 8 Stunden Gehzeit die vor uns liegende Hütte und werden vom
lustigen Hüttenwirt Gustl und seiner Familie freundlich empfangen.
3.
Tag : Abstieg ins Ötztal
Wir
verlassen die Gletscherwelt der “Stubaier Alpen” und steigen von der
“Hildesheimer Hütte” 1.500 Meter auf dem “Aschenbrennerweg” hinunter ins
romantische “Windbachtal” ab.
Es fängt an zu regnen, wir erreichen
wieder die Wachstumsgrenze und wandern dann durch blühende Bergwiesen bis hin
zur “Lochle Alm” (1.843 m), die wir zur Mittagspause erreichen. Unser Weg führt
uns weiter über die “Brunnenbergalm” nach Sölden, der Tourismusmetropole
inmitten einer großartigen Bergwelt.
Nach einer Wegelänge von 13 km und einer
Gehzeit von 6 Stunden erreichen wir in Sölden die Pension “Fiegel”, wo wir den
Komfort des Tales genießen, der uns nun nach zwei Hüttennächten geboten wird.
4.
Tag : Am Ötztaler Panoramaweg
Mit einem Kleinbus geht es über die Mautstraße des Rettenbachtals hinauf zum
“Tiefenbachgletscher” (2.739 m).
Wir wandern
teilweise in und über den Wolken am “Panoramaweg”, der seinem Namen alle Ehre
macht, ca. 10 km in Richtung Bergsteigerdorf Vent. Am “Weißkar” auf 2.656 m
machen wir Rast an einem kleinen Bergsee und treffen dort mehrere Wandergruppen
u. a. auch Schüler einer Klasse des Gymnasium Oberstdorf, welche ebenfalls die
Alpen überqueren. Und weiter geht es bergab am Steilhang des Venter Tal. Die
Sonne meint es gut mit uns, es wird immer wärmer, und wir machen Pause an der
“Koner Rinne”.
5. Tag : Zur Fundstelle
des Ötzi
Abmarsch 8.30 Uhr bei hellem
Sonnenschein. Aufstieg von Vent über den “Ötztaler Jungschützenweg” zur “Martin-
Busch Hütte”.
An der “Schäferhütte” (2.230 m) staunen
wir über das Leben eines Schäfers in dieser Höhe - er hat an seiner Hütte
Schädelknochen von Gämsen und Schafen ausgestellt. Weiter geht es zur
“Martin-Busch-Hütte“.
Nach der Mittagspause gehen wir weiter
zur “Similaun-Hütte”, 3.019 m über NN und überschreiten die Grenze zwischen
Österreich und Südtirol. Wir kommen am ehemaligen Zollhäusel vorbei und weiter
geht es über die Ausläufer des “Similaun-Gletscher“ in Richtung “Hauslabjoch”.
Wegen des nassen Schnees gehen wir nicht
zur Fundstelle des Ötzi, sondern gleich zur “Similaun-Hütte”. Nach einem
Tagesmarsch über 15 Kilometer und einem Aufstieg von 1.450 Metern erreichen wir
diese gegen 16 Uhr.
Martina ist überglücklich über ihre
Überschreitung von einigen “Dreitausendern”
und wir alle haben vom heutigen Tag noch nicht genug. Noch vor dem
Abendbrot klettern wir auf eine Felsspitze, den so genannten “Jochköpfel“, wo
wir von 3.143 m Höhe wenigsten hinüber zur Fundstelle des Ötzi schauen können.
6.
Tag : Ins Südtiroler Schnalstal
Wie jeden Tag, 8.30 Uhr Abmarsch von der
Hütte. Den Abstieg ins Südtiroler “Schnalstal” machen wir auf einem alten
Passweg von 3.019 m Höhe auf 1.698 m, also 1.300 m und auf einer Wegelänge von
nur 6 Kilometern.
Nach der hochalpinen Region erreichen
wir wieder die Wachstumsgrenze und dann die kleine Ortschaft Vernagt, gelegen am
“Lago di Vernago”, einem Stausee mit fantastisch blauem Wasser.
Nach 4-stündiger Gehzeit kommen wir in
Vernagt an und unsere
Alpenüberquerung ist beendet.
Ein
Kleinbus bringt uns zur Mittagszeit ins sonnige Meran.
Hier bedanke ich mich in meiner
Eigenschaft als “Bundeswander-wart des Erzgebirgsvereins e. V.” bei meinen
Wanderfreunden, überreiche allen einen Flyer des Erzgebirgsvereins e. V. und
natürlich die Wandernadel des EV e. V. Wir sitzen noch lange mit anderen
Wanderfreunden zusammen. Das Dorf Tirol, hoch über Meran gelegen, leuchtet in
der Abendsonne und alle sind ein wenig traurig, dass diese fantastische
Wanderung zu Ende ist.
Wieder zu Hause lese ich bei der
Zeitungsschau meiner Regionalzeitung “Freie Presse” einen Artikel vom 05.07.10:
“Aussichtsplattform AlpspiX am Osterfeldkopf übergeben”. Im Artikel steht, dass
man auf 2050 Metern Höhe und auf zwei Stahlarmen, die 13 Meter über den Abgrund
ragen, einen Ausblick in fast 1.000 Meter Tiefe hat.
Kletterer protestierten gegen den Bau,
indem sie unter der Aussichtsplattform ein Transparent angebracht haben mit der
Aufschrift: “Unsere Berge brauchen keine Geschmacksverstärker”.
Ich stimme diesem Spruch unbedingt zu,
denn unsere kleine Wandergruppe hat bei der Alpenüberquerung “Von Innsbruck nach
Meran” mehrmals 1.000 Meter in die Tiefe geschaut - aber nicht von einer
Aussichtsplattform, sondern stehenden Fußes, auf einem schmalen Gebirgspfad.
“Nur wo du zu Fuß warst, warst du
wirklich.“
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 33 - Dezember 2010
40 Jahre Traumpfad von München nach Venedig
Von Dr. Stefan Lenz
2013
ist ein besonderer Jahrestag für den Traumpfad München-Venedig. Nach gründlicher
Planung im Jahr 1972 brach sein Entdecker Ludwig Graßler 1973 das erste Mal auf
um auf diesem Weg die Alpen zu überqueren. Er scheiterte bei diesem ersten
Versuch auf der Alpensüdseite am Nevegal an schlechtem Wetter und
gesundheitlichen Problemen und musste den Weg nach Venedig mit dem Bus
fortsetzen. Anlässlich des 40. Jahrestags der ersten Begehung des Traumpfad
führte uns dieses Jahr der Mai- Ausflug des Freundeskreises Traumpfad
München-Venedig nach Belluno und zum Nevegal.
Was ist der Traumpfad?
Die Fernwanderung von München nach Venedig führt über 28 Etappen über die
Alpen. Dabei sind mehr als 500 km und 20.000 Höhenmeter zu überwinden. Der
besondere Reiz dieser Fernwanderung liegt in der Vielfalt. Wir durchwandern den
Alpenraum und passieren dabei viele der landschaftlichen und bergsteigerischen
Highlights in den Ostalpen. Viele Bergwanderer haben die einzelnen Touren als
Tages- oder Wochenendtouren schon kennengelernt, sie waren schon auf der
Birkkarspitze oder in der Sella. Auf der Komplettbegehung des Traumpfads fügen
sich diese Puzzelsteine dann zu einem Gesamtbild zusammen und man lernt die
Alpen in ihrer ganzen
Schönheit und Vielfalt kennen.
Voralpenland
Entlang des Gebirgsflusses Isar
verlassen wir die Stadt. Die ersten Etappen des Traumpfads führen durch das
Voralpenland mit seinen Moränenhügeln und grünen Weiden zu den Städtchen
Wolfratshausen und Bad Tölz. Als erste Bergtour besteigen wir einen der
Münchner Hausberge, die Benediktenwand, und kommen dann hinab in den Talgrund
der „schönen Jachenau“.
Karwendel
Durch das Rißtal sind wir zum kleinen Ahornboden gewandert. Hier steht das
Denkmal von Herman von Barth, der im 19. Jahrhundert diese Bergregion
erschlossen hat. Die Königsetappe steht uns bevor. Mit ihren 2749 m ist die
Birkarspitze der höchste Gipfel des Karwendels. In der Ferne erahnen wir das
Inntal. Zwei Tagesetappen brauchen wir noch, bis wir „den grünen Inn“ erreichen
und in Hall oder Wattens Quartier machen.
Zentralalpen
Gleich zwei Wege führen uns aus dem Inntal hinauf in die Tuxer und
Zillertaler Alpen. Traumpfad-freunde streiten sich gelegentlich, was die
schönere Variante ist, die Via Alpina über den Glungezer oder der Lizumer
Zirbenweg. Mit dem neu angelegten Höhenweg über die Olpererhütte zum
Pfitscherjoch entstand erst im Jahr 2004 eine Alternative zu Ludwig Graßlers
Originalweg über die Dominikus-hütte am Schlegeis-Speichersee. Auf einsamen
Wegen über das wenig bekannte Gliderschartl erreichen wir schließlich das
Pustertal.
Nördliche
Dolomiten
Die Südtiroler Dolomiten sind ein Tummelplatz deutscher und österreichischer Touristen. Wir kennen die großen Wahrzeichen: den Peitlerkofel, die Sella und den Bindelweg mit seinem spektakulä-
ren Blick auf die Marmolada.
Südliche Dolomiten
Die Bergregion südlich von Alleghe wurde erst spät erschlossen. Solleder
durchstieg die 1000 m hohe Wand der Civetta erstmals 1925 und in manchen
Gebieten des heutigen Nationalpark Belluneser Dolomiten gab es vor den 1960er
Jahren kein durchgehendes Wegenetz. Große Einsamkeit und landschaftliche
Schönheit erwarten uns am südlichen Alpenrand.
Italienische
Voralpen und Piave
Manch einer bricht die Tour in Belluno ab, denn die Ebene will er sich
schenken. Dabei ist das italienische Voralpenland, die „Dolci Colline
Trevigiane“, nicht weniger reizvoll als sein bayrisches Pendant. Die Weinberge,
durch die wir ziehen, sind die Heimat des Prosecco. Wie zu Beginn der Tour
begleitet uns ein Gebirgsfluss, der Piave, auf den letzten Etappen. Am 27.
Wandertag erreichen wir die Lagune und tags darauf das Meer. Badetouristen
bestaunen uns mit unseren Wanderrucksäcken und den schweren Schuhen.
Der
Jahrestag und unsere Maifahrt
Ludwig Graßler beschreibt in seinem 1977 erschienen Buch die erste Begehung
folgendermaßen: „Am 8. September 1973 war es dann endlich soweit. An einem der
schönsten Plätze Oberbayerns, dem Tölzer Kalvarienberg, verabschiedeten die
Wolfratshauser Jagdhornbläser (...) zwei Dutzend Wanderer. (...) Am 28.
September erreichte ich mit einer kleinen Gruppe Belluno. (...) Vom Nevegal, dem
letzten alpinen Höhenrücken, stiegen wir in den Verkehrskessel Vittorio Veneto
hinab. Nach tagelangem Regen mit Schneefall in den Dolomiten hatten wir nun
erneut schlechtes Wetter. (...) bei mir machten sich erneut die Folgen eines
leichten Muskelanrisses bemerkbar. (...) So mussten wir vier Wandertage vor dem
Ziel aufgeben.“. Erst auf
der Begehung im Folgejahr bei herrlichem Wetter gelang es die Strecke komplett
zu gehen.
Den Maiausflug dieses Jahr hatten wir seit dem November geplant. 30 Teilnehmer fuhren unter der Führung unseres Wanderfreundes Konrad Fischer und von Ludwig Graßler an den südlichen Alpenrand. Konrad hatte dankenswerterweise die Organisation übernommen. Nach eine Stadtführung in Belluno wanderten wir am zweiten Tag ein Teilstück über den Nevegal und zum Col Visentin, wo besonders Ludwig Graßler von den Wirtsleuten herzlich begrüßt wurde. Vor 40 Jahren war er bereits einmal hier gewesen und hatte nach dem Abstieg die Entscheidung treffen müssen die Tour abzubrechen um mit den Bus nach Venedig zu fahren. Heute ist die Wanderung populärer denn je. Mehrere Hundert Wanderer machen sich jedes Jahr nach Süden auf und ein großer Teil
wandert auch hinter Belluno
weiter bis nach Venedig.
Für Ludwig Graßler ist diese Entwicklung ein großer Triumph. Leider hat der
Traumpfad trotz der großen Popularität nach wie vor nicht den Status eines
europäischen Fernwanderwegs. Er ist nicht durchgängig markiert, obwohl
Enthusiasten, wie die Wirtsleute am Col Visentin, in ihren Bereichen für
Markierung und Information sorgen.
Wandertreffen und weitere
Informationen
Wandertreffen: Jeden 8.8.
um 8 Uhr organisieren wir ein Treffen der Venedigwanderer auf dem Marienplatz in
München. Es ist keine Anmeldung erforderlich. Wir begrüßen die Wanderer, die an
diesem Tag nach Venedig oder nach Prag aufbrechen. An ungeraden Jahren, also zum
Beispiel dieses Jahr, begleiten wir die Venedigwanderer eine Etappe lang, an
geraden Jahren die Pragwanderer. Das Wandertreffen ist keine organisierte
Wanderveranstaltung, sondern ein Treffen von Gleichgesinnten. Wer eine
organisierte Wandergruppe sucht, kann sich zum Beispiel an den DAV Summit Club
wenden.
Herbsttreffen: Am 8.11. ab
18 Uhr findet das Herbsttreffen im Hofbräuhaus statt. Auch hier ist keine
Anmeldung erforderlich. Üblicherweise treffen wir uns im Wappensaal. Neben Dia-
oder Filmvorführungen stehen Gespräche und der Informationsaustausch im
Vordergrund. Alle ehemaligen Venedigwanderer und alle, die sich für den
Traumpfad interessieren sind herzlich eingeladen.
Weitere Informationen zu den Wandertreffen (z.B. das aktuelle Programm)
finden sich auf der unten angegebenen Webseite, auf Facebook unter
www.facebook.de/muenchenvenedig oder unter
wandern@muenchenvenedig.de.
Informationen und Literatur:
www.muenchenvenedig
bietet weitere Informationen über den Weg und ist ein Forum zum Austausch mit
anderen Venediggehern. Literatur: „Traumpfad München-Venedig“, ISBN
978-3-7654-4971-0 im Bruckmann Verlag.
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 41 - August 2013
Die Bonner Hütte am
Toblacher Pfannhorn
Von Thomas Striebig
Ein Hüttenporträt in einer Informationsschrift für Weitwanderer? Ja, was
soll denn das? Aber in diesem Fall, finde ich, ist es doch angebracht. Erstens,
weil bisher kaum jemand die wieder aufgebaute Bonner Hütte am Toblacher
Pfannhorn in Südtirol kennt. Zweitens wegen ihrer einmaligen Geschichte.
Drittens, weil sie ein wahres Schmuckstück ist und mit einer famosen Aussicht
überwältigt. Und viertens, weil – damit sind wir wieder beim Thema – unweit der
Bonner Hütte der alte, jetzt wieder gut ausgebaute und markierte Bonner Höhenweg
beginnt und die Deferegger Alpen, auch Villgrater Berge genannt, für den
Liebhaber mehrtägiger
Touren somit bedeutend aufgewertet werden.
Deferegger Alpen? Was soll denn das schon wieder sein? Ein südlicher
Ausläufer der Hohen Tauern, nicht mehr zum Nationalpark gehörend und deutlich im
Schatten etwa der Venediger- und Rieserfernergruppe stehend. Sie bestehen noch
aus Urgestein, weisen unzählige hohe Gipfel auf, aber „hoch“ ist hier relativ:
Sämtliche Berge „verhungern“ beim Bestreben, die magische Dreitausendergrenze zu
erreichen. Ein halbes Dutzend etwa ist höher als 2900 m, höchste Erhebung ist
die Weiße Spitze mit 2962 m. Die Gipfel erscheinen oft nicht sehr markant, schon
gar nicht, wenn man sie mit den benachbarten Dolomiten vergleicht – zumeist
Kuppen mit vielen Bergwiesen, oben aber
auch unendlichen Schuttfeldern.
Gletscher? Fehlanzeige. Nur wenige Hütten bieten Unterkunft, eine Durchquerung
des Gebiets war bis vor kurzem fast nur mit dem Zelt möglich (und übrigens gar
nicht so übel, weil die unzähligen Bergseen viele Zeltplätze bieten, aber ohne
einen guten Orientierungssinn und ein gerüttelt Maß an alpiner Erfahrung war und
ist ein solches Unternehmen nicht ratsam). Also lauter „Nichts“, die viele dazu
bewegen, doch lieber in den bekannteren Gebieten der Umgebung Touren zu machen.
Umso besser – wenn Wanderer ihre Ruhe haben wollen, dann sind sie in den
Deferegger Alpen bestens aufgehoben.
Zurück zur Bonner Hütte. Wenn man in Osttirol diesen Namen nennt, glaubt
fast jeder, man meine die Bonn-Matreier Hütte am Venediger-Höhenweg, oberhalb
von Virgen gelegen. Unsere Bonner Hütte liegt jedoch auf 2340 m Höhe nördlich
über Toblach, an einem lawinensicheren Südgrat des Toblacher Pfannhorns. Bereits
1897 wurde sie erbaut, und zwar von den Sektionen Bonn und Hochpustertal des
damaligen Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Wirtschaftlich war sie
zunächst eher ein Flop – obwohl in den Anfangsjahren sogar die Möglichkeit
bestand, die Hütte mit kleinen Kutschen zu erreichen, registrierte man kaum
Übernachtungen, lediglich eine gewisse Anzahl Tagesgäste. So weit,
so gut und noch nichts Besonderes.
Dann kam aber der Erste Weltkrieg und die Bonner Hütte wurde geschlossen –
immerhin waren die auf der anderen Seite des Südtiroler Pustertals gelegenen
Dolomiten Frontgebiet. Nach 1918 teilte sie das Schicksal aller deutschen und
österreichischen Alpenvereinshütten in Südtirol und dem Trentino: Sie wurde vom
italienischen Staat enteignet. Während aber beispielsweise die Hütten in den
Dolomiten dem Club Alpino Italiano übergeben und von diesem bald wieder
bewirtschaftet wurden, blieben die grenznahen Hütten unter militärischer
Kontrolle und dienten als Unterkunft für Soldaten oder auch Zöllnern. Bei der
Bonner Hütte war dies bis 1971 der Fall,
danach wurde sie sich selbst überlassen.
Wie
es in den Jahrzehnten danach in der Hütte aussah, ist unbeschreiblich; am besten
betrachtet man sich die vielen Fotos auf
www.bonnerhuette.it.
Erstaunlicherweise blieben Mauerwerk und Dach die ganze Zeit über so gut wie
intakt, aber innen war alles verfallen. Lange wurde die Hütte als Stall für das
Almvieh genutzt.
Im neuen Jahrtausend entstanden allmählich Pläne, die Hütte wieder instand
zu setzen. Zum Glück fand sich in dem Tischler Alfred Stoll ein im positiven
Sinn Verrückter (die Zeitschrift ALPIN zitiert ihn mit den Worten: „Andere haben
einen Ferrari, ich habe eine Hütte!“). Was für eine Arbeit es alleine schon war,
den meterhohen Schmutz des Almviehs zu beseitigen und zu entsorgen, übersteigt
fast schon menschliche Vorstellung. Stoll, unterstützt von Freunden, meisterte
nicht nur diese Aufgabe, sondern machte das Innere der Hütte mit unendlicher
Liebe zum Detail auch zu einem wahren
Juwel – urgemütlich, dabei den neuzeitlichen Ansprüchen durchaus genügend. Sogar
eine warme Dusche findet man. Das Niveau der Verpflegung liegt deutlich über dem
Durchschnitt des von Hütten Gewohnten; die Schlutzkrapfen mit Parmesankäse oder
die Tiroler Knödel aus Buchweizenmehl muss man kennen lernen. Und mehr noch:
Stoll, der sich über viele Jahre als Mitwirkender bei sehr ambitionierten
Theater- und Kabarettprojekten einen Namen gemacht hat, verleugnet auch dort
oben keineswegs seine Liebe zur Kleinkunst. Die Hüttenterrasse eignet sich
bestens für musikalische, kabarettistische oder schauspielerische Darbietungen –
solange kein südalpiner Regenschauer dazwischenfunkt. Fünfzig oder sechzig
Zuschauer fasst eine kleine Tribüne; während der Darbietungen haben sie die
Sextener Dolomiten mit Dreischusterspitze und Drei Zinnen vor Augen.
Überhaupt
die Aussicht! Um es kurz zu machen: Von der Hüttenterrasse aus überblickt man
das tief unten liegende Toblach, vor allem aber alles, was in den nördlicheren
Dolomiten irgendwie Rang und Namen hat: Sextener, Monte Cristallo, Dürrenstein,
Hohe Gaisl, Seekofel, Fanes, Marmolata, Geislerspitzen, Peitlerkofel … Und wer
den gut einstündigen, ganz unschwierigen und nur etwas steilen Aufstieg zum
Hüttengipfel, dem 2663 m hohen Toblacher Pfannhorn, anschließt, dem öffnet sich
auch der Blick nach Norden, auf Hochgall, Dreiherrnspitze, Großvenediger und und
und.
Am
Toblacher Pfannhorn beginnt der altehrwürdige, jetzt wieder ohne Schwierigkeiten
begehbare Bonner Höhenweg, der über viele Stunden auf Höhen um 2500 m verbleibt.
Ein kleines organisatorisches Problem wäre für den Begeher von Mehrtagestouren
dann aber die nächste Übernachtung: Spätestens am eindrucksvollen Schwarzsee
muss man ins Osttiroler Villgratental absteigen, genauer, zur Unterstalleralm,
und zusehen, eine Fahrmöglichkeit nach Innervillgraten zu finden – denn an der
Unterstalleralm kann man zwar evtl. (!) eine Almhütte mieten, findet aber in der
Jausenstation Unterstalleralm kein Quartier. Oder man steigt schon vorher über
Bad Kalkstein nach Innervillgraten ab, wo es
übrigens auch eine Selbstversorgerhütte des AVS (Alpenvereins Südtirol) gibt,
die Friedl-Mutschlechner-Hütte. Am Tag danach könnte man über die unter
Denkmalschutz stehende Oberstalleralm, ein einzigartiges Ensemble von 18
Almhütten und einer kleinen Kapelle auf 1884 m Höhe, hinüber zur Volkzeiner
Hütte gehen. Von dort – nicht ganz einfach – auf die Nordseite der Deferegger
Alpen hinüber, zur Bloshütte und von dieser hinab nach Hopfgarten im
Defereggental. Man könnte auch von der Unter- und Oberstalleralm nach St. Jakob
in Defereggen gelangen. Unter anderem – denn das Wegenetz in diesem Gebirge ist
für ein Hochgebirge relativ dicht, das nicht allzu schroffe Gelände, das aber
gleichwohl nicht zu unterschätzen ist, lässt viele „wanderbare“ Übergänge zu.
Also – auf in die Deferegger Alpen – und vor allem auf die Bonner Hütte!
Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 41 - August 2013
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