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 am:   23.02.16

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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W a n d e r b e r i c h t e  -  T s c h e c h i e n

 

 

Inhaltsverzeichnis:      Vom Riesengebirge zum Altvatergebirge - 

                                  Auf dem Fernwanderweg von Heidelberg

                                  nach Budapest

                                  Von Wolfgang Melhun

 

                               •  Wanderparadiese und Schlaraffenländer:

                                  Tschechien und Slowakei - Auf in den Osten

                                  Von  Günther Krämer

 

                               •  Vom Altvater in die Kleine Fatra - 

                                  Auf Fernwanderwegen von Heidelberg

                                  nach Budapest

                                  Von Wolfgang Melhun

 

                               •  Von Obstknödeln, Bushaltestellen und "hot and fruity"

                                  Mitgliederwanderung 2013: 150 km auf dem EB in Tschechien

                                  von Hrensko (Böhmische Schweiz nach Bily Ptotok (Isergebirge)

                                  Von Katharina Wegelt

 

 

Vom Riesengebirge zum Altvatergebirge

Auf dem Fernwanderweg von Heidelberg nach Budapest

 

Von Wolfgang Melhun

 

Samstag, 21.08. Zugfahrt Heidelberg – Trutnov (Trautenau)

 

Pünktlich um 7:00 Uhr trafen sich im Heidelberger Hauptbahnhof die Wandergruppe. Über Stuttgart-Nürnberg-Pilsen ging es zunächst nach Prag. Im Hauptbahnhof tauschte man Euro in tschechische Kronen. Mit 1:30 war der Kurs noch wie im Vorjahr. Schwarzhändler, die Kurse von 1:42 anboten, sorgten für Amüsement. Auch ein Nachtsichtgerät wurde uns für 25 € angeboten. Weiter ging die Fahrt nach Chlumec nad Cidlinou. Dort stiegen wir um in die „Ferkelbahn“ nach Trutnov (Trautenau). Sie hält im wahrsten Sinne an jeder Milchkanne und fährt nicht sehr schnell. Dadurch lässt sich das Leben in Wald, Feld und in den Dörfern gut beobachten. Fast jedes Haus hat einen Garten mit Gemüse, Obst und Blumen. Häuser mit sozialistischem Grau werden glücklicherweise immer seltener. Großflächige Wiesen und Felder wechselten sich mit Fichten-, Tannen- und Birkenwäldern ab. Das Getreide war noch nicht abgeerntet. Weiße Plastikballen aus Gras lagen verstreut oder auf Haufen zusammen. Kleine Fabriken waren selten. Die tschechische Bahn arbeitet noch mit sehr viel Personal. Es gibt noch Schaffner, Fahrkartenverkäufer und jeder Bahnhof hat einen Stationsvorsteher mit einer roten Mütze auf dem Kopf, von uns „Rotkäppchen“ genannt. Insgesamt sind die Züge, Technik und Bahnanlagen veraltet.

 

Sonntag, 22.08. Trutnov (Trautenau) – Broumov (Braunau)

 

Nach einem sehr guten Frühstück und der Mitnahme einer Vesper für das Mittagessen – das Hotel „Adam“ kann man weiter empfehlen – ging es frühmorgens wieder zum Bahnhof. Schlecker, Lidl, Wüstenrot und ABB, solche bekannten Namen sind in Tschechien längst vor Ort. Auch dieses Jahr wurden wieder Glücksmünzen von der Brücke kurz vor dem Bahnhof in den Fluss geworfen. Mit der Ferkelbahn fuhren wir dann zu den Adršpašsko skály (Adersbacher Felsen). Der Himmel war mit schwarzen Regenwolken bedeckt, aber es blieb den ganzen Tag über trocken. Mittags schien sogar manchmal die Sonne.

 

In Nordostböhmen zwischen den Kämmen des Riesen- und Adlergebirges liegen die Adersbacher und Wekelsdorfer Felsen, eine einzigartige Felsenstadt. Durch das ausgedehnte Labyrinth der Felsentürme mit tiefen und kühlen Schluchten windet sich der Fluss Metuje (Mettau) hindurch, der hier unweit seiner Quelle eher noch ein Bach ist. Obwohl die Felsenstädte als Naturschutzgebiete gesetzlich streng geschützt sind, kann jeder Besucher ihre Schönheit dank einem touristischen Rundweg bewundern, der die interessantesten Aussichten und Stellen umfasst.

 

Die Wanderung begann an einem wunderschönen See, in dem sich die hohen Felsgebilde und der Wald spiegelten. Kleine Abstiege wechselten mit längeren Aufstiegen, unterbrochen von Aussichtsplattformen. Wasserfälle und kleine Seen sorgten für Abwechslung.

 

Viele berühmte Persönlichkeiten haben die Adersbacher Felsenstadt besucht. Auch der geologisch sehr interessierte große Dichter Goethe war hier. Eine Bronzebüste erinnert heute noch an ihn. In früheren Zeiten suchten die Menschen Schutz in den Felsen, wenn Krieg herrschte. Die Sandsteinfelsen gelten auch als Paradies für Kletterer aus der ganzen Welt. Schwarzstörche, Eisvögel und Fischreiher gibt es hier in den Sümpfen. Bussard, Falke und Habicht leben in den Felswänden. Farnkräuter, Heidekraut, Preisel- und Heidelbeeren, Buchen, Birken und Fichten wechseln sich ab. Die meisten großen Felsen haben phantasievolle Namen, wie „Geier“, „schlafender Schwan“, „Rübezahls-Backenzahn“, „Zahnstocher“, „Karl IV.“, „Pfarrer“ und „Messdiener“, „Dragonerhelm“, „Liebespaar“. Nicht immer war die Übereinstimmung von Felsen und Bezeichnung vorhanden. Die Phantasie hat hier oft etwas nachgeholfen.

 

Auffallend an diesem Sonntag waren auch die vielen polnischen Besucher – vor allem Familien – im Naturschutzgebiet. 15 angenehme Kilometer waren wir heute gewandert.

 

Mit der Ferkelbahn fuhren wir dann nach Broumov (Braunau). Übernachtet wurde hier in der ehemaligen Fabrikantenvilla „Veba“, heute Hotel und Restaurant. Die Villa liegt inmitten eines schönen Parks mit Wasserbecken.

 

Montag, 23.08. Broumov (Braunau) — Náchod (Nachod)

 

Montags morgens ging es nach dem Frühstück gleich zur Sache. Der Aufstieg in die Broumovské steny (Braunauer Felswände) mit ca. 12 – 15 kg Gepäck auf dem Rücken brachte uns ganz schön ins Schwitzen. Zunächst ging es steil bergauf zum Kirchlein „Stern“ auf dem Berg Hvezda. Mit einer Schulklasse, ca. 13-14-jährige Schüler, lieferten wir uns ein kleines Wettrennen. Im Vergleich mit den Jungen schnitten wir Alten dabei gar nicht schlecht ab. Oben wurden wir mit einem herrlichen Rundblick auf das Riesen-, Glatzer- und Adlergebirge belohnt. Der Wettergott war uns heute wieder hold. Es war sonnig und auch von den Temperaturen her ideales Wanderwetter. Auf dem Berg liefen wir dann auf schmalen Pfaden durch Felsen weiter, immer wieder boten sich schöne Aussichten.

 

Zu erwähnen sind auch die vielen Informationstafeln und Hütten zum Ausruhen für Wanderer, auch die Wege waren gut ausgeschildert, sehr oft in Deutsch, so dass wir eigentlich immer richtig auf dem Weg blieben. Bildstöcke und Kapellen waren oft erneuert und sauber angestrichen. Unsere Wanderstrecke an diesem Tag betrug 22 km. Das letzte Stück bis zu unserem Tagesziel Náchod fuhren wir mit dem Bus. Durch die Fußgängerzone gelangten wir dann zum Marktplatz. Hier übernachteten wir im Jugendstilhotel „U Beránka“ („Zum Lamm“). Wir erfuhren zu unserer Überraschung, dass in Náchod die Heidelberger Druckmaschinen AG eine größere Werksniederlassung hat.

 

Náchod ist die Stadt des Jugendstils. Besonders das Rathaus am Marktplatz ist ein Prunkstück. Dieses Jahr wird die Stadt 750 Jahre alt. Eine Reihe von Konzerten und Veranstaltungen sind deshalb geplant. Überragt wird die Stadt von einem mächtigen Schloss.

 

Dienstag, 24.08. Náchod – Deštné v Orlických horách (Deschney)

 

Bei schönem Wetter stiegen wir morgens die Treppen hinauf zum Schloss der Stadt. Die ehemalige Burg Karls IV., auf dem Weg von Prag nach Breslau weilte er öfters mit seinem Hofstaat hier, ist frisch renoviert und verfügt auch über ein ansehnliches großes Gartengelände.

 

Für uns war jedoch das Gehege mit den zwei Braunbären besonders anziehend. Wahrscheinlich, weil auf dem Fernwanderweg E3 bald die slowakische Grenze überquert wird und dort in der Kleinen bzw. Hohen Tatra Begegnungen mit Braunbären nicht selten sein sollen. Kurse, wie man sich Braunbären gegenüber verhält, werden deshalb empfohlen.

 

Nach der Rückkehr in die Stadt wanderten wir im schönen Laubwald an dem Flusse Metuje (Mettau) entlang. Als wir einige Kilometer von der Stadt entfernt waren, sahen wir größere Mengen von Forellen, auch einen Angler mit Fliegenköder. Bald war unser Ziel „Nové Mesto nad Metují“ (Neustadt an der Mettau), die Stadt auf dem Berg, erreicht. Zwei große steinerne Braunbären bewachen dort das Tor zum Schloss. Auf einer Mauer stand eine ganze Reihe lustiger barocker Zwergenfiguren.

 

Leider verstanden wir bei der Führung auf Tschechisch so gut wie nichts. Eine Beschreibung der einzelnen Räume auf Deutsch erhielt jedoch jeder von uns. Die riesigen Deckengemälde, Kachelöfen, Geweihe, Fürstenbilder, Mosaikwände, Schlafzimmer und Esszimmer des Adels sind sehenswert.

 

Im Schlossgarten mit vielen Rosen und Buchsbäumchen ist vor allem die alte Holzbrücke über den einstiegen Schlossgraben sehenswert.

 

Ein Blick vom Turm des Schlosses auf die mittelalterliche Altstadt beendete den Rundgang.

 

Anschließend machten wir einen Bummel über den viereckigen Marktplatz mit Arkadengängen. Überall waren Kneipen und Geschäfte. Im Hinterhof eines Cafes wurden auf einer Großleinwand die Olympischen Spiele in Athen übertragen.

 

13 km betrug die heutige Wanderstrecke auf sehr angenehmen Wegen dem Fluss Mettau entlang.

 

Mit dem Bus fuhren wir dann ins Orlické hory (Adlergebirge) nach Deštné v Orlických horách (Deschney), wo wir in der Pension „Arnika“ übernachteten.

 

Da wir viele Fische in der Mettau gesehen hatten, war klar, was es zum Abendessen geben sollte. Die Forellen in einem Lokal neben unserem Gästehaus schmeckten ausgezeichnet.

 

Mittwoch, 25.08. Deštné v Orlických horách (Deschney) - Řičky (Ritschka)

 

Deštné v Orlických horách im Orlické hory (Adlergebirge) ist ein kleiner Wintersportort mit zahlreichen Skiliften. Bei kühlerem, aber trockenem Wetter, marschierten wir morgens zunächst an einem Skilift steil hoch, etwa 400 Höhenmeter mussten bewältigt werden, bis wir auf dem Gipfel des 1.115 m hohen Velká Deštná (Deschneyer Großkoppe) standen. Viele Steinpyramiden, die Ortsnamen darstellten, waren hier oben unterhalb eines Hochstandes von verschiedenen Besuchern aufgehäuft. Dunkle Regenwolken hingen am Himmel, aber Petrus öffnete die Schleusen glücklicherweise nicht. Im weiteren Verlauf der Strecke trafen wir dann auch auf Waldgebiete, die abgestorben waren, wie im Riesengebirge. Kahle, dürre Baumstümpfe – ein anklagendes Bild. Wir durchquerten auf schmalen Pfaden kleine Hochmoore mit seltenen Tieren und Pflanzen. Die Fernsicht zum Eulengebirge und Glatzer Schneegebirge war ausgezeichnet. Gelegentlich informierten, auch in deutscher Sprache, Hinweistafeln über Flora und Fauna dieser Gegend. Heidelbeeren, Himbeeren und Walderdbeeren am Wegesrand mundeten uns vorzüglich. Kurz vor dem Ziel, das Hotel „Michal“ in Řičky (Ritschka), wurde es noch einmal anstrengend. Das Hotel „Michal“ wird von einem dynamischen jungen Wirt geleitet, der kräftig in die Zukunft investiert. Das Tagespensum betrug 21 km.

 

Donnerstag, 26.08. Řičky (Ritschka) — Králiky (Grulich)

 

Der Koch des Hotels fuhr uns zunächst mit seinem klapprigen Lada wieder zurück auf den Kammweg. Von dort war es nicht mehr weit bis zur Artilleriefestung „Hanička“ (Herrenfeld). Im Hof der Festung stehen ein sowjetischer T 34 Panzer und verschiedene Geschütze des Zweiten Weltkriegs. Wir schlossen uns einer Führung – auf Tschechisch - durch die Anlage an, die 18 Meter tief unter der Erde stattfand. Die Festung wurde 1936 bis September 1938 für 426 Soldaten erbaut. Am 10.10.38 wurde sie im Zuge der Sudetenkrise der deutschen Reichswehr übergeben. Die 110 mm Flakgeschütze waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht montiert. Die Anlage ist ein Teil der ca. 10.000 Bunker, die die Tschechoslowakei in der damaligen Zeit gegen das deutsche Reich errichtete. Man erwartete den Angriff aus Schlesien.

 

Bis 1974 war die Festung nach dem Zweiten Weltkrieg frei zugänglich, wurde 1974 von den Kommunisten reaktiviert (Atomkriegsgefahr) und ab 1995 kann sie wieder von der Bevölkerung besichtigt werden. Auch an den nächsten beiden Tagen sahen wir immer wieder Bunker, besonders in der Gegend von Králiky (Grulich). Von Hanička (Herrenfeld) aus ging es leider meistens auf Asphaltwegen weiter. In meinem linken neuen Wanderschuh hatte ich eine Druckstelle und musste meine Turnschuhe anziehen. Mit den Wanderschuhen in der Hand – die Höchststrafe für einen Wanderer — dazu der heißeste Tag, nur Teerwege, ging es bei mir mit gedämpfter Stimmung weiter. Mehrfach führte der Weg unmittelbar an der tschechisch-polnischen Grenze entlang. Wir kamen durch kleine Dörfer mit schlechten Busverbindungen. Land- und Forstwirtschaft bestimmt das strukturschwache Gebiet. Nach 27 km Fußmarsch erreichten wir erschöpft endlich Mladov (Wichstadt). Von dort ging es weiter mit der Ferkelbahn nach Králiky (Grulich), 5.000 Einwohner. Schon bei der Einfahrt in den Bahnhof grüßte rechts oben eine Wallfahrtskirche mit Kloster, der Hora Matky Boží (Muttergottesberg). Übernachtet wurde im Hotel Zlatá Labuť („Goldenen Schwan“) direkt am Marktplatz. Das gehobene Ambiente des Hotels mit seiner klassizistischen Fassade tat uns nach dem anstrengenden Tag besonders gut.

 

Freitag, 27.08. Králiky (Grulich) — Návrši Chata am Králický Sněžnik
(Grulicher Schneeberg)

 

Am Morgen ging es mit dem Taxi auf den Hora Matky Boží (Muttergottesberg). Leider war es oben sehr neblig, so dass der Blick auf die Stadt und die Umgebung nicht möglich war. Die Kirche ist im barocken Stil erbaut. Ein Kreuzgang mit vielen Nebenaltären schließt sich an. Fast von jedem Heiligen gibt es große Gemälde zu besichtigen. 1950 wurden die Geistlichen in der CSSR in einer Art „Konzentrationslager“ interniert, u. a. auch auf dem Muttergottesberg. Sie lebten hier unter der Oberaufsicht kommunistischer Kommissare und mussten schwer im Wald, auf den Feldern und in den Viehställen des Grulicher Staatsgutes arbeiten. Erst von 1960-65 wurden sie entlassen. Die Wallfahrtskirche wurde erst im Jahre 1968 nach dem 2. Weltkrieg, zur Zeit des Prager Frühlings, der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Renovierungen werden bis heute noch auch von Spenden ehemaliger deutscher Bewohner bestritten.

 

Im strömenden Regen brachte uns dann das Taxi Dolni Morava konečná (Mohrau) an den Fuß des Králický Snežnik (Grulicher Schneeberg). Regen, Regen war an diesem Tag unser ständiger Begleiter. In einem langen Anstieg mussten zuerst 600 Höhenmeter bewältigt werden. Oben ging es auf einem schmalen, wurzelreichen Pfad weiter. Überall Pfützen und Schlamm. Ein heftiger Wind brachte ständig neue Regenschauer. Absterbende Bäume, verursacht durch das schlesische Ruhrgebiet, weit und breit. Mit unseren weiten Regenumhängen bot sich uns in dieser gottverlassenen Gegend ein gespenstiges Bild. Unterhalb des Králický Snežnik (Grulicher Schneeberg) sehen wir zum ersten Mal auf dieser Wanderetappe das Wanderzeichen für den Europäischen Fernwanderweg E3 (Santiago de Compostela zum Schwarzen Meer).

 

Froh, dem schlechten Wetter entronnen zu sein, erreichten wir nach 16 km die Bergbaude „Návrši“ Chata“. Teilweise durchnässt, sogar die Wanderschuhe waren innen feucht, hieß es zunächst einmal Kleidung und Schuhe trocknen. Die warme Kartoffelsuppe und der heiße Tee mit Slibowitz weckten aber schnell wieder unsere Lebensgeister.

 

Von der Hütte aus bietet sich ein schöner Blick auf den Altvater und die Stadt Staré Mesto (Mährisch Altstadt). Eine Frau zeigte uns einen großen Korb mit Maronen, Butter- und Steinpilzen. Auf einem krummen Baum sah ich einen Baummarder. Die Baude war voll belegt und bei Gitarrenmusik wurde es ein schöner

Abend.

 

Samstag, 28.08. Návrši Chata – Ramzová (Ramsau)

 

Bedecktes, aber gutes Wanderwetter erwartete uns am nächsten Tag. Nach einigen steilen Auf- und Abstiegen ging es ca. 5 km auf einem weichen schmalen Laubwaldpfad eben den Berghang entlang. Wohl mit einer der schönsten Wege auf der ganzen Strecke. Mountainbiker und andere Wanderer waren ebenfalls zahlreich unterwegs.

 

Auch ihnen war die Schönheit dieses Landstrichs nicht verborgen geblieben. Nach einer Ruhepause an einer Hütte führte uns ein lange aufwärts führender Höhenweg zur Horsky hotel Paprsek (Schlesierhütte), 1.030 m hoch. Die Schlesierhütte wurde 1932 vom deutschen Touristenverein aus Staré Mesto (Mährisch Altstadt) erbaut. Wir freuten uns schon auf eine warme Suppe, denn hier war die einzige Einkehrmöglichkeit an diesem Tag. Wegen einer Hochzeitsfeier im Hause gab es jedoch für uns nichts zu essen, sondern nur Getränke. Wir genossen noch etwas den schönen Fernblick und wanderten dann nur noch abwärts nach Ramzová (Ramsau). Die letzten acht Kilometer waren zu unserer „großen Freude“ geteert, wir durchquerten einen Wintersportort mit einigen Skiliften und Pensionen.

 

Ramzová (Ramsau), 760 m hoch, liegt an einer eingleisigen Bahnstrecke nach Hanušovice (Hannsdorf) bzw. Krnov (Jägerndorf). Übernachtet wurde im vierten Stock des Hotels

„Neubauer“. Da wir tagsüber viele Hirschspuren im Wald fanden, gab es Hirschbraten zum Abendessen. 25 km waren wir an diesem Tag marschiert und legten uns deshalb bald schlafen.

 

Sonntag, 29.08. Ramzová (Ramsau) — Kurzovni pod Pradědem

Heute stand sie an, die Königsetappe: Der Aufstieg zum Praded (Altvater), 1491 m hoch. Er ist der höchste Berg Schlesiens und Mährens. 22 anstrengende Wanderkilometer lagen vor uns. Es war sonniges schönes Wetter, mittags war es sogar 24° warm. Abends hatte ich sogar einen leichten Sonnenbrand.

 

Los ging es von Ramzová (Ramsau) mit der Seilbahn. 500 Meter wurden mit dem Sessellift auf den Serák (Hochschar) überwunden. Herrliche Rundsicht erwartete uns, Glatzer Schneegebirge mit dem Králický Snežnik (Grulicher Schneeberg) und die Stadt Jeseník (Freiwaldau) lagen vor uns. Weiter stiegen wir aufwärts zum Keprník vrchol 1423 m (Glasberg).

 

Oben hilft eine Aussichtsrose bei der Orientierung. Auch der Praděd (Altvater) mit dem Fernsehturm auf dem Gipfel war zum ersten Mal zu sehen. Auf schmalen felsigen Wegen marschierten wir an kleinwüchsigen Krüppelkiefern vorbei, immer wieder bergauf und bergab. Bald kamen wir an das Vřesová Studanka (Heidebrünnel). Laut einer Sage schoss hier vor vielen Jahren ein Förster einen Hirsch an und der heilte sich die Wunde mit dem Wasser dieser Quelle. Auch der Förster, der zu erblinden drohte, konnte sein Augenlicht mit dem Quellwasser retten. Viele Menschen wallfahrten daraufhin zu diesem Ort. Es ist deshalb kein Wunder, dass aus dieser Gegend zwei Meister des Wassers stammen. Vinzenz Prießnitz, der Gründer der ersten Wasserheilanstalt, und der Naturarzt Johann Schroth. In der Nähe des Heidebrünnels steht heute eine kleine Steinkapelle.

 

In dem kleinen Ort Červenohorské sedlo (Rotenberg Sattel) machten wir Mittagsrast. Skihänge mit Skiliften und Schneeraupen stehen hier für den Wintersport bereit. Danach erwartete uns erneut ein steiler Anstieg mit einem markanten Felsblock. Hier liefen wir abwärts weiter und kletterten dann wieder steil hinauf zum Velky Jezerník (1307 m). Den Gipfel bedeckt ein Moor, das wir auf einem Knüppelweg überquerten. Jetzt standen wir schon auf dem Gebiet des Naturreservates Praded (Altvater), auf einer Fläche von 2.000 ha werden alle wertvollen Gebiete in der Umgebung des höchsten Berges geschützt. Am Rand weitläufiger nach Süden ausgerichteter Wiesen tauchte dann die Berghütte Švýcárna (Schweizerhütte) auf. Bei ihr entspringt eine Quelle. 1829 ließ der Besitzer der Herrschaft, Fürst Lichtenštejn, hier eine Sennhütte einrichten, in der sich der gebürtige Schweizer Sennhirte Johann Aegerle aus Simmental bei Bern niederließ. So erhielt die Behausung ihren Namen Švýcárna (Schweizerhütte).

 

Heute ist die Hütte eine Gastwirtschaft mit vier Übernachtungszimmern. Die Tische und Bänke waren an diesem Sonntag gut besetzt. Viele Jugendliche und Familien nutzten das schöne Wetter zu einem Ausflug in die Natur. Der Praded (Altvater), 1.491 m hoch, scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein. Etwa vier Kilometer führt der Weg dann noch zum Fernseh- und Aussichtsturm mit Restaurant auf den Gipfel. Die Asphaltstraße hinauf im Endspurt brachte uns noch einmal ins Schwitzen. Oben wurden wir mit einem traumhaften Ausblick rundherum belohnt. Hier herrscht das schroffste Klima in Mähren mit durchschnittlichen Temperaturen von 0,9 ° C.

 

Nur Grasflächen mit Krüppelbüschen wie z.B. Bergebereschen und Wacholder widerstehen Schnee und Wind. Bei gutem Wetter wie an diesem Tag kann man von hier oben bis zum Riesengebirge oder in die Hohe Tatra sehen. Der mächtige Altvater ist laut der Sage Herrscher des Hrubý Jeseník (Altvatergebirges). Am häufigsten erscheint er als alter Mann mit Vollbart. Gute Menschen belohnt er, schlechte aber werden bestraft. Durch das schöne Wetter und die grandiose Aussicht hatte er uns tatsächlich belohnt. Im Sporthotel „Kurzovni pod Pradědem“, unserem Übernachtungshaus direkt unterhalb des Gipfels, wurden dann noch einmal Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ des Sozialismus wach. Zugluft und ein Zimmer ohne warme Dusche zwang uns zum Improvisieren.

 

Montag, 30.08. Kurzovni pod Pradědem – Šumperk (Mährisch Schönberg)

 

Wieder war uns Petrus hold. Auch heute herrschte sonniges Wetter. Zunächst marschierten wir steil hinauf zum Vysoká hole (Hohe Heide). Auf dem Gipfel ist eine Kahlfläche mit alpinem Bewuchs. Große Flächen sind mit Rispengras, Krüppelkiefern, Heidel- und Preiselbeeren bedeckt. Ein gut begehbarer Höhenweg beginnt hier oben mit stets schönem Ausblick. Besonders der Altvater wirkte imposant. An einer Schutzhütte trugen wir uns ins E3-Gipfelbuch ein. Bald darauf sahen wir zu unserem großen Erstaunen eine Herde wilder Gämsen. Immer wieder gab es besondere Aussichtspunkte auf großen Felsen. Kolkraben flogen am Himmel.

 

Es folgte ein steiler Abstieg über Baumwurzeln und Geröllschutt. Nach 14 km erreichten wir das Gasthaus Motorest Na Skřítku (Zum Berggeist), wo wir zu Mittag aßen. Die restliche Strecke fuhren wir mit dem Bus nach Šumperk (Mährisch Schönberg). Vom Busbahnhof wanderten wir dann durch die lebhafte Fußgängerzone zu unserem Hotel „Hansa“. Šumperk (Mährisch Schönberg) hat 30.446 Einwohner und liegt 320 m ü.d.M. Die Stadt ist Wirtschafts- Verwaltungs- und Kulturzentrum des Gebietes. Überall sieht man Jugendstilbauten. Ein großer Park mit Seen und Bänken lädt zum Verweilen ein.

 

Dienstag, 31.08. Rückfahrt

 

Es regnete in Strömen an diesem Vormittag. Gut gelaunt begann trotzdem um 10:26 Uhr die Rückfahrt von Šumperk (Mährisch Schönberg) nach Heidelberg. In Zábřeh na Morave (Hohenstadt) stiegen wir um in den Schnellzug nach Prag.

 

Im Prager Hauptbahnhof wurde uns, wie schon bei der Hinfahrt, wieder Hehlerware, diesmal waren es Uhren, angeboten. Dann wurde es richtig unangenehm. Zwischen Prag und Pilsen war ein Güterzug entgleist. Unser Zug wurde umgeleitet Richtung Dresden, kurz vor der deutschen Grenze ging es dann über Most (Brüx) und Cheb (Eger) nach Nürnberg. Endlich nach ca. einer Stunde Wartezeit konnten wir nach Frankfurt weiter. Hier hieß es wieder lange warten, bis die Abfahrt nach Mannheim und Heidelberg erfolgte. Geplant war die Ankunft in Heidelberg um 22:49 Uhr, tatsächlich waren wir aber um 01:30 Uhr angekommen. Um 02:30 Uhr lag ich endlich zu Hause in meinem Bett.

 

Hinweis:

Die genaue Wanderstrecke mit Kilometerangaben, Adressen der Unterkünfte finden Sie im Internernet unter:

Der EB-/E3-Fernwanderweg von Eisenach nach Budapest,

weitere Bilder sind zu finden unter:

http://www.weitwanderungen.de/Bilder-Altvatergebirge1.htm

 

Erschienen in "Wege und Ziele" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 15 - Dezember 2004

 

 

Wanderparadiese und Schlaraffenländer:

Tschechien und Slowakei - Auf in den Osten

 

 Von  Günther Krämer

 

Als Geograph hängt man Reise- oder Wanderträumen nach. Viele dieser Träume habe ich mir in meinen jetzt 52 Lebensjahren erfüllen können. Einer steht noch aus: Zu Fuß von der Schwäbischen Alb nach Czernowitz in der Bukowina zu gehen. Nach Czernowitz ist es noch weit. Ich bin nämlich auf dem Weg dorthin in einem wahren Wanderparadies hängen geblieben! Im Frühjahr (Deutschland) und Sommer (Tschechien) 2000 sowie im Sommer 2001 und 2002 (Slowakei) habe ich folgende Landschaften durchwandert:

 

Man kann sie wie eine Perlenkette auffassen und aufzählen: Die Schwäbische Alb, das Ries, die Fränkische Alb, den Oberpfälzer Jura, das Fichtelgebirge, Elstergebirge und Vogtland, das Erzgebirge, die Sächsisch-Böhmische Schweiz, das Lausitzer Bergland, das Zittauer Gebirge, den Jeschkenkamm, das Isergebirge und das Riesengebirge, das Braunauer Land mit den Wekelsdorfer Felsen, das Adlergebirge, das Glatzer Bergland, das Altvatergebirge, die Mährische Pforte, die Mährisch-schlesischen Beskiden, die Kischützer Beskiden, die Arwa-Beskiden, die Choc-Berge, Liptau, die West-Tatra, die Hohe Tatra und die Weiße Tatra, die Zips, die Niedere Tatra und schließlich das Slowakische Paradies, die Pieninen, das Lublauer Bergland und der Cergov.

 

Einen großen Teil der Strecke bin ich allein gegangen (über 4 Wochen), wochenweise waren wir zu zweit, zu dritt, zu sechst ... Die Anfahrt und die Rückfahrt erfolgte meist mit der Bahn, nur für die letzte Rückfahrt aus der Slowakei benutzte ich den Linienbus von Bratislava nach Deutschland (sehr kostengünstig, z.B. Bratislava - Ulm für DM 85.-).

 

Übernachtet wurde je nach Möglichkeit im Massenquartier einfacher Berghütten über Dorfgasthäuser bis zum dennoch kostengünstigen slowakischen Luxushotel. Auch ohne Reservierung gab es nur selten Probleme. Nur in der Böhmischen Schweiz, im Riesengebirge und in der Hohen Tatra ist in der Hochsaison eine Reservierung ratsam.

 

Ich erspare mir eine detaillierte Beschreibung des Präludiums auf deutschem Boden (...hohe Übernachtungskosten, Probleme mit der Bahn, Teerwege sogar im Wald, schlechte Wanderkarten z.B. im Fichtelgebirge, ungeeignete Führerliteratur, arrogante und ignorante deutsche Grenzer an der grünen Grenze zu Tschechien (ich hatte wohl einen Asylanten im Rucksack versteckt?) ... Konsequenz: Wir haben wann immer möglich den E3, der auf deutscher Seite verläuft, verlassen und sind schon im Erzgebirge auf tschechischem Gebiet, möglichst in Kammnähe durch beinahe menschenleere Vogelbeerwälder und Hochmoore gewandert, haben sehr gut gegessen und günstig übernachtet. Gab es Probleme, haben die freundlichen Tschechen, so gut es ging, geholfen, was man von den deutschen Landsleuten nicht oft behaupten kann.

 

Die Böhmische Schweiz ist für unsere sächsischen Landsleute ein äußerst kostengünstiges Urlaubsgebiet, daher waren hier die Quartiere meist ausgebucht. Aber schon das Lausitzer Bergland, nur wenige Kilometer östlich, ist als Urlaubsgebiet nicht mehr gefragt. Dafür sind hier vor allem am Wochenende die Tschechen mit Kind und Kegel, Rucksack, Eimer und Korb unterwegs, einfach zum Erholen in der Natur, aber vor allem zum Pilze- und Beerensammeln. Im Jeschkengebirge nicht versäumen: eine Übernachtung im futuristischen neuen Hotel Jeschkenturm (Ješted) und dann als Kontrast in Reichenberg/Liberec das „Praha“, -ein original erhaltenes Jugendstilhotel inkl. Innenausstattung!

 

Im Isergebirge bedrückt den ökologisch interessierten Menschen der völlig abgestorbene Wald. Zum Pflichtprogramm gehört ein Besuch in Klein-Iser bei dem Weitwanderpionier Gustav Ginzel in seinem berühmten Misthaus. Leider ist Gustav äußerst selten daheim, beim letzten Versuch leider wegen einer Krankheit. Alles Gute für Gustl! Danach anschließend wieder ein Kulturschock im Skizentrum Harrachsdorf/Harrachov.

 

Das Riesengebirge bietet eine perfekte Infrastruktur für den Wanderer. Die schönsten alten Bauden liegen auf der polnischen Seite, werden aber leider nicht besonders gut geführt, außerdem sind die Preise um ein Vielfaches höher als auf der tschechischen Seite, wo vor allem das Angebot an Speisen beeindruckt! Reifträgerbaude, Elbequelle, Schneekoppegipfel gehören zum Pflichtprogramm. Bei der letzteren muss man sich nur in die Schlange einreihen. Menschenmassen sind hier unterwegs. Hauptgrund sind die Sessellifte, die von polnischer und tschechischer Seite heraufführen. Die Aussicht vom Gipfel wird nur durch die Erdkrümmung begrenzt, wenn es klar ist!

 

Viel ruhiger geht es auf der Ostabdachung des Riesengebirges zu, wo Schatzlar und Trautenau wichtige Etappenorte sind, wo man von nicht vertriebenen Sudetendeutschen Nachhilfe in Geschichte bekommt und ihre Gastfreundschaft genießen darf, die nicht geringer ist als die der Tschechen Beeindruckend die Städte: Aus einem Guss: Neustadt an der Mettau, eine Architektur-Lehrstadt: Nachod. Kontrastprogramm: Das Sandstein-Naturwunder der Wekelsdorfer-Teplitzer Felsenstadt, wo die Erosion ein Felsenlabyrinth geschaffen hat, das die Böhmisch-sächsische Schweiz an Formenvielfalt leicht in den Schatten stellt.

 

Szenenwechsel: Das Adlergebirge, weiche Formen, unendliche Wälder, kaum Menschen.

 

Manchmal wechsle ich auf die polnische Seite der Grenze, wo Landwirtschaft wie vor 100 Jahren betrieben wird, wo Buchweizen, Hafer und Mohn noch häufige Kulturpflanzen sind, und wo das Pferd als Nutztier und nicht zum Vergnügen gehalten wird, wo Landmaschinen im Einsatz sind, die bei uns nur noch im Museum bewundert werden können.

 

Im Altvatergebirge wiederholt sich die Landschaft des Riesengebirges: baumlose Höhenrücken, Wolkenspiele, Wind, aber auch die unendliche Aussicht auf alle Seiten und Heidelbeeren, bis der Magen platzt. Bei Römerstadt/Rymarov ein Übernachtungshighlight, die Alfredshütte, bestens renoviert und gut geführt von jungen Leuten, wie so viele der tschechischen Hütten. Danach geht es ins mährisch-schlesische Hügelland hinaus, keine Sensationen, aber tschechisches Problemgebiet: höchste Arbeitslosenquote, Abwanderung, Sanierungsbedarf. Auch die alte Hauptstadt von Österreichisch-Schlesien, Troppau/Opava mit ihren Adelspalästen macht da keine Ausnahme. Beethoven hielt sich hier oft auf. Das von ihm bewohnte barocke Haus in der Beethovenstraße benötigt dringend einen Investor! Und erst recht die Industrie- und Bergbaustadt Ostrau: Grau in grau, Gestank der ungefilterten Abgase von Kohlekraftwerken und Hüttenwerken.

 

In den Beskiden trifft man keine Landsleute mehr; nur noch Polen, Tschechen und Slowaken wandern hier in den einsamen Bergen, wo das Bärenfell und der ausgestopfte Luchs zur Hütteneinrichtung gehören. Riesige Steinpilze, die man sammeln und der Hüttenwirtin fürs Abendessen mitbringen kann - es wird nur gut gekocht! - und Heidelbeeren erschweren das Vorwärtskommen. Die Beskiden darf man sich nicht als einheitliches Mittelgebirge vorstellen. Es handelt sich vielmehr um eine Vielzahl von Einzellandschaften, die sich in Vegetation, Waldbestand, Nutzung und Besiedlung unterscheiden. Tief eingeschnittene Talsenken trennen die einzelnen Mittelgebirge voneinander. Der Kulturschock bleibt aber nicht aus, wenn man von einer Beskidenhöhe herunter auf die Plattenbaustädte der Zeit vor 1989 blickt. Dann versteht man auch, dass jeder Tscheche und Slowake seine „chata“ braucht, seine Hütte weit draußen in der Natur, wo er sommers und winters die Wochenenden und den Urlaub verbringt. Und Natur gibt es pur! Bärenspuren und die Reviermarkierungen des Luchses findet man nicht selten.

 

Durch die breite Arwa -Senke verlässt man die West-Beskiden. Die Berge am Horizont werden schroffer: Die Kleine und die Große Tatra und die Choc-Berge grüßen! Das Gestein ändert sich. Durch die Kalkstein-Schlucht der Prosiecka dolina steigt man teils im Wasser, teils über dem Wasser, vorbei an Karstformen (Ponore, starke Karstquellen, Dolinen, verschiedenste Kleinformen ...) hinunter zum Ufer des Liptauer Meeres, einem großen Stausee.

 

Weil es so schön war, geht es am nächsten Tag durch die nächste Schlucht, die Kvacianska dolina, wieder hinauf. Der Gesteinswechsel von Urgestein zu Kalk drückt sich auch in der Botanik aus: schönste Blumenwiesen mit Orchideen, Glockenblumen, Enzianen, Habichts- und Ferkelkraut, Thymian, Dost (der in riesigen Mengen gesammelt wird) ... Über das Glasbläserdorf Huty geht es in den Nationalpark Hohe Tatra (TANAP). Die TANAP-Verwaltung gibt sehr gute Informationsmaterialien auch in deutscher Sprache heraus. Wichtig: Hinweise auf das Verhalten bei Begegnungen mit Braunbären, es gibt noch rund 50 davon in der Hohen Tatra. In Tatranska Kotlina fressen die Bären nachts die Mülleimer leer! Uns sind leider weder Bären noch Luchse noch Wölfe begegnet.

 

Wir steigen auf den 1805 m hohen Sivy vrch, den Westpfeiler der Tatra, die hier aus Kalkstein besteht und entsprechend einen Blumenreichtum bietet, den man sonst kaum findet. Aber auch die Karstformen, vor allem die Dolinen und Schächte in Kammnähe sind beeindruckend. Dafür ist der Weg ins Tal lang und anstrengend, aber aussichtsreich.

 

Eine Überquerung der West-Tatra ist wegen fehlender Hütten nur mit dem Zelt möglich. Aber es gibt eine schöne Alternative, die Tatra-Magistrale. Sie führt am Fuß der Tatra, im Westen in rund 800 m Höhe, dann ansteigend auf etwa 1100 m und im Osten dann in 2000 m immer am Südrand der Tatra entlang. Wir nutzen diese Magistrale, an der man beste Übernachtungsmöglichkeiten findet (außer in Podbanske) und machen immer wieder Abstecher ins Hochgebirge hinein.

 

So steigen wir zum Großen Hinzensee/Velké Hincovo pleso hinauf, genießen die Aussicht von Východná Vysoká (2429 m) und vom Jahnací stít (2230 m), liegen am Batizovské pleso und an anderen, Meeraugen genannten Karseen, die so typisch für die Hohe Tatra sind.

 

Die Wege sind zum Teil ausgesetzt und abenteuerlich mit Ketten gesichert. Diese Sicherungen sind sogar in der slowakischen Karte 1 : 50 000 zuverlässig eingetragen. Aber auch auf dem schwierigsten Weg sind unglaublich viele Menschen, alte und junge, Pärchen, Familien mit Kindern, Slowaken und Polen, unterwegs. Alle sind fröhlich, freundlich. Auf dem Gipfel wird geteilt: Bier, Essen, Schokolade, Schnaps, man fotografiert sich gegenseitig, tauscht die Telefonnummer und die Adresse aus, und - wie ich später selber erfahren durfte - besucht sich gegenseitig. Geht man an einer am Weg rastenden Wandergruppe vorbei, sagt „ahoj“ (Hallo) oder „dobry den“ (Guten Tag), streckt sich einem schon eine Hand mit Schokolade, Keks oder Bonbons entgegen.

 

Vielseitig ist das Übernachtungsangebot: Vom futuristischen Hotel Panorama (eine auf die Spitze gestellte Pyramide) in Strbske Pleso über einfache Berghotels wie das Schlesierhaus bis zu richtigen Berghütten (Zelenom plese, Popradskom pleso, Zbojnicka chata = Räuberhütte ...) reicht das Spektrum.

 

Der Ostteil der Tatra, die Weiße Tatra, ist ein Totalreservat. Erst seit einigen Jahren ist ein Weg für Wanderer (gegen Eintritt) geöffnet worden. Aber dieser Weg darf nur von Ždiar aus begonnen werden. Während die ganze zentrale Hohe Tatra aus Granit besteht, besteht die Weiße Tatra wieder aus Kalkstein und dazwischen liegenden Mergelschichten, was wieder eine äußerst große Pflanzenvielfalt zur Folge hat. Da kaum Menschen unterwegs sind, sind die Tiere überhaupt nicht scheu: Tatragämsen nähern sich neugierig bis auf wenige Meter!

Ein weiterer Höhepunkt ist in Tatranska Kotlina die große Tropfsteinhöhle Belianska jaskyna mit schönsten Kalksinterformen und riesigen Hallen.

 

In Ždiar beginnt die Zips/Spiš, eine schon vor 800 Jahren gleichzeitig von Deutschen, Slowaken und anderen Völkern besiedelte Landschaft. Städte wie Levoca/Leutschau, Podolinec und Kezmarok/Käsmark beeindrucken durch ihre Kunst- und Baudenkmäler. Stellvertretend dafür sei hier nur die Jakobskirche in Levoca/ Leutschau genannt, eine Perle der Gotik mit dem größten gotischen Flügelaltar! Die Zips ist ein eigenen Bericht wert.

 

Hier habe ich meinen Weg nach Osten unterbrochen: Ich habe mich in die Slowakei verliebt! Ich fahre mit der Bahn zurück nach Ružomberok/Rosenberg und "drehe eine Ehrenrunde" durch die Niedere Tatra und das Slowakische Paradies, gemeinsam mit einer slowakischen Wanderfreundin, die mir unglaublich viel über ihre Heimat erzählt. Erst durch sie kann ich die Begeisterung der Slowaken für das Wandern und die Natur so richtig verstehen.

 

Vom Salatin (1630 m), dem Westpfeiler der Niederen Tatra, geht es immer mit Abstiegen ins Tal und daher sehr anstrengend, da es in diesem Bereich keinerlei Hütten gibt, zur Demänovská dolina, einem Karst-Dorado mit rund 30 km Höhlen, davon 4 über mehrere Kilometer erschlossene Tropfstein- und Eishöhlen. Den Aufstieg zum Chopok erleichtert ein Sessellift. Aber bald gibt es wieder Natur pur um den höchsten Gipfel der Niederen Tatra, den Dumbier (2043 m). Übernachtet wird auf der chata Stefanika, wo wieder Freundschaften geschlossen werden.

 

Einsamer geht es dann weiter bis zum „Slowakischen Paradies“, einer Teillandschaft des Slowakischen Karsts, wo wir in der schönen Pension Lesnica Standquartier nehmen und das Paradies auf Rundwanderungen erkunden. Wandern bedeutet hier höchst unterschiedliches: Höhenwanderungen mit Aussicht von hohen Kalkfelsen wie am Albtrauf bei uns, es heißt aber auch, auf Holzleitern tiefe, von Bächen durchflossene Schluchten hochzusteigen (eindrucksvoll die Suchá Belá), oder auf an die Wand gedübelten Gitterrosten Felswände über reißenden Flüssen entlang zu hangeln (Prielom Hornádu).

 

Inzwischen hat uns der Weg nach Osten über die menschenleere und völlig bewaldete Zipser Magura an den Dunajec-Fluss geführt, in den Pieninen-Nationalpark, ins Leutschauer Gebirge, ins Lublauer Bergland und schließlich in den Cergov. Endstation war 2002 Bartfeld/Bardejov.

 

Die Etappen waren 15 bis 30 km lang, es waren bis zu 1450 Höhenmeter Anstiege zu bewältigen (Hohe Tatra). Nachstehend die Etappenorte:

 

Heidenheim/Brenz - Neresheim - Nördlingen - Harburg - Wemding - Heidenheim/Mittelfranken - Treuchtlingen - Weißenburg - Thalmässing - Berching - Deining - Neumarkt Obpf. - Altdorf - Hersbruck - Spies/Schermshöhe - Pottenstein - Glashütten - Bayreuth - Warmensteinach - Großer Waldstein - Schönwald - Bad Brambach - Klingenthal-Aschberg - Johanngeorgenstadt - Stolzenhain/Haj pod Klinovecem - Satzung - Olbernhau - Fischerbaude bei Holzhau - Mückentürmchen/Komari Vizka bei Graupen/Krupka - Tisa/Tyssa - Mezni Louka - Chribska - Oybin - Jeschken/Jested - Reichenberg/Liberec - Klein-Iser/Jizerka - Reifträger-Baude/Szrenica - Schneekoppe/Schronisko Strzecha Akademicka - Schatzlar/Zacler - Radowenz/Radvanice - Police an der Mettau - Neustadt an der Mettau/Nove Mesto n. M. - Deschney/Destne v Orlicky horach - Rocknitz/Rokytnice - Grulich/Kraliky - Georgsschutzhaus/Jiriho-Bauda auf der Hochschar/Serak - Alfredhütte/Chata Alfredka bei Römerstadt/Rymarov - Budisov - Troppau/Opava - Ostrau/Ostrava - Frydek-Mistek - Hnojnik - Horni Lomna - Cadca - Velka Raca - Oravska Lesna - Kubinska hola - Liptovsky Mikulás - Bobrovecka Vapenica - Podbanske - Strbske Pleso - Sliezsky dom - Hrebienok - Chata pri Zelenom plese - Zdiar - Leutschau/ Levoca - Rosenberg/Ruzomberok - Malinné/Vlkolinec - Salatin/Ruzomberok - Liptovský Mikulás - Jasna - Dumbier/Chata Stefanika - Certovica - Cingov (Standquartier für Rundwanderungen im Slowakischen Paradies) – Zdiar – Magurske sedlo – Spisska Stara Ves – Lesnica – Velky Lipnik – Hiezdne / Stara Lubovna – Maly Lipnik – Circ / Obrucne – Livov – Krize – Hervartov - Bardejov .

 

Bücher und Karten zum Thema

 

Tschechien und die Slowakei sind wahre Wanderparadiese, vor allem die Mittelgebirge im Norden und das kleinste Hochgebirge der Welt, die Hohe Tatra, bieten alles, was des Weitwanderers Herz erfreut: Gute Karten, hervorragende Führer, gut bezeichnete und schön geführte Wanderwege, Möglichkeiten zum Übernachten, Einkaufen und Einkehren, dazu freundliche Menschen und ein funktionierender öffentlicher Personennahverkehr. Leider sind die tschechischen KCT-Karten derzeit nur in Tschechien erhältlich, hier aber in jeder Buchhandlung (meist das komplette Programm) und in Hütten, Hotels, Dorfläden (die Karten der jeweiligen Region).

 

Die slowakischen VKU-Karten wie auch die Dajama-Führer gibt es im Internet-Buchhandel bei www.slovakia-online.com.

 

Die Führer von A. & K. Micklitza, sie umfassen den Weg von der Elbe bis zum Altvater, kann man in guten Buchhandlungen bestellen:

 

Karten:

 

Für beide Länder liegt flächendeckend eine Wanderkarte im Maßstab 1 : 50 000 vor, die laufend aktualisiert wird und neben den bezeichneten Wanderwegen auch Unterkunftsmöglichkeiten und andere für den Wanderer wichtige Infrastrukturhinweise enthält. Die Karten sind sehr genau und nahezu fehlerfrei. Beeindruckend, wie exakt die Wegmarkierung in der Landschaft mit der Angabe in der Karte übereinstimmt.

 

Slovenská Republika, Edícia Turistických Máp 1 : 50 000, Vojenský kartografický ústav

(VKU), Harmanec, Preis in der Slowakei 89 Kronen, das sind 2,10 Euro.

 

Klub Ceských Turistú, Edice Klubu Ceských Turistú, Turistická Mapa 1 : 50 000, ebenfalls produziert von VKU in Harmanec, Preis in Tschechien 79 Kronen, das sind 2,20 Euro.

 

Führer:

 

Allgemein kann man sagen, dass die im Buchhandel angebotenen Führer (Rother, Dumont, Trescher usw.) für Weitwanderer völlig ungeeignet sind, da sie kaum aktuelle praktische Hinweise enthalten und die Landeskunde völlig vernachlässigen. Einzige Ausnahme stellen die von Kerstin und André Micklitza aus Cottbus verfassten Führer dar. Aus ihrer "Feder" stammt auch die Wanderseite von www.slovakia-online.com , einer außergewöhnlich gut gelungenen Webseite, wo man auch Wanderkarten und Bücher bestellen kann.

 

Zur allgemeinen Reisevorbereitung wichtig, gute praktische Hinweise, Hintergrundinformationen, Tipps für Wanderer, Internetadressen, Tel.- und Faxnummern, etwas Landeskunde, aber rucksackgerecht klein:

 

Kerstin & André Micklitza: Slowakei. Reisehandbuch. Conrad Stein Verlag, 3. Aufl. 2001. ISBN 3-89392-272-5

 

Kerstin& André Micklitza: Tschechien. Reisehandbuch. Conrad Stein Verlag, 2. Aufl. 1996, ISBN 3-89392-241-5, derzeit vergriffen, aber manchmal noch erhältlich und besser als Neuauflagen anderer Führer!

 

Wanderführer mit landeskundlichen Informationen, Telefonnummern usw., einfach gut:

 

Kerstin & André Micklitza: Durchs Prebischtor zur Schneekoppe. Wanderungen in den Westsudeten. Lusatia Verlag Bautzen, 2. Aufl. 1998, ISBN 3-929091-25-9

 

Kerstin & André Micklitza: Von der Schneekoppe zum Altvater. Wanderungen in den Mittel- und Ostsudeten. Lusatia Verlag Bautzen, 1997, ISBN 3-929091-46-1

 

Wer nun glaubt, er hat optimale Wanderliteratur erstanden, der wird in der Slowakei eines Besseren belehrt.

 

 

Erschienen in "Mitteilungsblatt" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 9 - Dezember 2002

 

 

Vom Altvater in die Kleine Fatra

 

Auf Fernwanderwegen von Heidelberg nach Budapest

 

Von Wolfgang Meluhn

 

Sonntag, 14.08.05: Zugfahrt Heidelberg – Olomouc (Olmütz)

 

Dem Lockruf des Internationalen Bergwanderwegs E3 konnten wir auch dieses Jahr nicht widerstehen. Um 05:45 Uhr traf sich im Heidelberger Hbf. eine tatendurstige Truppe auf „flotten Sohlen“.

 

Über Frankfurt, Leipzig erreichten wir Dresden. Hier wurde umgestiegen. Im Elbsandsteingebirge wurden beim Anblick der Bastei, von Königstein, Rathen und Bad Schandau schöne Erinnerungen wach, z.B. an die Kasematten der Festung Königstein, an die E3- Wanderung vor vier Jahren. Hinter Prag stiegen wir dann noch einmal in Česka Třebova (Böhmisch Trübau) um. Kurz vor 18:00 Uhr erreichten wir dann Olomouc (Olmütz an der March), die alte Bischofsstadt und frühere Hauptstadt Mährens (1187-1642). Nachdem wir uns im Hotel „Arigone“ einquartiert hatten, machten wir noch einen Stadtbummel. Zunächst besorgten wir uns tschechische Kronen. Bald gelangten wir auf den Horní náměstie (Oberring). Wunderschöne Häuserfassaden, Barock- und Jugendstil, schmücken den Platz. Unweit der Sloup Nejsvetejí Trojice (Drei-faltigkeitssäule) genossen wir vor dem "Restaurace Moravská“ (March) ein ausgezeichnetes Abendessen mit Schwarzbier.

 

Montag 15.08.05: Stadtführung in Olomouc (Olmütz), Kružberk (Kreuzberg) - Podhradi (Nieder Wigstein) - Vitkov

 

Der Inhaber des Hotels „Arigone“, Herr Blaho, ein ehemaliger Basketballspieler mit bestimmt 195 cm Größe, er spielte früher längere Zeit in der österreichischen zweiten Liga, führte uns vormittags im strömenden Regen durch die Stadt. Olomouc (Olmütz) hat ca. 100.000 Einwohner. Es ist die zweitälteste Universitätsstadt, nach Prag, in Tschechien. 13.500 Studenten studieren heute in der Stadt Medizin, Naturwissenschaften, Theologie, Kunst und Pädagogik werden gelehrt. Direkt gegenüber von unserem Hotel stand das Jesuitenkolleg, wo Gregor Mendel (*1822 1884), der Vater der Gentechnik, 1840 unter schwierigsten finanziellen Bedingungen studierte.

 

In unmittelbarer Nachbarschaft des Kollegs besichtigten wir die St. Sarkanderkapelle. Sie wurde 1912 am Standort des abgerissenen Stadtgefängnisses errichtet, in dem die Protestanten den katholischen Pfarrer Johann Sarkander (*1576 1620) zu Tode gefoltert hatten. Sarkander wurde gerädert, weil er das Beichtgeheimnis nicht brechen wollte.Das Folterwerkzeug ist heute noch in der Kapelle zu besichtigen. 1995 wurde er von Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen.

 

 

 

Im 18. Jh. entstanden unter Kaiserin Maria Theresia in Olomouc (Olmütz) viele barocke Bauten. Auf dem Horní námestí (Oberring) lenkte Herr Blaho unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die Sloup Nejsvetejí Trojice (Dreifaltigkeitssäule). 1754 wurde sie in Gegenwart der Kaiserin Theresia eingeweiht. Mit 34 Metern ist sie die größte ihrer Art in Mitteleuropa. In der Säule befindet sich eine Kapelle, in der viele frische Blumen zu sehen waren. Außen befinden sich 18 vergoldete Sandsteinplastiken. An der Spitze des Monumentalwerks prangt die goldene Dreifaltigkeitsplastik. 2001 wurde die Säule in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.

 

Zur Barockausschmückung der Stadt gehören auch die sechs Brunnen. Ein siebter wurde noch 2002 erbaut. Der Herkulesbrunnen (1687) befindet sich in der Nachbarschaft der Dreifaltigkeitssäule. In der südöstlichen Ecke des Platzes steht der Caesarbrunnen (1725) mit dem Reiterstandbild Caesars und einem Hund. Nach einer Sage soll Caesar angeblich der Gründer von Olmütz gewesen sein. Der Hund symbolisiert die Treue der Stadt Olmütz gegenüber dem österreichischen Kaiser. Ein weiterer Anziehungspunkt stellt das Rathaus mit seinem 75 m hohen Turm dar.

 

An der Nordseite befindet sich eine große astronomische Uhr. Sie erinnerte mich an die Uhr auf dem Altstädter Ring in Prag. 12 kleine Figuren stellen die 12 Monate, zwei Mosaikwandbilder, ein Schlosser und ein Chemiker, die handwerkliche und die intellektuelle Arbeit dar. Einmal am Tag, 12:00 Uhr mittags, klingt aus dem Uhrwerk eine mährische Volksweise, dazu dreht sich die Arbeiterklasse im Kreis. Das Glockenspiel endet mit dem Erscheinen eines Hahns, Flügelschlagen und Krähen sollen kläglich wirken.

 

Der Wanderführer erinnerte unerbittlich an das folgende Tagesprogramm, so dass es der Gruppe leider nicht ermöglicht wurde, den „heiseren“ Olmützer Hahn anzuhören.

 

Als Wasserspielplatz konzipiert ist der Arionbrunnen, der erst vor wenigen Jahren errichtet wurde. Der Aufschwung der Stadt Olmütz nach dem Dreißigjährigen Krieg wird gleichnishaft mit einer antiken Sage verglichen. Der griechische Dichter Arion wird auf See von Piraten überfallen, springt ins Meer und wird von einem Delphin gerettet. Der rettende Delphin ist in vielerlei Ausführungen zu sehen.

 

Bereichert wird der Brunnen durch eine große steinerne Schildkröte. Wie das neben stehende Bild zeigt, setzte sich unser Wanderführer sofort auf ihren Rücken. Möge die Fähigkeit dieses Tieres, Alter bis zu 300 Jahren, lange zu leben, auf ihn übergehen.

 

Südöstlich vom Rathaus liegt der Dolní námestí (Niederring). Hier befinden sich der Neptun- und Jupiterbrunnen sowie eine Mariensäule. In der Mariensäule befindet sich in der Mitte eine runde Öffnung. Jeder Student in Olmütz müsse hier einmal während seines Studiums hindurch klettern, damit er sein Examen bestehe, erklärte uns Herr Bahro. Dieser alte Brauch werde auch heute noch bei den Studenten praktiziert.

 

 

 

Námestí Republiky (Platz der Republik) mit dem Tritonenbrunnen (1708) ist der Dreh- und Angelpunkt des Universitätsviertels. Blickfang ist hier die zweitürmige Barockkirche Marie Snežné (Maria Schnee Kirche). Am Klarissenkloster und dem erzbischöflichen Palais vorbei erreichten wir bald den Wenzelsplatz mit der Katedrála sv. Václava (Dom St. Wenzel) (1131). 100 m hoch ist sein Ostturm. Romanische und gotische Stilelemente sind erkennbar. Sehenswert im Inneren der Kirche sind die Bischofsgräber und der kostbare Domschatz. In den Gebäuden des Domkapitels nebenan, noch sehr zerfallen, komponierte der erst 11-jährige Wolfgang Amadeus Mozart die 6. Sinfonie in F-Dur. Eine Gedenktafel erinnert heute noch daran. Gegenwärtig werden die Gebäude restauriert und man plant ein künstlerisches Zentrum zu eröffnen.

 

Für den Besuch einer orthodoxen Kirche, die für die russischen Soldaten nach 1945 erbaut wurde denn Olmütz wurde russische Garnisonsstadt, reichte die Zeit nicht mehr.

 

In früheren Zeiten lebten in Olmütz etwa 80 % Deutsche und nur 20 % Tschechen. Olomouc (Olmütz) ist nach Prag die Stadt mit den meisten und sehenswertesten Baudenkmälern in Tschechien. Kein Wanderer sollte an dieser Stadt vorbei gehen, ein Abstecher ist wirklich lohnenswert.

 

Pünktlich um 11:00 Uhr fuhren wir dann mit dem Taxi eine längere Strecke bis nach Kružberk (Kruzberg). Hier ging es dann den Rest des Tages an dem Flüsschen Moravice (Mohra) entlang. Immer wieder musste zwischendurch längere Zeit der Regenschirm aufgespannt werden. Zuerst marschierten wir links der Moravice (Mohra) durch feuchte Wiesen im flachen Gelände. Ein Zeltplatz tschechischer Jugendlicher machte bei dem Regenwetter einen bemitleidenswerten Anblick. Auch in den folgenden Tagen kamen wir öfters an solchen Jugendzeltlagern vorbei. Diese jungen Menschen hatten in diesen Augusttagen einfach mit dem Wetter großes Pech. Nach einer kurzen Suche nach dem richtigen Weg wechselten wir auf die andere Seite des Flusses. Ein kurzer Anstieg führte auf einen schmalen Hangweg. Teilweise war der Pfad mit Brombeer- und Himbeerranken überwuchert. Mit einem großen Stock musste gelegentlich wie mit einer Machete der Weg gebahnt werden. Links fiel das Gelände steil zum Wasser hinunter ab. Kleinere Kletteranstiege waren zu bewältigen. Das hier vorkommende Kalk-Schiefergestein erwies sich als sehr rutschig. Einmal passierten wir sogar eine Unglücksstelle, wo ein Ingenieur tödlich abstürzte. Immer wieder tauchten unterhalb schön heraus geputzte Datschen am anderen Flussufer auf. Auch einzelne Reiher standen am Ufer. Von dem kleineren Ort Podhradi (Nieder Wigstein) fuhren wir die letzten drei Kilometer mit dem Bus nach Vitkov. Hier übernachteten wir im Hotel

„Růže“ (Rose).

 

Abends unternahmen wir einen Spaziergang in die Stadt. Unmittelbar hinter unserem Hotel befanden wir uns plötzlich in einem sehr finsteren Viertel. Sehr herunter gekommene Plattenbauten waren zu sehen – eine Romasiedlung. Ein sozialer Brennpunkt in der kleinen Stadt. Mittlerweile war es dunkel geworden. Auf der Straße standen viele Kinder und Jugendliche. Ein Polizeiauto fuhr vor, eine Scheibe in einem Geschäft war eingeschlagen worden. Die Polizisten empfahlen uns das Restaurant „Bowling“ außerhalb des düsteren Stadtteils, wo wir gut zu Abend aßen. Besonders beliebt bei uns wurde die zelená s klobásou (Krautsuppe mit Wursteinlage). Politisch wurde zwischen uns an diesem Abend etwas heftiger im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl diskutiert. Schwarz, Grün, Rot und Gelb, alle Farben scheinen bei uns vertreten zu sein – auf die richtige Mischung kommt es eben an.

 

Wanderetappe: 15 km

 

Dienstag, 16.08.05: Podhradi (Nieder Wigstein) – Hradec nad Moravicí (Grätz an der Mohra)

 

Im strömenden Regen liefen wir zur Bushaltestelle. Drei Kilometer fuhren wir dieselbe Strecke vom Vortag nach Podhradi (Nieder Wigstein) zurück. An diesem Tag regnete es nur einmal – nämlich ständig. Schon in der Nacht zuvor hatte es stark geregnet. Überall Pfützen, Schlamm, nasse Wiesen, tropfende Bäume. Ideal und bei uns sehr bewährt haben sich bei so einem nassen Wandertag Gamaschen. Sie sind schnell sauber gemacht und schützen Schuhe und Wanderhosen vor Nässe und Dreck.

 

Auch heute wanderten wir wieder auf einer teilweise sehr steinigen, schmalen und pfadähnlichen Strecke die Moravice (Mohra) entlang. Der Fluss war durch die starken Regenfälle sehr angeschwollen. Ein Seitenbach der Moravice (Mohra) musste überquert werden. Zwei schneidige Kerle aus unserer Gruppe balancierten sogar auf zwei kleinen Baumstämmen über das kalte Nass.

 

Bereits um 14:30 Uhr waren wir am Tagesziel, dem Hotel „Sonata“ in Hradec nad Moravicí (Grätz an der Mohra), angelangt. Durch einen Park mit alten Bäumen, Bänken und einer Beethovenbüste erreichten wir das

Schloss „Bílý zámek“ (Wießes Schloss) der Fürsten Lichnowski. Direkt daneben befand sich unser Hotel. Beethoven war mehrfach Gast des Schlossbesitzers und hat hier seine Vierte Sinfonie komponiert.

 

Das Schloss beherbergt heute noch eine berühmte alte deutsche Bibliothek aber nur wenige alte Einrichtungsgegenstände.

 

Wanderetappe: 15 km

 

 

 

Mittwoch, 17.08.05: Hradec nad Moravicí (Grätz) – Leskovec, Nový Jičín

(Neutitschein)

 

Auch heute marschierten wir im Nieselregen los. Vom schönen Schlosspark aus sahen wir auf neblige Wiesen und Wälder. Bald besserte sich das Wetter und im weiteren Verlauf des Tages blieb es glücklicherweise trocken. Wir durchquerten kleine von der Landwirtschaft geprägte Dörfer. Das Getreide war wegen des vielen Regens noch nicht abgeerntet und die Ähren sahen ganz schwarz aus.

 

Schon bald erreichten wir Leskovec. Am Ortseingang befindet sich ein kleiner See mit Wasservögeln. In der Ortsmitte wurden wir von Herrn Mattis, seiner Frau und seinem Schwager mit dem Auto abgeholt. Herr Mattis ist Leiter des deutsch-tschechischen Begegnungszentrums und auch zuständig für die sudetendeutsche Vertretung. Zunächst fuhren wir nach Fulnek. Die Stadt war früher ein Zentrum des so genannten Kuhländchens. Ungefähr 100.000 deutsche Menschen wohnten im Jahre 1930 in diesem Landstrich, wo Mähren und das ehemalige Österreich-Schlesien zusammentreffen. Das Kuhländchen war ein Land mit blühender Landwirtschaft und erfolgreicher Viehzucht. Viele Handwerksbetriebe waren früher in Fulnek ansässig. Die Stadt war der Einkaufsplatz für die umliegenden Dörfer.

 

Johann Amos Comenius (*1592 1670) wirkte ab 1618 mehrere Jahre hier. Das Gebäude, in dem der berühmte Theologe und Pädagoge unterrichtete, ist heute ein Museum. Im Garten davor erinnert eine Figur aus Stein an ihn. Sein Sprach- und Lesebuch „Orbis Pictus“ (Gemalte Welt) war bis 1850 in Deutschland das am weitesten verbreitete Schulbuch. Sein Buch „Didactica magna“ (Große Didaktik) wurde 1992 vom Verlag Klett-Cotta neu aufgelegt. „Jede Theorie muss für den praktischen Gebrauch nutzbar und darum didaktisch angelegt sein“, lautete der oberste pädagogische Grundsatz von Comenius. Handlungsorientierung ist heute in allen Lehrplänen der Schulen enthalten.

 

Mittelpunkt des kleinen Städtchens ist heute der Marienplatz mit der Mariensäule. Begrenzt wird der Platz von schön herausgeputzten Häusern. Leider wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs das Zentrum Fulneks zerstört, sodass die alte Bausubstanz fehlt. Nach einem Mittagessen führte uns der Weg hinauf zum Schloss. Wir konnten es nur von außen besichtigen. Während die Schlossvilla mit dem Park, gehört einem wohlhabenden Amerikaner, einen prächtigen Anblick bietet, ist das Schloss selbst in einem beklagenswerten Zustand. Vom Schlossberg aus hat man einen guten Rundblick auf die Stadt und die umliegenden Berge.

 

Weiter ging dann unsere Fahrt nach Nový Jičín (Neutitschein). Hauptstadt und geistiger Mittelpunkt des Kuhländchens war Nový Jičín (Neutitschein) mit seiner berühmten Hutindustrie (Hückel, Peschel), auch Stadt der Tuchmacher genannt. Im nahen Kopřivnice (Nes-selsdorf) befanden sich die Tatra-Automobilwerke. Dort wirkte viele Jahre der Ingenieur Ferdinand Porsche (*03.09.1875 30.01.1951), der als Schöpfer des Volkswagens gilt. Příbor (Freiberg), 11 km von Nový Jičín (Neutitschein) entfernt, ist der Geburtsort von Sigmund Freud (*06.05.1856 23.09.1939).

 

Der Stadtkern von Nový Jičín (Neutitschein) steht heute unter Denkmalschutz. Untergebracht waren wir im Hotel „Praha“, das meiner Meinung nach beste Hotel auf der ganzen Wanderung 2005. Die Stadtführung unter Leitung von Herrn Mattis ging direkt zum Marktplatz, dem Mittelpunkt der Altstadt. Er ist quadratisch angelegt. Außen umrunden Arkadengänge mit Geschäften, Cafés und Restaurants den Platz. Darüber befinden sich prunkvolle Hausfassaden aus verschiedenen Epochen. Hervorzuheben sind die Alte Post im Renaissancestil und das Haus

 

„Zum Weißen Engel“ mit der stuckverzierten Rokokofassade. Neben der Pestsäule steht das Wahrzeichen der Stadt, der Kuhländer Bauernbrunnen aus dem Jahre 1929. Ein lustig tanzendes Paar trägt die deutsche Kuhländertracht. Unterhalb der Brunnenplastik speien drei Kuhköpfe und ein Schweinskopf erfrischendes Brunnenwasser. Auch in Nový Jičín (Neutitschein). lebten früher etwa 80 % Deutsche und 20 % Tschechen. Die Deutschen wurden von den böhmischen Herzögen und Königen besonders in den Jahren 919-935 und 1197-1278 in die schwach besiedelten Gebiete im Osten geholt.

 

Nach dem Abschied von unseren tschechischen Führern gönnten wir uns abends noch in einer Seitengasse im „Restaurace – Cechovní dům“ ein exquisites Abendmahl.

 

Wanderetappe: 12 km

 

Donnerstag, 18.08.05: Nový Jičín (Neutitschein) – Radhošt (Radegast) - Pustevny chaty

 

Durch die Moravskoslezské Beskydy (Mährisch-Schlesische Beskiden)

 

Vom schönen sonnigen Wetter geweckt, 20° warm, kauften wir Getränke und Proviant am Marktplatz. Zum ersten Mal cremten wir uns mit Sonnenmilch ein und es wurde die schönste Wanderung auf der gesamten Strecke. Mit dem Taxi fuhren wir nach Mořkov (Murk). Etwa 700 Höhenmeter mussten heute Vormittag und noch einmal so viele am Nachmittag bewältigt werden.

 

Jetzt aber stand er bevor, der Einstieg in die Moravskoslezské Beskydy (Mährisch-Schlesische Beskiden). Und es ging gleich richtig los. Ein schmaler Pfad führte sehr steil nach oben auf den Huštýn (Huschin) 749 m). Der Schweiß floss in Strömen. Oben war ich völlig durchgeschwitzt.

 

Auch eine größere tschechische Wandergruppe, viele Jugendliche, genoss den herrlichen Ausblick mit uns vom Gipfel. Auf Schautafeln wurde der Wanderer über Tiere und Pflanzen der Region sowie über die Aussichtspunkte in der Ferne informiert. Nach weiteren 1,5 Stunden, immer bergan und bergab, erreichten wir die Abzweigung zum Berg Malý Javornik. Hier wurde spontan beschlossen, im weichen Gras ein Mittagsschläfchen einzulegen. Auch die Tschechen ließen sich anstecken und legten sich in die Sonne. Nach einem einstündigen Abstieg wurde Scout Wolfgang plötzlich unruhig. „Wir sind in die falsche Richtung gelaufen“ behauptete er. Sein innerer Kompass hatte Alarm geschlagen. Und in der Tat, nachdem wir zwanzig Minuten zurück gelaufen waren, fanden wir die richtige Abzweigung versteckt im Gebüsch.

 

Ein kurzer schlammiger Abstieg führte uns zu der Gaststätte Zbojnická koliba am Pindula sedlo. Der Kellner war in einer einheimischen Volkstracht gekleidet. Die warme Erbsensuppe besserte sofort wieder unsere Stimmung und das Bier hatte seinen Namen von dem Berg, den wir heute noch besteigen mussten, „Radegast“.

 

Wieder ging es dann aufwärts über eine Wiese zu einem sehr steilen und steinigen Waldstück und auf der anderen Seite wieder hinunter. Jetzt sahen wir ihn vor uns – den Radhošt (Radegast), 1129 m hoch.

 

Back mas deas Luader!“ ein alter bayrischer Bergsteigerspruch spornte uns an, alles zu geben. Steil und steinig - fast den ganzen Tag über - marschierten wir auch jetzt weiter. Wieder floss der Schweiß literweise. Auch viele Einheimische waren unterwegs, oftmals als Heidelbeersammler und Pilzsucher. Auch wir ließen uns die süßen Früchte schmecken. Ziemlich erschöpft erreichten wir über einen Skihang die mit Holzschindeln verkleidete Kapelle.

 

 

 

Die Fernsicht war atemberaubend. Weit ging der Blick über die Karpaten bis zur Hohen Tatra. Nicht weit von der Kapelle steht ein Denkmal der Glaubensapostel Kyrill und Methodius. Sie hatten im Jahre 863, aus Byzanz kommend, das Christentum in Mähren verbreitet. Ein Stück weiter auf dem Kammweg lädt das Horský Hotel „Radegast“ zur Rast ein. Auch wir legten hier eine kleine Pause ein. An einigen Skiliften vorbei erreichten wir bald darauf die Radegaststatue. Sie ist ein Geschenk der in Amerika lebenden Tschechen aus dem Jahre 1931. Radegast ist der slawische Gott der Ernte, Fruchtbarkeit, der Sonne, des Krieges und des Sieges. Weiter abwärts erreichten wir nach ca. einer Viertelstunde Pustevny chaty. Hier fallen einem sofort zwei Holzhäuser mit bunten Malereien und Schnitzereien ins Auge. Beide sind heute Pensionen. An zahlreichen Ständen auf einem großen Parkplatz werden Kitsch und Krempel verschiedenster Art an die vielen Besucher verkauft. Vom Hotel „Tanečnica“ konnten wir von unserem Zimmer aus weit in die Ferne schauen.

 

Während des Abendessens und im weiteren Verlauf des Abends hörten wir aus einem Nachbarzimmer wunderschönen Gesang. Die Jugendmusikgruppe „Bam-bini di Praga“ verbrachte eine Woche für Musikproben im Hotel. Die Jugendlichen treten in der ganzen Welt auf und sind in ganz Tschechien bekannt. Da abends auch noch ein Masseur unsere müden Knochen durchknetete, waren die Strapazen des Tages rasch vergessen. Bei unserem Lieblingslied „Ja, das machen nur die Beine von Dolores, dass die Señores nicht schlafen gehn“, kam dann auch die richtige Stimmung auf.

 

Wanderetappe: 23 km

 

Freitag, 19.08.05: Radhošt (Radegast) - Pustevny chaty – Berg Čartak

 

Der südliche Teil der Beskiden wird auch Mährische Walachei genannt. Walachische Schafhirten waren einst aus dem heutigen Rumänien hierher eingewandert. Am Fuße des Radhošt (Radegast) liegt das Städtchen Rožnov pod Radhoštěm (Rosenau am Radegast). Zur Zeit der Habsburger Monarchie war es ein berühmter Kurort. Heute befindet sich hier das Walachische Freiluftmuseum. Auf einem Ehrenfriedhof sind berühmte Persönlichkeiten der Walachei bestattet. Auch der berühmte Langstreckenläufer (10.000 m) Emil Zátopek fand hier Ende 2000 seine letzte Ruhestätte. Rožnov pod Radhoštěm (Rosenau am Radegast) lag unter uns im Tal, als wir bei 19° C, trocken, gute Aussicht, das Hotel verließen.

 

Auf einem schmalen, leicht abwärts gehenden Hangweg kamen wir zügig voran. Kleine Biotope am Weg und Informationsschautafeln weckten unsere Aufmerksamkeit. Wichtige Tier- und Pflanzenarten der hiesigen Gegend waren hier abgebildet und erläutert. Und siehe da! Jetzt sahen wir ihn zum ersten Mal, Medved, der Braunbär. Er sollte also in dieser Region vorkommen. Ein Bär rennt, klettert und schwimmt viel schneller als ein Mensch und wittert ihn schon auf drei Kilometer Entfernung. Als bärenstarken Gegner erlebten die Menschen seit Jahrtausenden dieses Tier, das ehemals in ganz Europa verbreitet war. Weil der Bär keine gewöhnliche Jagdbeute war, wurde er in Wappen und Namen, Legenden und Liedern seit dem frühen Mittelalter geehrt. Doch das Zusammenleben von Mensch und Bär war von Konflikten und Ängsten geprägt. Die steigende Bevölkerung eroberte sich zunehmend Lebensraum in vormals unberührten Landschaften. Waldrodungen und Verfolgungen trieben die Bären in schwer zugängliche Bergregionen zurück. Aber auch diese wurden zunehmend von Menschen heimgesucht. Schon im vergangenen Jahrhundert wurden viele Regionen durch hemmungslose Jagd zur absolut bärenfreien Zone. Heute existieren in vielen Teilen Europas keine Bären mehr oder die vereinzelten Vorkommen sind isoliert und bedroht. Wird der Bär zukünftig nur noch als „Teddybär“ in den Wohnzimmern der Europäer, wie z.B. bei unserem Gerd in Leimen, zu finden sein? Nur konsequente und länderübergreifende Schutzmaßnahmen können dieser Entwicklung Einhalt bieten. 50 % aller Braunbären in Europa leben heute in Rumänien. In der Slowakei schätzt man ihre Zahl auf 800 und in Tschechien auf etwa 80.

 

Die Abbildung des Bären auf der Schautafel ließ uns doch erheblich wachsamer weiter gehen. Kurz darauf fanden wir die Losung eines größeren Tieres. War es ein Bär oder ein Hirsch?

 

In Bukovina aßen wir mittags Kartoffelsuppe vor einer alten Holzbaude Martiňák. Sie war im zweiten Weltkrieg ein Widerstandszentrum gegen die Faschisten und ist heute ein kleines Lokal.

 

Als wir später längere Zeit das E3-Zeichen in einem mit jüngeren Fichten bewachsenen Waldstück nicht mehr fanden, war klar, dass wir uns wieder verlaufen hatten. Glücklicherweise trafen wir auf eine Familie beim Heidelbeerpflücken. Sie sprachen deutsch und der Familienvater lief mit uns ein Stück des Weges zurück und zeigte uns den richtigen Weg. Das E3-Wanderzeichen war hier unauffindbar. Erst ungefähr 500 Meter weiter tauchte es wieder auf.

 

Nach einer halben Stunde sahen wir von weitem unsere Unterkunft unterhalb des Bergs Čartak, 952 m hoch. Nach einem letzten steilen Anstieg quer über eine Bergwiese waren wir am „Horský Hotel Súkenická angelangt. Abends amüsierten wir uns köstlich über den jungen Kellner. Er verwechselte verschiedene Bestellungen und Rechnen war nicht seine Stärke beim Bezahlen. Den Beitritt Tschechiens und der Slowakei zur EU fand er gut, besonders wirtschaftlich erwartet er einen Aufschwung.

 

Wanderetappe 21 km

 

Samstag, 20.08.05: Berg Čartak – Kasárne am Berg Velký Javornik 1.072 m

 

Beim Frühstück kamen wir mit einer tschechischen Urlauberin ins Gespräch. Sie teilte uns mit, sie arbeite als Krankenschwester in Karlsruhe und Deutschland gefalle ihr sehr gut.

 

Bei idealem Wanderwetter bestiegen wir den Aussichtsturm auf dem Čartak. Die tolle Fernsicht ermöglichte einen wunderschönen Rund-umblick über die tschechischen Beskiden und das Javornikgebirge in der Slowakei. Beskiden und Javornikgebirge sind beides Teile der Karpaten. Der Radhošt (Radegast) und der mit 1.323 m höchste Berg der Beskydy (Beskiden) Lysá hora (Lissa) ragten besonders heraus. Bereits 500 m weiter vom Turm entfernt, befanden wir uns erstmals auf slowakischem Boden. Während auf tschechischen Wanderzeichen Kilometerangaben stehen, sind es Zeitangaben auf slowakischen.

 

Nach einem kurzen Abstieg gelangten wir an den Grenzübergang „Bumbálka“. Ein Restaurant mit einem großen Parkplatz sowie mehrere Wechselstuben erwarten hier den Grenzgänger. Durch seine Lage direkt an der Fernstraße Olomouc-Žilina herrscht hier reger Straßenverkehr und die Bänke vor der Gaststätte waren gut besetzt. Viele Wanderer, Motorrad- und Radfahrer prägten das Bild.

 

Immer im Wald liefen wir dann längere Zeit an der tschechisch-slowakischen Grenze entlang. Mehrere große Ameisenhaufen waren zu bestaunen. Gelegentlich teilten Mountainbiker und kleine Wandergruppen mit uns den Weg. Ein einzelner Wanderer hatte an seinem Rucksack sogar einen Bierkrug vom Münchner Oktoberfest hängen. Nach dem Überqueren einer Autofernstraße kamen wir an ein antifaschistisches Denkmal mit frischen Blumen und Kränzen. Es erinnert an die tschechischen Partisanen 1944.

Nach einem längeren Anstieg legten wir uns an einem schönen Aussichtspunkt in die warme Nachmittagssonne und genossen den Ausblick. Etwas bergab erreichten wir dann kurz darauf den am Hang des Velký Javornik (1.072 m) liegenden Wintersportort Kasárne, wo wir im Horský Hotel FRAN übernachteten.

 

Zuerst wurde jedoch noch auf der Aussichtsterrasse gemütlich ein warmer Tee getrunken. Weit reichte der Blick über Karpatengipfel und Täler. Auch der Radhošt (Radegast) war wieder zu sehen.

 

Ohne Bestellung wurde dann im Hotel ein einheitliches Abendessen aufgetragen. Da wir alle jedoch noch nicht satt waren, bestellte Wolfgang noch eine große Schüssel mit einer vorzüglichen Bohnensuppe. Beim anschließenden gemütlichen Beisammensein kam das Gespräch auf unsere ausgeprägte Gesundheit in der Gruppe. Fehltage im Arbeitsleben sind oder waren bei uns selten. Von ehemaligen Mitwanderern auf dem E3 hört man leider mittlerweile Jammern über gesundheitliche Beschwerden.

 

Mir fiel dazu ein kleines Gedicht ein, das ich irgendwo einmal gehört habe:

 

                                          Doktor Wald

Wenn ich an Kopfweh leide und Neurosen,

mich unverstanden fühle oder alt,

dann g reif ich nicht zur Pillendose,

dann konsultiere ich den Doktor Wald!

Er ist mein Augenarzt, mein Psychiater,

mein Orthopäde und mein Internist,

er hilft mir sicher über jeden Kater,

ob er aus Kummer oder Kognak ist.

Er hält nicht viel von Pülverchen und Pillen,

doch umso mehr von Sonne und von Licht,

behandeln wird er mich stets im Stillen,

und ein Honorar verlangt er nicht!

Er bringt mich immer wieder auf die Beine,

den Blutdruck regelt er und das Gewicht,

wirkt gegen Herzinfarkt und Gallensteine,

nur Hausbesuche macht er leider nicht!

Wanderetappe 15 km

 

Sonntag, 21.08.05: Kasárne - Považska Bystrica (Waagbistritz) -

Javorníky (Javornikgebirge)

 

Viel Gelächter beim Frühstück Jeder hatte eine riesige Portion Butter vor sich stehen, eine einzige hätte für unsere fünfköpfige Gruppe ausgereicht. Im Indianermarsch stiegen wir auf einem Pfad hinauf zum Gipfelkreuz des Velký Javornik, 1.072 m hoch.

 

Eine Gruppe Heidelbeersucher und beste Fernsicht erwartete uns oben. Weiter führte uns dann ein schöner Waldweg leicht hangabwärts. Große Wälder sind der größte Reichtum im Javornik Gebirge. Die Fichte ist mit Abstand der am häufigsten vorkommende Baum. Waldkiefern, Buchen, Tannen, Birken sowie Ebereschen bereichern das Landschaftsbild zusätzlich. Auch zahlreiche wertvolle und geschützte Pflanzen wie z.B. Enzian, slowakische Kuhschelle, Weißer Silberwurz, Silberdisteln und der Blaue Eisenhut stehen am Wegesrand. Eisenhut wird 50-150 cm hoch und blüht von Juni-September. Eisenhut ist die giftigste Pflanze Europas. Er enthält vorwiegend in den Knollen, aber auch sonst in der ganzen Pflanze das stark wirksame Alkaloid Aconitin. Schon 3-6 mg Aconitin können für einen Erwachsenen tödlich wirken. Das Gift ist sogar in der Lage durch die Haut einzudringen. In der Antike und im Mittelalter waren Giftmorde mit Aconitin sehr häufig, es war damals das am meisten gebrauchte Mordgift. Auch der römische Kaiser Claudius und Papst Hadrian IV. sollen mit Eisenhut vergiftet worden sein. Aconitin wurde von vielen Kulturen als Pfeilgift gebraucht, so auch im 15. Jh. von den Mauren während ihrer Kämpfe gegen die Spanier. Im alten Griechenland richtete man Schwerverbrecher mit dem Gift hin, da der Tod mit Aconitin besonders grausam ist. Früher steckte man auch Wurzeln des Eisenhuts in rohe Fleischköder, um Wölfe zu fangen. Die Wölfe fraßen das Fleisch mit den Wurzeln und starben. Medizinisch wird der Eisenhut heute bei Nervenschmerzen, Rheumatismus und Herzbeutelentzündung eingesetzt. Da die Dosierung mit Pulver, Tinktur und Salbe unsicher ist, verwendet man immer mehr das reine Aconitin. In der Homöopathie wird die Pflanze zusätzlich bei Bronchitis und Ischias eingesetzt. Zweimal grüßten uns Eisenhüte am Wegesrand und mancher Wanderer geht vorbei, ohne dieses teuflische, aber auch segensreiche Kraut zu kennen.

 

Auf der E3-Fortsetzungswanderung 2006 wird der Eisenhut bei Entdeckung von uns allen noch einmal besonders gewürdigt. Dem ersten Finder spendiere ich abends ein Bier.

 

An einer 5-Wege-Kreuzung waren wir plötzlich mit unserem Latein am Ende. Das E3-Wegzeichen war unauffindbar. Kurz darauf kam aus dem Dickicht ein Pilzsammler mit einem T-Shirt einer Mannheimer Versicherung. Er hatte ein Prachtexemplar eines Steinpilzes gefunden. Auch er konnte uns nicht helfen. Unser Wanderführer Wolfgang hatte wieder einmal den richtigen Riecher: Nach seiner Karte musste der Weg geradeaus der richtig sein. So war es dann auch.

 

Die gesamte weitere Tagesstrecke auf diesem Teilabschnitt des E3 erwies sich jedoch als ständige schwierige Suche nach dem richtigen Weg. Wegzeichen lagen öfters abgerissen am Boden oder fehlten gänzlich. Außerdem war der schmale Kammweg teilweise mit Brombeerranken und anderem Gebüsch zugewachsen. Dank sei einem unbekannten Motocrossfahrer, der eine große Wegstrecke befahren und damit „vorgespurt“ hatte. Selbst unser mit einem „inneren Naturkompass“ ausgestatteter Wolfgang war heilfroh über diesen Motorradrowdy. Die zuständigen slowakischen Wegewarte sind jedoch hiermit dringend aufgefordert, schnellstens anderen E3-Wanderern die Suche zu erleichtern. Die letzten vier Kilometer Abstieg auf einem Holzstammschleifweg erwiesen sich als schwierig zu laufen. Nur schräg konnte der Wanderschuh in dem harten ausgehöhlten Kalkschieferweg aufsetzen. Viele Gesteinsbrocken machten das Gehen zusätzlich schwierig.

 

In Štiavnik fuhren dann mit dem Bus über Bytča (Großbitsch) nach Považská Bystrica (Waagbistritz) . Vorbei ging die Fahrt an dem Fluss Váh (Waag), einem großen Stausee und einem im Bau befindlichen schiffbaren Kanal. Auch der Neubau einer großen Autobahn war zu sehen. Hier werden die EU-Gelder verwendet.

 

Die Malá Fatra wird durch den Fluss Váh (Waag) in zwei Teile gespalten. Im Laufe der Millionen grub sich der Váh tief in das Kalkgestein. Auch der erste Handelsweg in diesem Gebiet passte sich dem Flussdurchbruch an und bewahrte sich die ursprüngliche Routenführung bis heute. In Považská Bystrica (Waagbistritz) übernachteten wir im Hotel „Manin“ im siebten Stock. Das Hotel liegt an einer stark befahrenen Durchgangsstraße und die ganze Nacht über war starker Verkehrslärm zu hören. Besonders Eugen fühlte sich am nächsten Morgen völlig unausgeschlafen.

 

Wanderetappe 18 km

 

Montag, 22.08.05: Považská Bystrica (Waagbistritz) – Rajec (Rajetz)

 

Ein Taxi brachte uns frühmorgens nach Vrechtepla. Vom Ort aus hat man einen guten Rundblick auf die umliegenden Berge. Der Himmel war zwar bedeckt, aber noch war es trocken. Ein alter Mann auf Krücken grüßte uns neugierig und am Ortsrand begegnete uns eine Gruppe Frauen, die einen Wiesenhang von Gebüsch und hohem Gras säuberten. Alle sprachen deutsch und lachten uns zu. Durch Wiesengelände ging es bequem aufwärts voran.

 

Von einer Anhöhe aus blickten wir zurück auf das Dorf und die dahinter liegenden Berge der Malá Fatra (Kleine Fatra). Plötzlich hörten wir Glockengeläut. Auf einer Bergwiese graste eine Schafherde. Darunter befanden sich auch Ziegen mit Glocken um den Hals. Weiter unten am Waldrand lag der Schäfer mit seinem Hund im Gras. Fotografiert werden wollte er nicht, meinte aber, es werde heute noch schlechtes Wetter geben. Abwärts gesellte sich bald ein Bach neben unseren Weg und sein munteres Plätschern begleitete uns bis zur Chata Sulov. Hinter einer Teerstraße sahen jetzt steile Felszinnen – die Súľovské skaly (Sulower Felsen) – auf uns herab. Der Hund einer slowakischen Bergführerin , die gerade eine Gruppe Bergwanderer begrüßte, begleitete uns den steilen Pfad nach oben. Treppen und Holzgeländer erleichterten den Aufstieg. Recht bald hatten wir die ersten Aussichtspunkte auf den Felsen erreicht und genossen die grandiose Fernsicht. Weiter ging es zum Gotická braná (Gotischen Tor). Rechts und links des Felsenpfades befanden sich steile Abgründe. Wir kletterten eiserne Leitern hinauf zur Burgruine Súľov. Gerade als ich dabei war, uns ins Gipfelbuch einzutragen, begann es heftig zu regnen.

 

Über Leitern führte der Weg auf der anderen Bergseite wieder hinunter. In dem starken Regen war größte Vorsicht angebracht. Unten angelangt, marschierten wir gleich wieder einen anderen Berg hoch und hier immer wieder eine Anhöhe hinauf und wieder hinunter. Aussicht war jetzt keine mehr vorhanden. Nebel zog auf. Der Weg war zum Teil mit jungen Buchen überwuchert. In den nassen Büschen konnte ich den Schirm nur sporadisch einsetzen und war bald völlig durchnässt. Nach einem Wechsel des Unter- und Oberhemdes fühlte ich mich gleich wieder wohler. Da es durch den vielen Regen immer rutschiger und glatter wurde, geriet der Abstieg zu einer Rutschpartie. Auch der verschlammte, steinige, mit tiefen Rinnen ausgestattete, der Weg über den Berg Žibrid war aufgrund der Wetterverhältnisse nicht möglich. Deshalb ging unsere Wanderung nach Zbyňov.

 

Ein frisches Bier in einer kleinen Gaststätte in Zbyňov war nach den Anstrengungen eine Wohltat. Aufregung dann an der Bushaltestelle. Pünktlich hatten wir uns hier eingefunden. Auch der Bus kam pünktlich, hielt aber an einer 100 m entfernten Kreuzung, ließ die Fahrgäste aussteigen, wendete und fuhr davon. Hinterher laufen, lautes Rufen – alles war vergeblich. Der Bus war fort und es fuhr heute keiner mehr in das 4,5 km entfernte Rajec (Rajetz). Hungrig und durchnässt hätte uns an diesem Abend der Busfahrer nicht in die Hände fallen dürfen.

 

Schon hatten wir uns innerlich mit dem gut einstündigen Weiterweg auf Teerstraßen abgefunden, da hielt direkt gegenüber ein Lieferwagen. Ein junger Fahrer stieg aus und holte in einem Haus Holzstiele für Spaten und Schaufeln. Ich fragte ihn, ob er uns für mit nach Rajec (Rajetz) nähme. Er war einverstanden. Wolfgang und Harald quetschten sich vorne auf den Beifahrersitz. Klaus, Eugen und ich setzten uns hinten auf die geladenen Holzstiele. Jedes Schlagloch spürten wir deshalb doppelt. Zehn Minuten später befanden wir uns aber in unserem Hotel „Kľak“ in Rajec (Rajetz). Die heiße Dusche weckte bald wieder meine Lebensgeister. Ein heißer Tee mit Slibowitz tat das Übrige. Ein Gefühl des Wohlbehagens stellte sich ein.

 

Die ganze feuchte Kleidung wurde aus dem Rucksack im ganzen Zimmer und im Bad zum Trocknen aufgehängt und ausgelegt. Selbst unser Wanderführer, ein absoluter Wanderprofi, mein Zimmerpartner, hatte heute ebenfalls nasse Sachen. Heizung gab es keine, insofern war der Trocknungseffekt über Nacht gering. Besonders meine Jeanshose und Jeanshemden sind für eine solche Tour völlig ungeeignet. Wenn Jeansstoff einmal nass wird, bringt man ihn nur schwer wieder trocken. Aufgrund der letzten beiden E3-Wanderungen im Riesen- und Altvatergebirge bei sonnigem, trockenen Wetter war für mich, eine Wanderung eine Woche lang nur im Regen, völlig ungewohnt. Goretexjacke, Schirm, gute Schuhe und auch Qualitätshosen reichen dafür nicht. Richtig ausgerüstet war eigentlich nur Eugen. Nur Funktionswäsche, transportiert Nässe von innen nach außen, verwenden, lautet der erste Grundsatz. Weiterhin sollte ein Regenponcho vorhanden sein, der auch den Rucksack abdeckt. Unterwäsche, Hosen, Hemden und Pullover werden jeweils getrennt in Plastikbeuteln im Rucksack untergebracht. Auch bei schwersten Regenfällen ist damit immer trockene Wäsche vorrätig. Ein Problem bleiben die Schuhe. Wenn sich das Leder einmal mit Wasser voll gesaugt hat, hilft auch das Ausstopfen mit Zeitungspapier über Nacht nicht mehr.

 

Nächstes Jahr werde ich sicherlich besser ausgerüstet sein. Gerade der nächste Tag, an dem es „noch dicker kam“, ist dafür ein weiterer Ansporn.

 

Wanderetappe: 25 km

 

Dienstag, 23.08.05: Rajec (Rajetz) – Horsky Hotel Martinské Hole

 

Durch die Lúčanská Malá Fatra (Lutschauer Kleine Fatra)

 

Heute musste die längste Tagesstrecke bewältigt werden. Neun Stunden Wanderzeit ohne Einkehrmöglichkeit. Die ganze Nacht über hatte es wieder stark geregnet. Bei bedecktem Himmel verließen wir kurz nach 08:00 Uhr das 6.100 Einwohner zählende Rajec (Rajetz). Etwa neun Kilometer Teerstraße marschierten wir im ebenen Gelände entlang. Bald begleitete uns wieder ein vom vielen Regen angeschwollener Bach. Wir passierten Holzstammlager und sahen Holzfäller bei der Arbeit. Urplötzlich hörte die Teerstraße auf und in einem Seitental begann ein sehr steiler, steiniger Anstieg. 580 m Höhenunterschied mussten von Rajec (Rajetz) (450 m) bis zum ersten Ziel Sedlo pod Hnilickou Kýčerou (1.028 m) bewältigt werden. Hier machten wir Rast an einem Lagerfeuerplatz. Ich war ganz durchgeschwitzt. Weiter ging es nun im strömenden Regen. Bald kamen wir an einen sehr steilen Hang, der zum Horná Lúka hinauf führte. Er war vom vielen Regen der letzten Tage völlig aufgeweicht und glatt. Der eigentliche Hangpfad war so glitschig, dass ich sofort drei Meter rückwärts rutschte, als ich hinauf wollte. Seitlich im Gebüsch mussten wir uns vom Zweig eines Busches zum nächsten hangeln, immer wieder rutschte man zurück. Der Aufstieg verlangte bei dem Regen und der Nässe jedem das Äußerste ab. Aber mit Kraft und Ausdauer gelangten wir endlich ans Ziel. Wieder trug ich uns ins Gipfelbuch ein. Der Regen wurde jetzt so stark, dass wir in eine Fichtenschonung flüchteten. Aber auch die Bäume konnten das viele Wasser nicht mehr abhalten. Es tropfte wie ein Wasserfall. Zehn Minuten hielten wir so durch, dann wurde es unangenehm kalt. Weiterlaufen hieß die Devise. Dadurch wurde einem bald wieder wärmer. Auch das Anstimmen des Liedes „Ja, das sind nur die Beine von Dolores, dass die Señores nicht schlafen gehen“, weckte weitere Energien. Kleinere rutschige Auf- und Abstiege wechselten sich jetzt ab. Gelaufen wurde im 5-10 cm hohen ablaufenden Wasser des schmalen E3-Pfades, immer dem rot-weißen Zeichen nach. Viele Steine und Baumwurzeln erschwerten noch das Marschieren. Nach einer weiteren Stunde waren wir an der Abzweigung Maríková (990 m) immer noch im strömenden Regen angelangt. Spontan wurde hier beschlossen, nicht in ein Seitental zum Herrenhaus Kunderad abzusteigen, sondern die geplante Tagesstrecke durchzuziehen.

 

Eine halbe Stunde später hörte wenigstens der Regen auf. Als wir einen Mischwald durchquerten, erreichten wir die alpine Zone. Der Pfad führte nun auf einer Hochgebirgswiese hoch zum höchsten Gipfel der Lúčanská Malá Fatra. Leider zog jetzt dichter Nebel auf, die herrliche Fernsicht auf die umliegenden Berge und in die Talkessel fiel aus. Auf dem grasigen Gipfel des Veľká Lúka (1.476 m) wächst Knieholz. Stangen erleichtern die Orientierung für die Besucher. Über moorige Wiesen und ein sehr verschlammtes Teilstück erreichten wir den Sender Krížava. Glockengeläut machte uns auf eine große grasende Kuhherde mit Schafen aufmerksam. Über eine 2,5 km lange Asphaltstraße – mitten durch die vielen Kühe – erreichten wir dann das Hotel „Martinské hole“. Skihänge und Skilifte prägen das Bild. An diesem Tag waren wir die einzigen Gäste im Hotel und der warme Tee tat uns heute besonders gut. Da wir in den nächsten beiden Tagen bis über 1700 Meter hinauf steigen mussten und auch einige Gratwanderungen zu bewältigen waren, wurde uns klar, dies war nur bei gutem Wetter möglich.

 

Wanderetappe: 28 km

 

Mittwoch, 24.08.05: Martinské hole ― Martin (St. Martin in der Turz) - Žilina (Sillein)

 

Es regnete Bindfäden die ganze Nacht hindurch und auch während des Frühstücks. Einstimmig beschlossen wir schweren Herzens die Tour 2005 abzubrechen. Besonders unser Wanderführer litt, es war das erste Mal in 30 Jahren, dass vorzeitig die Heimfahrt angetreten wurde. Wetterbesserung war aber auch in den nächsten Tagen nicht in Sicht. Kurz darauf war er schon wieder als Cheforganisator tätig. Er saß am PC des Hotels und suchte im Internet Zugverbindungen von Martin nach Žilina heraus. Er hatte über das Jahr seine Slowakischkenntnisse enorm verbessert und unterhielt sich fließend in dieser Sprache beim Empfang oder Abschied an den Hotelrezeptionen sowie bei Bestellungen im Restaurant. Zugverbindungen, Hotelbuchungen, Streckenauswahl und Führungen waren wie immer „Erste Sahne“. Er bürgt einfach für Qualität. Wenn es auch nicht oft gesagt wird, wissen wir doch alle, was wir an ihm haben.

 

Der Abstieg nach Martin (Sankt Martin in der Turz) wurde richtig zum Alptraum. Ständiger heftiger Regen, Riesenpfützen, Schlamm, Sturzbäche quer durch den Wald, ein kleiner Bach floss neben uns auf dem Weg, neun Kilometer können sich ganz schön hinziehen. Die letzten drei Kilometer konnten wir bis zum Bahnhof mit dem Bus fahren und hatten sofort Anschluss nach Žilina (Sillein). Dort marschierten wir im Regen durch die lebhafte Fußgängerzone zum Hotel „Slovan“. Žilina (Sillein) hat 87.000 Einwohner und ist die größte Stadt am Fluss Váh (Waag). Sie ist gleichzeitig das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der nördlichen Slowakei, Sitz der Hochschule für Verkehr und einer der wichtigsten Verkehrsknoten des Landes auf der Hauptstrecke zwischen Bratislava (Pressburg) und Košice (Kaschau). Vom Bahnhof aus mündet die Fußgängerzone in den ersten der zwei historischen Plätze Žilinas, benannt nach Andrej Hlinka. Die große Statue dieses Priesters, Politikers und führenden Fürsprechers für slowakische Unabhängigkeit zwischen den Weltkriegen dominiert den Platz.

 

Eine imposante Treppe führt zur gotischen Kirche Hl. Dreifaltigkeit, einem Wahrzeichen der Stadt aus dem Jahr 1400. Neben der Kirche steht der 46 m hohe Burian-Turm aus dem Jahr 1530, der als Glockenturm dient.

 

Wir setzten uns spät nachmittags in eines der schönen Cafés in den altertümlichen Arkadengängen am Mariánske námestie (Marien-platz), dem zweiten historischen Platz der Stadt. Die Grundmauern des Marienplatzes stammen aus dem 14. Jh. Die meisten Häuser waren damals von Handwerkern bewohnt. Žilina war am Ende des 17. Jahrhunderts ein bedeutsames Zentrum des Handwerks. 16 Zünfte gab es hier. Viele der Handwerker waren die Nachkommen der deutschen. Kolonisten, die die Stadt im 13. Jh. gegründet hatten. Der Marienplatz besitzt einen quadratischen Grundriss und mehrere davon ausgehende Gassen und Straßen. Am Platz befindet sich u.a. das Rathaus, die barocke Jesuitenkirche mit zwei Türmen und das Jesuitenkloster. Inmitten des Areals steht eine barocke Mariensäule aus dem 18. Jh. und ein großer Brunnen. Der Marienplatz ist Flaniermeile, Marktplatz, und Kommunikationszentrale – der Puls der Stadt.

 

45 Minuten hatte der Kauf der Rückfahrkarte für unsere Gruppe im Bahnhof Žilina (Sillein) an diesem Nachmittag gedauert. Immer wieder wurden Wolfgang neue Preise genannt. Das Personal war durch diesen Auftrag absolut überfordert. Unser Wanderführer genoss nach diesem Schrecken seinen Tee am Marienplatz besonders ausgiebig. In dem alten Restaurant "Slovenská koliba" ließen wir den letzten Abend gemütlich ausklingen.

 

Wanderetappe: 9 km

 

Donnerstag, 25.08.05: Žilina (Sillein) ― Mannheim / Heidelberg Rückfahrt

 

Gut mit Reiseproviant versehen traten wir um 08:37 Uhr die Heimfahrt von Žilina aus an. Der Zug fuhr anfangs am Váh entlang. Über Považská Bystrica (Waagbistritz) erreichten wir Bratislava (Preßburg). Hier mussten wir umsteigen. Auf der Weiterfahrt nach Wien sahen wir schon große Flächen von der March und der Donau überschwemmt. In Wien-Simmering ging es mit der U-Bahn weiter zum Westbahnhof Wien. Mit dem IC kamen wir dann über Passau und Regensburg durch die großflächigen Überschwemmungsgebieteu

 

Medeved – slowakisch der Bär – wir sehen uns 2006 in den Karpaten!!! Trotz des Reiseabbruchs fanden wir alle, die E3-Wanderung 2005 war ein weiteres schönes Erlebnis. Auch im Jahre 2006 werden wir wieder auf dem E3 unterwegs sein.

 

Hinweis:

 

Die genaue Wanderstrecke mit Kilometerangaben, Adressen der Unterkünfte finden Sie im Internet unter: http://www.weitwanderungen.de/EB%20Streckenverlauf.htm, weitere Bilder von der Wanderung sind zu finden unter: http://www.weitwanderungen.de/Bilder-Beskiden1.htm

 

Erschienen in "Mitteilungsblatt" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 20 - August 2006

 

 

Von Obstknödeln, Bushaltestellen und "hot and fruity"

 

Mitgliederwanderung 2013: 150 km auf dem EB in Tschechien

von Hrensko (Böhmische Schweiz nach Bily Potok (Isergebirge)

 

Von Katharina Wegelt

 

Es ist eine schöne Tradition geworden im Verein, einmal im Jahr gemeinsam eine Weitwanderung zu unternehmen. Nach solchen Touren durch den Naturpark Obere Donau, das Emmental, die Vogesen und den Schwarzwald stand diesmal Tschechien auf dem Programm. Zur nun schon fünften Mitgliederwanderung brachen Anfang Juni, gleich im Anschluss an die Mitgliederversammlung, 13 Wanderlustige (12 Mitglieder und ein Noch-Gast) auf. Auf dem EB/E3 ging es von Hrensko in der Böhmischen Schweiz über das Zittauer Gebirge bis nach Bily Potok im Isergebirge.

 

13 Menschen, die sich durch den Verein kennen, 13 Menschen, die das Weitwandern miteinander verbindet. Doch werden sie sich in dieser Wander-Urlaubs-Woche verstehen?

 

Beide Wanderleiter, Carsten und ich, waren voller Vorfreude, unseren Mitgliedern ein traumhaftes Wanderparadies zu zeigen. Für die meisten Mitwanderer war Tschechien völliges Neuland. Und wie einige später gestanden, waren sie nicht ganz ohne Vorbehalte aufgebrochen. Verabschiedet haben sie sich von Tschechien eine Woche später nur sehr schweren Herzens.

 

Staunen ob der wundervollen Natur war fast durchgängig angesagt bei unserer Tour. Ebenso Genuss – auch, oder vor allem der der leckeren tschechischen Küche (unser Tipp: Obstknödel!) – und natürlich Lachen. Wie es so ist, wenn eine Gruppe längere Zeit zusammen unterwegs ist – rasch gibt es herzerfrischende Running-Gags: Nachdem am ersten Wandertag dringend eine Bushaltestelle gesucht wurde – vor allem von Friedhelm, blieb künftig keine mehr ungesehen. Stets erschallte der Ruf: Wann fährt der nächste Bus? So wurde Friedhelm zum Bushaltestellen-Liebhaber.

 

Fuhr kein Bus – den wir auch gar nicht wollten J - kam stets die Frage: Wie weit ist es noch ... bis zur nächsten Pause, ... zum nächsten Ort, ... zum Ziel? Nachdem zufälliger Weise einige Male hintereinander 3,5 km angesagt bzw. angezeigt worden war, wanderten wir künftig nur noch diese Entfernung – egal wie weit J.

 

Und Helmi erhielt einen neuen Namen: Nach dem Genuss eines 100 Prozent aus einem chemischen Labor stammenden Getränks „hot and fruity“, das Helmi nur durch meine Unterstützung – und auch dann nur auf Umwegen erhielt, was ihn nicht wirklich amüsierte, war er dann so hocherfreut und des Lobgesanges ob des köstlichen Getränks nicht mehr zu bremsen, dass er fortan „hot and fruity“ hieß. Doch zurück zur Wanderung.

 

Der Start der einwöchigen Tour hatte wegen des Hochwassers verändert werden müssen, denn eine Anreise über die Sächsische Schweiz – wie geplant per Bahn ab Königstein - war noch immer nicht möglich. Doch das brachte unserer Gruppe letztendlich einen Einstieg in die Böhmische Schweiz, wie er wohl selten erlebt werden kann: völlig einsam!

 

Nachdem wir – nun eben doch mit drei Autos - über Zittau (Wo sich Hans noch rasch einen Backenzahn ziehen ließ) zu unserem ersten Hotel „Vysoka Lipa“ gereist waren, machten wir uns sofort auf die Socken – rückwärts quasi. Denn was als Strecke geplant war, musste nun als Rundwanderweg gelaufen werden: 20+ statt der geplanten 10 km am Anreisetag. Die Runde hatte zur Mitgliederversammlung auf dem Programm gestanden: Durch die Wilde und die Edmundsklamm über das Hochwassergesperrte Hrensko hoch hinauf zum Prebischtor, der größten natürlichen Sandsteinbrücke Europas. Auf dem Rückweg schüttete Petrus über uns aus, was er noch nicht zum Hochwasser beigesteuert hatte – und das war eine ganze Menge. Aber dieser Regen brachte einen herrlichen Regenbogen über dem Panorama der Böhmischen Schweiz. Was für ein Start!

 

Und es sollte immer weiter so gehen mit großartigen oder spannenden Eindrücken. Am nächsten Morgen brach etwa die Hälfte der Gruppe vor dem Frühstück mit mir auf – zu einem nahe gelegen Tal. Es lag nicht auf unserer Strecke, ich hatte sie aber zeigen wollen: die Dolský mlýn, die Mühle in der Ferdinandsklamm. Die romantische Ruine der ehemaligen Mühle am Flüsschen Kamenice (Kamnitz) wird gern als Filmkulisse verwendet. So ist sie vor allem aus dem Märchen "Die stolze Prinzessin" bekannt. Wir sieben stolperten an diesem Morgen mitten hinein in eine neue Filmkulisse für „Die Pilgerin“. Es war so echt, dass wir einige Zeit brauchten, um das wirklich zu begreifen – und bis dahin spielten wir recht fröhlich Marktfrau, Fischer-Ehepaar ... Welch ein Erlebnis auf nüchternen Magen.

 

 

 

 

Nach dem Frühstück dann ging es „wirklich“ los mit unserer Weitwanderung. Die Autos ließen wir für die Woche am Hotel.

 

Die Wanderung führte durch sehr vielgestaltige Landschaften: Von den Elbsandsteingebilden der Sächsischen und Böhmischen Schweiz mit ihren bizarren Formen, tiefen Tälern und hohen Aussichtsgelegenheiten durch das Lausitzer Gebirge mit seiner Vulkankegeln (und Eiszeitrelikten wie dem Alpenstrudelwurm) bis ins liebliche Isergebirge.

 

Herrliche Aussicht boten schon am ersten Tag der Wanderung u. a. Šaunštejn (Hohenleipaer Raubschloss), eine Felsenburg bei Vysoká Lípa (Hohenleipa), der Rudolfuv kámen (Rudolfstein), die Vilemínina stena (Wilhelminenwand) und der Mariina skála (Marienfels) bei Jetrichovice (Dittersbach). Später ging es durch das Tal Pavlínino údolí (Paulinengrund), ein etwa 3,5 km langes canyonartiges Tal, das der Chribská Kamenice-Bach in den Kreidesandsteinen zwischen Studený (Kaltenbach), Rynartice und Jetrichovice (Dittersbach) gebildet hat. Langsam laufen die Sandsteinfelsen aus. Den ersten Wanderern geht ob des stetigen Auf- und Abwärtslaufens die Puste aus – der Studenec (736 m), ein charakteristischer kegelförmiger Basaltberg, bleibt heute unerklommen. Unser Ziel, das Hotel Permon, erreichten wir pünktlich zur Abendbrotzeit.

 

Am nächsten Morgen die Überraschung für Friedhelm: 3,5 Kilometer Asphalt zurück zum Wanderweg ersparten wir unseren Füßen und fahren zunächst Bus. Auf breiten Forstwegen, später auf schmalen Waldpfaden geht es bis zur Bahnstation Jedlova – hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Bahnvorsteher lässt uns bereitwillig die historische Technik bestaunen und fotografieren. Weiter geht´s dann hinauf  zur  Burg Tolštejn (Tollenstein). Sie ist eine der bedeutsamsten mittelalterlichen Burgen Nordböhmens. Hier stärken wir uns und genießen die weite Sicht, bevor es über den Luž (Lausche, 793 m) – schon bekannt durch die Mitgliederversammlungs-Wanderung – Horní Svetlá (Oberlichtenwalde) - unserem nächsten Etappenziel – entgegen geht. Wenige 100 Meter zuvor jedoch kommen wir an der Luž-Baude nicht vorbei: Obstknödel gibt es hier ... Kindskopfgroß und unbeschreiblich lecker.

 

Von der hübschen Pension „Ceska Chalupa“ können wir schon eines der Ziele des nächsten Tages sehen: den Hvozd (Hochwald, 749 m). Markant ist die breit gelagerte sattelförmige Gestalt. Mitten darüber verläuft die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Tschechien. Wegen seiner guten Aussicht trägt der Berg auch den Beinamen Aussichtsturm des Zittauer Gebirges. Nach einer leckeren Waldmeisterbrause geht es weiter, dem nächsten spannenden Ziel entgegen: dem Sokol (Falkenberg). Er ist wegen seiner Kegelform einer der markantesten Berge des Lausitzer Gebirges (592,5 m). Auf dem Gipfel befinden sich die geringen Überreste der Burg Starý Falkenburk (Alte Falkenburg). Die Betonung liegt hierbei auf „gering“, eigentlich gab es dort nichts zu sehen – nicht mal eine Weitsicht J.

 

Weiter ging es nach Petrovice, das uns etwas enttäuschte: Hier hatte die Einkehr geschlossen, auf die wir uns gefreut hatten. Dafür ging es nun nochmal richtig kräftig bergan! Vorbei am  Loupežnický vrch (Raubschlossberg, 539 m) führte ein herrlicher Hohlweg dann hinunter in den Kaisergrund (Krasny dul). Dann die Überraschung des Tages: Wir hatten keine Unterkunft direkt am Weg gefunden, sondern nur in Jitrava. Also: Augen auf, wir müssen den roten EB/E3 verlassen und auf grün abbiegen ... dachten wir! Der EB/E3 ist hier verlegt worden und führt an den eindrucksvollen Bílé kameny (Weiße Steine oder auch Elefantensteine, eine unter Naturschutz stehende Kreidesandsteinformation) vorbei – direkt hinein nach Jitrava, wo wir im Hotel „Hostinec u Podkovy“ (Hotel zum Hufeisen) erwartet werden. Luxus pur. Lars schlägt zu und genießt eine Massage.

 

Gut erholt und ebenso gestärkt geht es nun gen Liberec. Den Abstecher über den grünen Velký Vápenný macht nur die Hälfte der Truppe ... Lustwandeln eben – jedem wie es ihm gefällt. Auf den Kameny zieht es sogar nur noch Ilka, Lutz und mich. Aber nun grüßt von gar nicht mehr so fern der Jested, der utopisch anmutende Aussichtsturm.

 

Schweißtriefend erreichen wir ihn, pausieren kurz, bevor wir mit der Seilbahn hinab fahren und dann mit der Straßenbahn ins Liberecer Zentrum. Unsere Unterkünfte sind mitten in der verkehrsberuhigten Altstadt: für Pärchen geht´s ins Hotel „Radnice“, Einzelreisende wohnen gleich nebenan in der Residence „Salvia“.

 

Dann gibt es eine kurze, aber intensive Stadtführung durch Lutz. Am Anfang geht es natürlich in das so bekannte Jugendstilhotel Praha! Wir genießen das nächtliche, städtische Treiben und freuen uns auf die Ruhe der kommenden zwei Tage.

 

Bevor aber wieder unsere Füße gefragt sind, fahren wir Bahn – nach Frydlant. Außer  Lutz. Der reist ab. Da waren´s nur noch 12.

 

 

 

 

 

Das Städtchen Frydlant liegt zwar etwas abseits des EB/E3, jedoch ist die Strecke von Liberec zur Smedava sehr asphaltlastig. So machen wir einen kleinen Umweg, besichtigen die Burg Frydlant und marschieren dann hinein ins Isergebirge – bis Heinice. Hier darf nochmal 3,5 km Bähnchen gefahren werden (Ehe wir mit dem Fahrkartenautomaten klar kommen, müssen wir schon aussteigen ... wir haben zwar etwas „gezogen“ ... aber was?), bevor uns die letzten 3,5 km bergan zur Bartlova-Bouda führen. Auf der Terrasse sitzen wir im Schein der untergehenden Sonne und genießen den Blick ins weite Tal und auf die Felsen.

 

Und schon ist er da, der letzte Tag unserer Wanderwoche. Katrin und Lars reisen ab ... Da waren´s nur noch zehn. Und die hielten durch, auch wenn es der letzte Tag nochmal in sich hatte: Hinab geht es gen Heinice – über den Wasserfall hoch hinauf zum Gipfelhopping mit herrlichen Aussichten auch auf die Bartlova Bouda – und dann haben wir ihn wieder: den Anschluss zum EB/E3. Grund zur Freude und zur Pause auf der Smedava. Noch einmal schlemmen wir Obstknödel und ziehen dann über Predel und Palicnik (Wo wir das „geheime“ Gipfelbuch-Versteck für Wanderer unseres Wirtes finden und uns am Inhalt laben) zurück zur Bartlova-Bouda. Zünftig mit einem Becherovka beenden wir unsere Wanderzeit.

 

Rund 150 Kilometer sind wir zusammen gegangen, hatten wunderbare Touren, tolle Gespräche, viel Ruhe und noch mehr Genuss. Mir hat es gefallen – dort mit Euch auf dem EB/E3 unterwegs gewesen zu sein!

 

 

 

Den gesamten Bericht, geschrieben täglich von einem anderen Wandersmann bzw. einer Wandersfrau, findet Ihr unter: www.netzwerk-weitwandern.eu.

 

Erschienen in "Mitteilungsblatt" Zeitschrift des Vereins

Netzwerk Weitwandern e.V. Ausgabe 41 - August 2013

 

 

Siehe auch:

 

Krämer, Günther: September 2001, Studienfahrt ins Riesengebirge

 

Krämer, Günther: Pfingsten und Sommer 2000: Tschechien - Erzgebirge, Böhmische Schweiz, Sudeten bis Altvater

 

 

 

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